Ein genauerer Blick auf einen Teil von “Ungewissheit”, der bisher zu wenig beachtet wird

Wenn es um die Beschreibung des Umfeldes geht, verwenden wir oft den Begriff “Ungewissheit”. Dabei wird allerdings nicht immer erkannt, dass “Ungewissheit” zwei Dimensionen enthält, die ganz unterschiedlich gehandhabt werden müssen. Einerseits sind es die “Known Unknowns“, die mit den bekannten Managementansätzen (Risikomanagement) angegangen werden können. Eine weitaus wichtigere Dimension stellen allerdings die “Unknown Unknowns” dar. Dazu habe ich folgenden Text gefunden:

“Wichtig ist beim Blick auf Ungewissheit die Unterscheidung zwischen „Known Unknowns“ und „Unknown Unknowns“. Ersteres bezieht sich auf die Bearbeitung von Risiken und das Risikomanagement. Ziel ist, nicht vollständig vorhersehbare und kontrollierbare Ereignisse gleichwohl weitmöglichst zu beschreiben und die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens zu berechnen. Auf dieser Grundlage erscheint es dann auch möglich, den Umgang mit Risiken zu planen und ein entsprechendes Risikomanagement zu entwickeln. Demgegenüber besteht bei „Unknown Unknowns“ Ungewissheit sowohl über die konkreten Erscheinungsformen als auch die jeweils situativen Bedingungen (Zeit, Ort, Umfang) ihres Auftretens. Risiken und das Risikomanagement lassen sich somit weitgehend dem klassischen Management mit Planung und Kontrolle zuordnen, wohingegen die „Unknown Unknowns“ die eigentliche Ungewissheit benennen und ein weitgehend „blinder Fleck“ im Projektmanagement sowie auch Management insgesamt sind” (Boehle et al 2018, in projektmanagementaktuell 1/2018).

Es wird in Zukunft immer entscheidender sein, wie Management mit beiden Dimensionen umgeht. Aktuell liegt der Fokus auf den “Known Unknowns”, für das eher klassisches Management und auf Technologien, wie z.B. auch Künstliche Intelligenz, angewendet wird – dabei werden die “Unknown Unknowns” häufig vernachlässigt. Gerade bei der Bewältigung von “Unknown Unknowns” kommt dem Menschen eine bedeutende Rolle zu, da der Mensch in der Lage ist diese Form der Ungewissheit zu bewältigen. Siehe dazu auch Über den Umgang mit Ungewissheit und Kompetenzmanagement.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen, Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in Agil (IHK), die wir an verschiedenen Standorten anbieten. Weitere Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Sollten wir zwischen Handlungs- und Ereigniskontingenz unterscheiden?

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Der Begriff “Kontingenz” kommt immer stärker in den Fokus, je deutlicher wir erkennen, dass unsere Lebenserfahrungen ungewiss und offen sind. Es kann also alles so kommen, oder ganz anders. Das macht es nicht einfacher, Entscheidungen zu fällen.

“Das zäumt die Sache sogleich pragmatisch auf, und mit Hermann Lübbe (1998:35) können wir dann ´kontingent´ Ereignisse oder Vorgänge nennen, ´sofern sie mit Handlungen handlungssinnunabhängig interferieren.´ Zwischen Unmöglichkeit und Notwendigkeit also liegt das Reich der Kontingenz. Mit Lübbes Bestimmung hat es allerdings eine Schwierigkeit, die ins Auge sticht, sobald man daran denkt, dass die Handlung selbst kontingent genannt werden kann, weil – insofern – sie selbst anders möglich ist/war. Kontingent ist dann alles, was dem Entscheidenden oder dem Handelnden anders möglich ist – vor dem Hintergrund dessen, was er (oder, aber das ist etwas anderes, ein Beobachter zweiter Ordnung) als notwendig oder unmöglich ansieht. Dann interferieren nicht externe Ereignisse handlungssinnunabhängig mit Handlungen, sondern Handlungen begründungssinnunabhängig mit ihren Begründungen. Zwingende Gründe, solche, die ein Handeln als notwendig begründen, gibt es nicht im Reich der Kontingenz. Diese Version der Kontingenz lässt sich in den Satz kleiden: Es könnte auch anders sein, und wir können anders. Lübbes Version lautet: Es könnte auch anders [17] sein, aber wir können es nicht ändern. Ich finde es zweckmäßig, jene Version Handlungskontingenz, die Version Lübbes aber Ereigniskontingenz zu nennen” (Ortmann 2009:17-18).

Ortmann weist darauf hin, dass Kontingenz einerseits immer in Bezug auf etwas gesehen werden musss – also in Bezug auf eine bestehende Ordnung. Andererseits gibt es kein Management ohne Kontingenz, wobei es sich um den Umgang mit Handlungskontingenz oder Ereigniskontingenz handeln kann (ebd. S. 23). Es sieht so aus, als ob die Unterscheidung für die praktische Anwendung von Management nützlich ist.

Gedanken zu einfachen Problemen und Standardisierungen

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In der heutigen Diskussion um das “Management” geht es oft um das “Management von Unsicherheit/Ungewissheit”. In Organisationen gibt es allerdings auch einfache Probleme, die tagtäglich zu lösen sind. Ein Ansatz dafür sind Standardisierungen mit entsprechenden Entscheidungsfindungen.

Bei einfachen Problemen mit standardisierten Lösungswegen sind Entscheidungsfindungen eher unkompliziert. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Standardisierungen an sich nicht gleichbedeutend sind mit perfekter Information und Rationalität. Standardisierungen reduzieren ohne Zweifel Komplexität und befähigen somit zu „eindeutigen“ Handlungen. Gerade durch diese Komplexitätsreduktion klammern Standardisierungen jedoch einen Teil der Umweltrealität aus, sie können daher nicht ohne weiteres den Anspruch erheben, umfassende und in diesem Sinne perfekt rationale Praxis zu erzeugen. Im Gegenteil existieren viele Standardisierungen, weil es eben keine „bessere“ Möglichkeit der Prozessierung von Problemen gibt (Neumer 2009:8, Fußnote 6).

Wenn es also schon bei einfachen Problemlösung (sps: simple problem solving) keine Eindeutigkeit gibt, wie sieht es dann erst aus, wenn es um komplexe Problemlösungen (cps: complex problem solving) geht? Wenn wir also Standardisierungen als eine “bessere” – und nicht als perfekte Möglichkeit – für einfache Problemlösungen anerkennen, so wird deutlich, dass es zwischen den beiden Polen (sps-cps) ein Kontinuum der Problemlösungsmöglichkeiten gibt, das unternehmensspezifisch anzupassen ist.

Erste Schritte in diese Richtung zeigen die vielen Hybrid-Ansätze auf, die sich im Management immer stärker als pragmatische Alternative etablieren. Solche Themen besprechen wir auch in dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Projektmanager/in Agil (IHK). Informationen dazu finden Sie auf unserer Lernplattform.

Über den Umgang mit Ungewissheit

Das Buch Böhle, F.; Busch, S. (Hrsg.) (2012): Management von Ungewissheit. Neue Ansätze jenseits von Kontrolle und Ohnmacht trifft meines Erachtens genau den aktuellen Stand der Diskussion. Durch die vielen Veränderungen in unserer Gesellschaft kommt die Ungewissheit zurück in alle Lebensbereiche. Der Umgang mit dieser Ungewissheit wird dabei zwischen den beiden Polen Kontrolle (Messbarkeit usw.) und Ohnmacht diskutiert. Doch es gibt noch einen weiteren, besseren Weg: Die Bewältigung von Ungewissheit durch Menschen (weniger durch Technologie). Ich beziehe mich hier gerne auf die Veröffentlichung von Fritz Böhle (und Sigrid Busch), da ich auch in meinem Buch auf den Umgang mit Ungewissheit/Unsicherheit hingewiesen habe. Siehe Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk und auch Veröffentlichungen.

Hardt, M.; Negri, A. (2010): Common Wealth. Das Ende des Eigentums

Nach der Finanzmarkt- und der sich daraus entwickelnden Wirtschaftskrise ist es mal wieder an der Zeit darüber nachzudenken, ob unser aktuelles Wirtschaften noch angemessen ist. In dem Buch Hardt, M.; Negri, A. (2010): Common Wealth. Das Ende des Eigentums beschreiben die Autoren einen Alternativentwurf, der zumindest zum Nachdenken anregt. Immerhin geht es um eine “menschlichere Alternative des Zusammenlebens”. Fragt man sich natürlich sofort, was für eine Art des Zusammenlebens zur Zeit wohl noch überwiegt? Die verschiedenen Krisen der Vergangenheit haben auch gezeigt, dass sich zunächst nicht sehr viel ändert, obwohl Politiker permanent davon reden. Dennoch kommt der Wissenschaft in gesellschaftlichen Transformationsprozessen (Refexive Modernisierung) alternative Deutungsmuster aufzuzeigen. Immerhin der erste Schritt bei Veränderungsprozessen… Siehe dazu auch Fritz Böhle: Der Mensch als geistiges und praktisches Wesen

Fritz Böhle: Der Mensch als geistiges und praktisches Wesen

Der Vortrag Böhle, F. (2006): Der Mensch als gesitiges und praktisches Wesen (Video, Ringvorlesung mit Folien) hat den Untertitel “Verborgene Seiten intelligenten Handelns”. Der Autor weist sehr überzeugend darauf hin, dass die klassischen Unterscheidungen Mensch vs. Natur, geistige Arbeit vs. körperliche Arbeit usw. obsolet geworden sind. Experten beispielsweise nutzen für die Problemlösung oftmals ihr “Gespür”, oder man sagt, sie haben einen “guten Riecher” für die Situation gehabt. Gerade in komplexen Problemlösungssituationen zeigen sich Grenzen der rationalen, scheinbar objektiven Analyse. Es kommt dann stattdessen auch auf die subjektiven Eigenschaften eines Menschen an. Dieses sowohl-als-auch mit ihren vielfältigen Rückkopplungen sind der Schlüssel zur Bewältigung von Unbestimmtheit/Unsicherheit. Es wird Zeit, dass das Menschenbild entsprechend erweitert wird. Siehe dazu auch Multiple Intelligenzen oder Multiple Kompetenzen.