Die Begriffe “Wissensarbeit” und “Wissensgesellschaft” sind uns allen mehr oder weniger geläufig. Diese Gewissheiten werden nun in dem Beitrag Moldaschl, M (2010): Zirkuläre Wissensdiskurse? Einige Einsprüche gegen gewisse Gewissheiten. No. 1/2010 (PDF) mehr oder weniger infrage gestellt. “Wissensgesellschaft” wird für einen unzulässigen Reduktionismus gehalten, die “Wissensökonomie” wird als noch nicht existent bezeichnet, “Wissen” eher als Bestandskategorie gesehen und “Wissensarbeit” als Gegenpart zur körperlichen Arbeit – und somit als unzulässige Dichotomie – angeprangert. Das sind nur wenige Stichpunkte aus dem lesenswerten Artikel, der mit seinen Perspektiven zum Nachdenken anregt und zeigt, dass auch scheinbare Gewissheiten immer wieder hinterfragt werden sollten.
Hardt, M.; Negri, A. (2010): Common Wealth. Das Ende des Eigentums
Nach der Finanzmarkt- und der sich daraus entwickelnden Wirtschaftskrise ist es mal wieder an der Zeit darüber nachzudenken, ob unser aktuelles Wirtschaften noch angemessen ist. In dem Buch Hardt, M.; Negri, A. (2010): Common Wealth. Das Ende des Eigentums beschreiben die Autoren einen Alternativentwurf, der zumindest zum Nachdenken anregt. Immerhin geht es um eine “menschlichere Alternative des Zusammenlebens”. Fragt man sich natürlich sofort, was für eine Art des Zusammenlebens zur Zeit wohl noch überwiegt? Die verschiedenen Krisen der Vergangenheit haben auch gezeigt, dass sich zunächst nicht sehr viel ändert, obwohl Politiker permanent davon reden. Dennoch kommt der Wissenschaft in gesellschaftlichen Transformationsprozessen (Refexive Modernisierung) alternative Deutungsmuster aufzuzeigen. Immerhin der erste Schritt bei Veränderungsprozessen… Siehe dazu auch Fritz Böhle: Der Mensch als geistiges und praktisches Wesen
Wissensgesellschaft oder doch eher Kompetenzgesellschaft?
Überall liest man, dass wir uns von der landwirtschaftlich geprägten Gesellschafft in eine Industriegesellschaft weiter entwickelt haben und uns jetzt in einer Dienstleistungs-, Informations-, bzw. Wissensgesellschaft befinden. So weit so gut, oder nicht? Diese Darstellung geht von einer gewissen Linearität aus, die z.B. von der reflexiven Moderne (Beck) infrage gestellt wird. Weiterhin führen einige Autoren an, dass es nicht reicht, sich auf Wissen zu konzentrieren, sondern darauf ankommt, Wissen selbstorganisiert in einem speziellen Kontext so anwenden zu können, dass ein (komplexes) Problem gelöst wird: Selbstorganisationsdisposition (Kompetenz). Erpenbeck/Heyse (1999: 30) sprechen in diesem Sinne daher lieber von einer Kompetenzgesellschaft. Diese Perspektive hätte erhebliche Änderungen in unserer Gesellschaft zur Folge…
3sat Thementag, Lernen und Wissen
Am Sonntag, den 20.12.2009 gab es bei 3sat einen Thementag, der den Zuschauer um die ganze Welt führen sollte. Da wir ausgiebig und gerne Reisen, haben wir uns schon darauf gefreut, einige Orte wiederzusehen. Der Sonntag kam, wir schauten uns die ersten Sendungen an und trauten unseren Augen nicht, denn diese Beiträge waren teilweise über 10 Jahre alt. Ich schaute auf der entsprechenden Website nach und fand den Begriff “Erstaustrahlung”…, allerdings keine Jahresangaben. Eine Mail, die ich am selben Tag an die Redaktion sandte, wurde dann wie folgt am 22.12.2009 von Goggo Gensch (swr) beantwortet: “Sehr geehrter Herr Freund, vielen Dank für Ihre Zuschrift und das Interesse an unserem Thementag, die einzelnen Filme der Reihe ´Schätze der Welt – Erbe der Menschheit´ wurden alle zwischen 1995 und 2009 hergestellt, zum Teil wurden sie auch alle immer mal wieder bearbeitet und aktualisiert.” Ist das nicht herrlich? Da senden die Bezieher unserer Rundfunkgebühren alte Konserven, ohne die entsprechende Jahreszahl gleich am Anfang einer Sendung zu zeigen. Zuschauer erhalten also sehr alte Daten und Informationen zu den Ländern. Daraus konstruieren die Zuschauer dann ihr Wissen über diese Nationen (Siehe Wissenstreppe). Kein Wunder also, dass die meisten Deutschen ganz falsche Vorstellungen von anderen Ländern haben. Der Beitrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zur Wissensgesellschaft muss sein, Daten und Informationen mit Quellenangabe gleich am Anfang des Beitrags zur Verfügung zu stellen. Noch besser wäre es, wenn in der Sendung permanent die Quelle angezeigt würde. Aber wer will das schon? Man würde als Fernsehzuschauer wohl merken, dass das heutige Fernsehprogramm der öffentlich-rechtlichen Fersehanstalten (treffender Begriff) häufig darin besteht, “Konserven” zu senden. Man fragt sich natürlich, was die Sender mit unseren Beiträgen machen. Doch, wer will das schon so genau wissen?
Stundenplan von 1906/1907: Geändert hat sich bis heute (fast) nichts
Ein Stundenplan aus dem Jahr 1906/1907 zeigt, dass sich nach über 100 Jahren Reformen im Bildungswesen (fast) nichts geändert hat. Wir haben heute immer noch getaktete Schulstunden und trennen wichtige Inhalte voneinander. Im (Berufs-) Leben kommt es aber immer mehr darauf an, alles miteinander zu verbinden – zu vernetzen – und selbstorganisiert Probleme zu lösen. Der getaktete Stundenplan ist ein Symbol für ein Bildungssystem, das einer Entwicklung zur wissensbasierten Gesellschaft entgegen steht, da die Trennung von Themengebieten die Konstruktion von Wissen einschränkt. Die Schaffung von neuem Wissen ist allerdings Vorausestzung für die Wissensnutzung – für Innovationen. “Every time I pass a jailhouse or a school, I feel sorry for the people inside” (Quelle). Der Satz stimmt mich nachdenklich – Sie auch? Siehe dazu auch Multiple Intelligenzen
Liessmann, K. P. (2008): Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft
Auf Empfehlung eines netten Kollegen aus Österreich habe ich mir das Buch Liessmann, K. P. (2008): Theorie der Unbildung durchgelesen. Im Untertitel Die Irrtümer der Wissensgesellschaft wird schon deutlich, welche Richtung der Autor mit seiner Argumentation einschlägt. Es ist spannend zu sehen, wie Konrad Paul Liessmann den Bogen von Wer wird Millionär? bis zu Schluß mit der Bildungsreform schlägt. Die berechtigten Hinweise auf die Unterscheidung zwischen der Informations- (Desinformationsgesellschaft) und der propagierten Wissensgesellschaft werden in Richtung der aktuellen Bildungsdiskussion erweitert und kritisch hintergfragt. Liessmann hält allen, die sich mit Daten, Informationen, Wissen und Bildung befassen den Spiegel vor und liefert so einen wertvollen Beitrag zur Reflexion. Nutzen wir die Gelegenheit, und denken über die Themen noch ein wenig intensiver nach…
Was ist Arbeit?
Der Newsletter des Instituts für Soziologie an der TU Chemnitz (Prof. Voß) weist auf ein sehenswertes Video zum Thema Was ist Arbeit? hin. Das Video ist gut gemacht und regt zum Nachdenken an…
Promotionskolleg: Forschungsprogramm ausführlich dargelegt
Mein Promotionskolleg (Promotionsskizze) hat sein Forschungsprogramm nun ausführlich dargelegt (Programmatik). Zusammenfassung: “Soziale Wandlungsprozesse als Auflösung bestehender und als Herausbildung neuer Strukturen (vgl. Geissler/ Oechsle, 1996) sind allgegenwärtig. Sie greifen begrifflich die prozessuale Veränderung von Strukturen einer Gesellschaft in ihren grundlegenden Institutionen, Organisationen, Kulturmustern sowie der jeweils darin zum Ausdruck kommenden sozialen Handlungen und bewussten und unbewussten Sinnbezügen auf. Aktuelle Diskurse, die soziale Wandlungsprozesse thematisieren (vgl. Beck/Giddens/ Lash 1996, Habermas 1998, Krüger 1995, Luhmann 1984) und vereinfachend eine strukturelle Veränderung von der Industrie- zur Informations-, Dienstleistungs- oder auch Wissensgesellschaft beschreiben, stellen Chancen wie Innovation und Wissenszuwachs, wie auch Risiken der Potenzierung von Ungewissheiten, Problemlagen und Wissensdefiziten heraus. Subsumierend eine Steigerung von Komplexität auf der Inputseite und wachsender Kontingenz der möglichen Entscheidungen und Handlungen auf der Outputseite.
Die Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Individuum bzw. zwischen Strukturen und Handlungen manifestieren sich in gesellschaftlichen Institutionen (bspw. Berufen, Familie, Bildungseinrichtungen) und Organisationen (bspw. Betriebe und Unternehmen). Eine Verbindung zwischen individuellen und gesellschaftlichen Entwicklungs- und Wandlungsprozessen herzustellen und die Auswirkungen und Anforderungen an Lern- und Bildungsprozesse in organisationalen Kontexten und Lernwelten darzustellen, ist wesentlicher Bezugspunkt und erkenntnisleitendes Interesse des Promotionskollegs. Der Erziehungswissenschaft kommt hierbei – sich in pädagogischer Praxis formaler, informaler und medialer Lern- und Bildungsprozesse bedienend – eine elementare Vermittlungsinstanz zuteil (vgl. Krüger, 1995), denn relevantes Wissen und erweiterte Kompetenzstrukturen müssen einerseits jeweils gelernt, aber auch revidiert und situativ nutzbringend zur Performance gebracht werden können (vgl. Kurtz, 2005).
Hierzu müssen die Konsequenzen erkannt, die Herausforderungen in ihren Bedingungen und Grenzen angenommen und die Optionen kritisch geprüft und wahrgenommen werden. Eine wesentliche Schnittstelle zwischen Individuum (Handlungen) und Gesellschaft (Strukturen) zur Bewältigung von spezifischen Sozialisations-, Lern- und Erziehungsanforderungen und -phasen stellt die Ebene jedweder pädagogisch Handelnder a) in sozialen Professionen, b) lehrenden Berufen/ Tätigkeitsfeldern und c) in gesellschaftlichen Institutionen und Organisationsformen in unterschiedlichen Teilsystemen (bspw. Wirtschaft-, Wissenschaft-, Gesundheitssystem) dar. Analytisch fassbar sind diese personenbezogenen Dienstleistungen bzw. interaktionszentrierten Tätigkeiten mit direktem Personenkontakt überwiegend der vierten Säule des Bildungssystems, d.h. der „Weiterbildung“- welche in sich uneinheitlich aber vor allem als Form der Anpassung an Umweltveränderungen rekonstruiert werden kann – zuzuordnen.”
Dewe, B.; Weber, P. J. (2007): Wissensgesellschaft und Lebenslanges Lernen
In dem Buch Dewe, B.; Weber, P. J. (2007): Wissensgesellschaft und Lebenslanges Lernen. Eine Einführung in bildungspolitische Konzeptionen der EU beschreiben die beiden Autoren im ersten Teil wichtige Aspekte einer Wissensorientierung, die sich von der Informationsperspektive unterscheidet (S. 14): “Wir halten den Begriff der Wissensgesellschaft gegenüber dem der Informationsgesellschaft für zutreffender, ´weil die anvisierten qualitativen Veränderungen nicht auf Information, sondern auf der neuen Wertigkeit, ökonomischen Bedeutung und politischen Steuerung von Wissen und Expertise´beruhen (Willke 1998, 162)” (Seite 19). “Ein weiterer Aspekt bei der Rede von der Wissensgesellschaft und der Wissensbasierung gesellschaftlicher Prozesse bezieht sich auf die komplizierte Beziehung zwischen Wissen und Handeln und Wissen und Können” (Seite 22). Nicht zuletzt verweisen Dewe und Weber auf Seite 34 auf die vier Dimensionen eines modernen Lernbegriffs (Allgemein, Zeitdimension, Sozialdimension und Sachdimension). Die Abgrenzung des Wissensbegriffs zu Informationen und die Berücksichtigung der Dimensionen des Lernbegriffs haben erhebliche Konsequenzen für den Umgang mit Wissen (Wissensmanagement).
Ballstaedt, S.-P. (2005): Kognition und Wahrnehmung in der Informations- und Wissensgesellschaft
Der Beitrag Ballstaedt, Steffen-Peter (2005): Kognition und Wahrnehmung in der Wissensgesellschaft ist erschienen in Kübler/Elling (Hrsg.): Wissensgesellschaft. Der Autor stellt die wichtigen Begriffe Kognition und Wahrnehmung aus der Perspektive der Überflutung mit Informationen dar und stellt einen Zusammenhang zum Konstrukt Wissen her. Darüber hinaus findet man auf Seite 8 diesen Hinweis: “Die Bedeutung inhaltlichen, domainspezifischen Wissens nimmt ab, die Bedeutung von Kompetenzen im Umgang mit Wissen nimmt zu. Überzeugend hat die Soziologin Nina Degele die These analysiert: ´Während die Inhalte des Gewussten immer kurzlebiger werden und an Bedeutung verlieren, avancieren die Umgangsweisen mit Wissen zur entscheidenden Kompetenz´ (Degele 1999: 171). Wie in der kognitiven Psychologie unterscheidet sie Wissen erster Ordnung, das sind die inhaltlichen Wissenbestände. Wissen zweiter Ordnung ist Metawissen zum Umgang mit Wissen. Was man lernen muss, sind nicht primär Inhalte, sondern Techniken, Strategien und Tools zum Umgang mit Wissen: Nicht mehr ‚having knowlege‘, sondern ‚doing knowlege‘ (Ahrens/Gerhard 2002) (…).” Kompetenz als Selbstorganisationsdisposition? Siehe dazu auch Die Wissenstreppe.