Der Begriff der “Spekulation” im alltäglichen Sprachgebrauch und in anderen Kontexten

Wenn jemand etwas nicht genau weiß, und dennoch eine Schlussfolgerung ableitet, wird oft gesagt, hier wird spekuliert. In der Finanzwelt werden beispielsweise von Spekulanten riesige Geldmengen bewegt. Es wird deutlich, dass das Konstrukt “Spekulation” im alltäglichen Sprachverständnis negativ besetzt, allerdings in manchen Branchen (Kontexten, Domänen) ein durchaus gängiger Begriff ist.

“Der Begriff Spekulation wird im Gegensatz zum alltäglichen Sprachverständnis in der Wirtschaftswissenschaft wertneutral verwendet” (Wikipedia). 

Der Begriff des Spekulativen sollte daher auch umgangssprachlich gar nicht mehr so despektierlich gesehen werden – wie auch der folgende Text hervorhebt:

“Als philosophischer Fachterminus meint das Spekulative seit Kant und Hegel den eigentlichen Gebrauch der Vernunft, ohne in der bloßen Erfahrung des Vorliegenden steckenzubleiben. Daher ist das spekulative Element, methodisch zielführend eingebettet, ein wesentlicher Bestandteil des Entwerfens, den zu Unrecht eine unwissenschaftliche Aura umgibt (Groß und Mandir 2022, S. 30)” (Sander/Glaser/König (2024), in: Ebert/Rahn/Rodatz (Hrsg.) (2024): Wie gestalten wir Gesellschaft?).

In diesem Sinne lassen Sie uns ruhig spekulieren, und über die besten Meinungen diskutieren, debattieren und im positiven Sinne streiten..

Kommt es zu einer Entgrenzung wirtschaftswissenschaftlicher Theorien?

DIE ZEIT hat in der Ausgabe vom 12.05.2010 unter dem Titel “Gier frisst Verantwortung” (Uwe Jean Heuser, S. 53) zwei wichtige Bücher zur aktuellen Krise vorgestellt. Es handelt sich um Stiglitz, J. E. (2010): Im freien Fall und um Roubini/Mihm (2010): Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft. Die große Bekanntheit der Autoren lässt auf neue Erkenntnisse hoffen. Der ZEIT-Artikel stellt beide Bücher sehr gut gegenüber.  Interessanterweise findet sich auf der genannten Seite auch ein Hinweis auf Schmidt, S. (2010): Markt ohne Moral. Gerade in Zeiten des Booms hat man im Finanzsystem keine Moral gekannt. Jetzt, da viele Wetten geplatzt sind, wird wieder von Moral gesprochen. Wer weiß wie lange noch. Die Krise an den Finanzmärkten hat gezeigt, dass die allseits beliebten Pole (Markt-Staat, Gewinn-Moral, Arbeit-Freizeit, usw.) nicht mehr gelten. Es kommt zu einer Entgrenzung der jeweiligen Positionen (Dichotomien) und somit eher zu vielfältigen Optionen in einer globalisierten Welt. China z.B. zeigt, dass man in einem “politisch-totalitären” System, marktwirtschaftliche Strukturen ermöglichen kann. In Europa und in den USA reden sogar Politiker, die eher “rechts” stehen, von staatlichen Eingriffen in das ach so hoch gelobte marktwirtschaftliche System. Die Theorie der reflexiven Modernisierung kann Hinweise darauf geben, wie diese Entwicklungen zu erklären sind. Interessanterweise kommen die guten Ansätze weniger aus den Wirtschaftswissenschaften, sondern eher aus der Soziologie. Viele Soziologen finden allerdings nach ihrem Studium kaum eine Anstellung (im Gegensatz zu BWLer…). Es wäre gut, wenn Politiker/Banker usw. einmal mit Geisteswissenschaftlern reden würden. Es ist kein Wunder, dass die Wirtschaftssoziologie in den letzten Jahren immer stärker beachtet wird (Smelser, Swedberg,…).