Die GfWM Themen Januar 2013 enthalten wieder interessante Beiträge. Einen möchte ich herausstellen, es ist das “GfWM Diskussionspapier – Wissensarbeit in modernen Arbeitswelten: Ein Zukunftsbild”. Es ist nicht ganz einfach, die moderne Arbeitswelt zu beschreiben, geschweige denn, ein Zukunftsbild zu entwerfen. Der Beitrag regt somit an, sich mit der Thematik Wissen und Arbeit (und den damit möglichen Kombinationen) intensiver zu beschäftigen – und das ist gut. Siehe dazu auch Wissensarbeiter und Unternehmen im Spannungsfeld, Organisationsformen der Wissensarbeit, Wissensbasierte Arbeit braucht neue Strukturen, Innovationsarbeit 2.0, Das Ganze der Arbeit, Kritik an dem Begriff Wissensarbeiter, Wirtschaftliches Handeln als soziales Handeln verstehen.
Personales Wissen und organisationales Wissen intelligent vernetzen
Wie Sie der Grafik entnehmen können, stellt Willke (2003) dem personalen Wissen (Laien, Facharbeiter, klassische Professionen, Experten) ein eher organisationales Wissen gegenüber, das auf individueller und systemischer Ebene Expertise darstellt. Die Vernetzung des Wissens von Experten in z.B. Projekten ist somit ein wichtiges Kennzeichen moderner Organisationsformen. Bezeichnend ist weiterhin, dass Willke dabei ausdrücklich auch den Intelligenzbegriff mit einbezieht. Allerdings wird hier der IQ erwähnt. Wie Sie wissen, würde ich diesen Ansatz etwas erweitern…. Siehe Multiple Intelligenzen und Multiple Kompetenzen.
Schabel/Stieler/Rehm (2012): Wissensarbeiter und Unternehmen im Spannungsfeld
Die zentralen Erkenntnisse der Studie Schabel, F.; Stieler, A.; Rehm, S. (2012): Wissensarbeiter und Unternehmen im Spannungsfeld sind (S. 5):
1. Wissensarbeiter definieren sich nicht über feste Regeln und Prozesse, sondern benötigen Gestaltungsfreiheit und sind nicht an feste Zeiten und Orte gebunden.
2. Selbstbestimmung und zeitliche Flexibilität sind aus Sicht der Wissensarbeiter Grundvoraussetzungen, um produktiv zu arbeiten.
3. Wissensarbeiter sind in Bezug auf ihren Marktwert selbstbewusst und in hohem Maße wechselbereit. Ihre Loyalität gilt ihrer Tätigkeit, nicht ihrem Arbeitgeber.
4. Unternehmen bieten oft noch keinen passenden Rahmen für den Austausch und die Vernetzung ihrer Wissensarbeiter.
5. Datenbanken werden weiterhin als wichtiges Werkzeug für Wissensarbeit erachtet, Social Media dagegen vielfach noch mit Skepsis betrachtet.
6. Für den Aufbau von Netzwerken und den Austausch setzen Wissensarbeiter vor allem auf herkömmliche Fachkonferenzen und Messen.
7. Wissensarbeiter verlangen von ihrem Unternehmen dezidierte Unterstützung, um Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Viele Arbeitgeber kommen diesen Wünschen bislang kaum nach.
8. Festangestellte Wissensarbeiter stehen der Zusammenarbeit mit externen Spezialisten positiv gegenüber und sehen eine produktivitätsfördernde Wirkung von Mixed Teams.
Siehe dazu auch Wissen, Wissensmanagement, Wie kann man Wissensarbeit analysieren? und Wissensmanager (IHK).
Freund, R. (2012): Wissensbilanz – Made in Germany im Gesundheitswesen
In dem Artikel Freund, R. (2012): Wissensbilanz – Made in Germany im Gesundheitswesen (AWV-Informationen 4/2012, S. 22-23) geht es mir darum Gesundheit nicht nur aus der Kosten- (Effizienz-)perspektive, sondern mehr aus der Wissensperspektive zu betrachten: “Um den veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden, versuchen die Organisationen im Gesundheitswesen effizienter zu werden, indem sie Kostensenkungsprogramme initiieren, schlanke Prozesse (Lean Management) und Qualitätsmanagementsysteme etablieren. Dieser Reflex entspricht exakt dem Muster, das wir aus der Industrie kennen. Der Effizienzgedanke hat sich in unserer Gesellschaft – und damit in den Köpfen von Mitarbeitern, Managern, Politikern – tief verankert. Es reift allerdings in den letzten Jahren langsam die Einsicht, dass Organisationen im Gesundheitswesen keine Industriebetriebe sind, sondern Dienstleister, die wissensbasierte Arbeit verrichten”.
Studie: Langsam aber sicher erkennen immer mehr Unternehmen, dass wissensbasierte Arbeit neue Strukturen braucht
Seit Peter Drucker in den 50er Jahren den Begriff “Knowledge Worker” etablierte (ganz geklärt ist das allerdings nicht), sind viele Jahre vergangen und Wissensmanagement hat verschiedene Phasen durchlebt. Zum Beispiel hat der IT-Hype der letzten Jahrzehnte den Umgang mit Wissen immer noch zu sehr mit Informations- oder Datenmanagement gleich gesetzt. Es scheint sich allerdings langsam aber sicher die Erkenntnis durchzusetzen, dass wissensbasierte Arbeit, die neue Informations- und Kommunikationstechnologien verwendet, andere Rahmenbedingungen benötigt, als klassische Industriearbeit. Die Hays-Studie (2011): Fachbereiche im Wandel. Wie Wissensarbeit die Unternehmen verändert bestätigt auch noch einmal diese Entwicklung. Ich hoffe allerdings sehr, dass erkannt wird, wie wichtig gerade der Umgang mit impliziten Wissen im Unternehmen ist, denn dieses kann nicht so einfach in Datenbanken oder Handbüchern festgehalten werden…
Führung 2.0? Was soll das bedeuten?
Für die ComTeam-Studie 2009: Führung 2.0 – Unternehmenswelt von morgen wurden insgesamt 4.000 Fach- und Führungskräfte befragt. Bei einer Rücklaufquote von 10% (Online-Fragebogen) ist das eine überschaubare Datenbasis. Auch sind die gestellten Fragen aus meiner Sicht eher tendenziell als wissenschaftlich fundiert. Abgeleitete, allgemeine Aussagen zu einem Trend sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden. Was die Befragung mit Führung 2.0 zu tun hat, erschließt sich nicht so richtig. In Anspielung auf das Web 2.0 soll wohl eine Veränderung des Führungsverhaltens abgeleitet werden. Lothar Lochmeier hat schon am 30.10.2007 in dem Artikel Führung 2.0 und der intelligente Schwarm (manager magazin) auf diesen Punkt hingeweisen. Dazu brauchte man nicht unbedingt eine weitere Studie. Wichtiger ist, die Veränderungen für die Führung ganzheitlicher zu betrachten. Siehe dazu auch Malik (2008): Wie Organisationen sich selbst organisieren, Mainzer (2008): Komplexität, Subjektivierung der Arbeit, Wissensarbeit
Industriearbeit in Modern Times (Charlie Chaplin)
Arbeit in der Industrie war geprägt durch Routinetätigkeiten in Massenproduktioneprozessen. Der Film Modern Times mit Charlie Chaplin zeigt das deutlich und komisch. Der Mensch, Lieferanten und Kunden werden in solchen Prozessen wie ein austauschbare “Teile” angesehen. Wissensbasierte Arbeit ist anders. In wissensbasierten (Geschäfts-) Prozessen kommt der Wissenskonstruktion durch den Menschen und dem damit verbundenen Umgang mit impliziten Wissen eine besondere Bedeutung zu.
Reinmann, G. (2008): Lehren als Wissensarbeit? Persönliches Wissensmanagement mit Weblogs
In dem Artikel Reinmann, G. (2008): Lehren als Wissensarbeit? Persönliches Wissensmanagement mit Weblogs (IWP – Information Wissenschaft & Praxis, 2008, Heft 1, Seiten 049-057) erläutert die Autorin u.a. wie mit Hilfe von Weblogs, persönliches Wissensmanagement betrieben werden kann. Darüber hinaus wird die Frage gestellt, ob Lehren nicht auch Wissensarbeit bedeutet. Abstract:
“Wissensarbeit und Wissensmanagement sind Konzepte, die bislang vorrangig im Unternehmenskontext diskutiert und untersucht werden. Interpretiert man Lehren als eine Form von Wissensarbeit, wird auch für Schule und Hochschule vor allem das persönliche Wissensmanagement interessant, das persönliche Kompetenzentwicklung wie auch kollaboratives Lernen und Arbeiten anregen und verbessern kann. Anhand von Einzelbeispielen aus der Blogosphäre wird gezeigt, wie Lehrende in ihrer Rolle als Wissensarbeitende von Web 2.0-Anwendungen profitieren können und inwiefern Weblogs ein vielfältiges Instrument zum persönlichen Wissensmanagement sind. Anhand eines Modells zum persönlichen Wissensmanagement wird die Verbindung individueller und kollaborativer Prozesse herausgearbeitet. Wie Lehrende darin unterstützt werden können, persönliches Wissensmanagement zu lernen, wird wiederum anhand zweier Beispiele beschrieben. Die beiden Fortbildungsbeispiele aus dem Bereich des E-Learning sind für das Thema deshalb hilfreich, weil sie selbst formale Bildungsangebote mit informellem Lernen und damit auch mit persönlichem Wissensmanagement verknüpfen.”
Aus meiner Sicht sind “Lehrende” auch Wissensarbeiter, die sich allerdings nicht im Unternehmenskontext, sondern im universitären/schulischen Kontext bewegen. Wenn dem so ist, könnte man natürlich auch Führungskräfte in Lernenden Organisationen als “Lehrende” bezeichnen, wobei sich die Unterschiede bei der “Lehrtätigkeit” auf den Kontext beschränken würden. Die jeweilige Kontextsteuerung (Ermöglichungsräume) gerät immer stärker in den Fokus und somit weniger der Content. Siehe dazu auch Content is King – but Context rules.
Wie kann man Wissensarbeit analysieren?
Der Artikel Hermann, S. (2004): Produktive Wissensarbeit – Eine Herausforderung. In: S. Hermann (Hrsg.): Ressourcen strategisch nutzen: Wissen als Basis für den Dienstleistungserfolg. Stuttgart: Fraunhofer – IRB Verlag, 2004, S. 205-224 stellt die Besonderheiten der Wissensarbeit sehr gut dar. Beispielsweise wird vorgschlagen, die Einschätzung der Kompetenz-/Wissensanforderungen folgendermaßen vorzunehmen (Seite 16): “Als Grundlage hierfür dient das Modell von Quinn et al. (1996), das unterscheidet zwischen:
– Erkenntnismäßigem Wissen (´Know-what´): das zur Beherrschung eines Fachgebietes notwendige, in einer gründlichen Ausbildung erworbene Wissen
– Hoch entwickelten Fertigkeiten (´Know-how´): Fähigkeit, das reine ´Bücherwissen´ erfolgreich auf komplizierte Probleme des Alltags anzuwenden
– Verständnis der systemischen Zusammenhänge (´Know-why´): fundierte Kenntnis von Ursache-Wirkungs-Beziehungen; hoch entwickelte Intuition, welche die Experten dazu befähigen, schwierigste Probleme zu lösen.
– Kreativität aus eigenem Antrieb (´Care-why´): Wille, Motivation und Gespür für Erfolg
Jedem Arbeitsschritt wird eine der vier Kompetenzstufen zugeordnet. Dabei wird immer die höchste Kompetenzstufe (Care-why -> Know-why -> Know-how -> Know-what) angegeben, die zur Bewältigung der Arbeitsaufgabe erforderlich ist. Auf diese Weise erhält man einen sehr guten Überblick darüber, wo im Tagesgeschäft Wissensarbeit geleistet wird. Entsprechend lassen sich aber auch neue Tätigkeiten modellieren.”
Da die Prozessbeschreibungen in den meisten Unternehmen vorliegen (Qualitätsmanagement-System), kann man mit dieser Methode gut und einfach den nächsten Schritt in Richtung Wissensmanagement machen (Qualitätsmanagement als Ankerpunkt für Wissensmanagement). Probieren Sie es doch einmal aus. Siehe dazu auch Hube, G. (2005): Beitrag zur Beschreibung und Analyse von Wissensarbeit und Kleske, J. (2006): Wissensarbeit mit Social Software.
Tochtermann/Köck/Willfort (2007): Creativity (at) Work in der Wissensarbeit
Der Artikel Creativity (at) Work in der Wissensarbeit (wissensmanagement 1/2007) beschreibt die wichtige Rolle der Kreativität für Innovationen und somit für wissensbasierte Arbeit. Dabei erläutern die Autoren den Unterschied zwischen Blue Collar Work, White Collar Work und Creative Knowledge Work. Weiterhin weist man auf das Tool Neurovation hin, das gerade für wissensbasierte Arbeit eingesetzt werden sollte. Sollten Sie ergänzend zu dem Artikel noch weitere Informationen dazu benötigen, so gibt es auch ein Video und ein Buch zu dem Thema: Willfort, R., Tochtermann, K., Neubauer, A. (2007) Creativity@Work für Wissensarbeit. Kreative Höchstleistungen am Wissensarbeitsplatz auf Basis neuester Erkenntnisse der Gehirnforschung. Shaker Verlag: Aachen. 120 S., 25 Abb., 1 Tab., EUR 24,80, ISBN 978-3-8322-6028-6