Multiple Artificial Intelligences (MAI) statt Artificial General Intelligence (AGI)?

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In den Diskussionen um Künstliche Intelligenz (KI) – oder englischsprachig Artificial Intelligence (AI) – führt die Systembetrachtung zu einer Art Generellen Künstlichen Intelligenz – General Artificial Intelligence (GAI) oder auch Artificial General Intelligence (AGI). Darunter ist folgendes zu verstehen:

“A system believed to perform (solve) domain-general cognitive tasks (problems; what some may also call AGI). … [it seems to] leave little room for AI as a theoretical tool for cognitive science. The reason is that BigTech currently dominates the narrative, with a focus on technological progress and impressive machine learning applications” (van Rooij et al. 2024).

Es geht also bei AGI um eine von Technologie dominierte generelle kognitive Problemlöse-Fähigkeiten eines Systems. Diese Sichtweise liegt in der Tradition von Simon, Shaw und Newell. die 1957 die Software “General problem Solver” entwickelten (Quelle: Wikipedia).

Das erinnert insgesamt stark an die Diskussionen, bei denen es um Menschliche Intelligenz geht. Auch hier steht immer wieder die Frage im Raum, ob es sich bei der Menschlichen Intelligenz um eine Generelle Intelligenz handelt, die mit einem Intelligenz-Quotienten (IQ) bestimmt werden kann, oder ob es um Multiple Intelligenzen im Sinne von Howard Gardner oder auch Sternberg etc. geht. Dabei geht Howard Gardner bei Intelligenz bewusst von einem “biopsychologisches Potenzial ” aus, was Künstliche Intelligenz wiederum aus seiner Sicht ein Kategorienfehler zu sein scheint.

Wenn wir also den Trend von einer Generellen Menschlichen Intelligenz zu eher Multiplen Intelligenzen unterstellen, sollten wir dann nicht statt Artificial General Intelligence eher von Multiple Artificial Intelligence (MAI) ausgehen?

Wenn Sie diesen Begriff in Google eingeben, werden Sie einige Treffer erhalten. Dabei geht es allerdings hauptsächlich um eine Art Vielfalt der verschiedenen AI-Anwendungen. Ich meine mit dem Begriff Multiple Artificial Intelligences ein hybrides Intelligenz-Konstrukt, das die Menschliche und Künstliche Intelligenz kontextbezogen für komplexe Problemlösungen in einem bestimmten kulturellen Umfeld beschreiben kann..

Intelligentes Wissen – was ist darunter zu verstehen?

Wie schon mehrfach in unseren Blogbeiträgen erwähnt, spielt der Umgang mit “Wissen” in der heutigen Arbeitswelt eine immer wichtigere Rolle (Wissensmanagement). Dabei wird Wissen oft in verschiedene Dimensionen unterteilt: Implizites/Explizites Wissen, Träges Wissen, Organisationales Wissen, Prozedurales Wissen usw. Interessant ist der Hinweis auf ein intelligentes Wissen.

Intelligentes Wissen bezeichnet ein Wissen, das abrufbar, vielfältig anwendbar und vielfach vernetzt ist. [Anmerkung]: Das Interesse von Unternehmen ist oft darauf gerichtet, implizites und träges Wissen der Mitarbeiter in explizites und unterschiedlichen Nutzern zur Verfügung stehendes intelligentes Wissen zu überführen (´Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß.´)” (Kirchhöfer 2004:60).

Interessant ist hier die Verbindung von den beiden Konstrukten “Intelligenz” und “Wissen”. Dabei ist allerdings nicht erläutert, was unter “Intelligenz” zu verstehen ist. Immerhin gibt es neben dem klassischen IQ noch weitere Ansätze, wie z.B. der von Sternberg oder auch von Howard Gardner (Multiple Intelligenzen). Oder ist eher der heute so wichtige Begriff einer “Künstlichen Intelligenz” gemeint? Ich würde mir wünschen, wenn alle die den Begriff “Intelligenz” oder auch “Smart” verwenden erläutern, was sie darunter verstehen.

Anmerkungen zu “Die Intelligente Kulturorganisation”

Der Umgang mit Wissen ist in jeder Branche, ja in jeder Organisation, etwas anders. Es ist daher gut, wenn sich ein Forschungsprojekt beispielsweise mit der Theaterbranche beschäftigt. In Heidelberger, E. (2022): Die Intelligente Kulturorganisation. Management von Informations- und Wissensnetzwerken im Theaterbetrieb werden u.a. die Grundlagen für die vielfältige Betrachtungsweisen auf das Konstrukt “Wissen” ausführlich zusammengefasst, und später auf die Theaterbranche (ich schreibe absichtlich nicht Theaterbetrieb) übertragen. Dabei werden hilfreiche Impulse abgeleitet

In dem theoretischen Bezugsrahmen (ebd. S. 37ff.) wird nach der Klärung der Begriffe Information und Wissen direkt auf die im Titel der Veröffentlichung erwähnte “Intelligente Organisation” eingegangen. Ich möchte mich mit meinen späteren Anmerkungen auf diesen Teil der Veröffentlichung konzentrieren. Zunächst wird die menschliche und anschließend noch die Organisationale Intelligenz thematisiert.

“Unter dem Begriff der menschlichen Intelligenz versteht man alle kognitiven Fähigkeiten des Menschen (vgl. Lehner 2019: 169). Auch hier gilt aber: »Je flexibler das menschliche Gehirn auf neue Anforderungen reagieren kann und je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass neues Wissen mit alten Wissensbeständen verknüpft werden kann, umso höher ist die Intelligenz einer Person anzusetzen […].« (Haun 2002: 71).” zitiert ebd. S. 60, Fußnote)

Bei der Organisationalen Intelligenz ist es etwas komplexer, da dieser Begriff mit der Systemtheorie, der Netzwerktheorie, und dem organisationalen Lernen verknüpft wird. Daraus ergeben sich laut dieser Studie folgende vier Eigenschaften der Intelligenten Organisation (ebd. S. 63)::

Intelligente Organisationen haben eine sehr hohe Reaktionsfähigkeit.

Intelligente Organisationen verfügen über große Reflexionsfähigkeit, Problemlösefähigkeit und Lernfähigkeit.

Intelligente Organisationen haben ein Erinnerungsvermögen.

Intelligente Organisationen verfügen über eine hohe soziale Kompetenz.

Nun meine Anmerkungen dazu: Es wird leider kaum thematisiert, dass es durchaus auch andere Beschreibungen des Konstrukts “Menschliche Intelligenz” gibt, beispielsweise von Sternberg, Gardner, Salovay/Meyer etc), die als Erweiterungen zur üblichen Beschreibung von Intelligenz angesehen werden können.

Weiterhin kommt der Begriff´ “Künstliche Intelligenz” oder auch “Artificial Intelligence” recht kurz vor (Matsuda 1988), obwohl dieser Bereich in der Zwischenzeit sehr dominant diskutiert wird.

Darüber hinaus kommt der Begriff “Kompetenz” vor, ohne dass klar ist, was darunter in Bezug zu “Intelligenz” zu verstehen ist (Siehe dazu auch Kompetenz und Intelligent – eine Gegenüberstellung). Gerade das Konstrukt “Kompetenz” hat hier eine pädagogische (Bottom UP) und eine betriebswirtschaftliche Ebene,(Top Down) die über alle Ebenen (Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk) gestaltet werden sollten.

Jetzt stellen Sie sich als Leser bestimmt die Frage, ob ich nur kritisieren kann, oder ob ich auch Vorschläge habe, wie mit diesen Themen umgegangen werden sollte. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die vielen Blogbeiträge, und beispielhaft auf folgende Veröffentlichungen. hinweisen:

Freund, R. (2016): Cognitive Computing and Managing Complexity in Open Innovation Model. Bellemare, J., Carrier, S., Piller, F. T. (Eds.): Managing Complexity. Proceedings of the 8th World Conference on Mass Customization, Personalization, and Co-Creation (MCPC 2015), Montreal, Canada, October 20th-22th, 2015, pp. 249-262 | Springer (Special Keynote)

Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk hinweisen.

Intelligenztheorie: Anmerkungen zu Sternbergs Triarchischen Theorie und Gardners Multiple Intelligenzen Theorie

In meiner Veröffentlichung Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk habe ich dazu auf Seite 8 folgendes geschrieben:

Die Triarchische Theorie (vgl. Sternberg 1985a/1985b) und die Multiple Intelligenzen Theorie (vgl. Gardner 1983/1993) scheinen geeignet zu sein, wenn es um eine notwendige Erweiterung des Intelligenzbegriffs geht (vgl. Siebert/Seidel 2000:48), da beide Theorien als Systemmodelle bezeichnet werden können, die „auch externe Aspekte des Erlebens und Denkens [mit einbeziehen, und] (…) Intelligenz als komplexes System betrachten“ (Schulze et al. 2006:15). Die Berücksichtigung von Intelligenz als komplexes System wird diesen Theorien von den eher an der psychometrischen Tradition des Intelligenzkonstrukts orientierten Forschern jedoch zum Vorwurf gemacht, da es Aufgabe der Wissenschaft sei „komplexe Konzepte auf einfache, elementarere zu reduzieren“ (Eysenck 2004:114). Aus der Perspektive eines offeneren Wissenschaftsverständnisses ist es allerdings eher eine Stärke von Intelligenztheorien, wenn diese Intelligenz als komplexes Konstrukt ansehen. Die Triarchische Theorie (vgl. Sternberg 1984/1985) und die Multiple Intelligenzen Theorie (vgl. Gardner 1983/1993) sind auch dazu geeignet, Brücken zwischen den verschiedenen Ansätzen der Intelligenzforschung zu schlagen, und dem arbeitsweltbezogenen Handeln mit seiner Kontextabhängigkeit und Komplexität gerecht zu werden (vgl. Jez 2005:54). Beide Theorien integrieren damit bisher disparate Forschungsergebnisse und Theorien, wodurch sich ein neuer Rahmen für ein besseres Verständnis von menschlicher Intelligenz und Kompetenz ergeben kann (vgl. Kail/Pellegrino 1988:166).

Die Messbarmachung der Intelligenz: Ein Phänomen der Industrialisierung?

Der Intelligenz-Begriff wird in der Kommunikation von Unternehmen mit allen möglichen und unmöglichen Dingen in Bezug gebracht: Intelligente Häuser, intelligente Autos, intelligente XY, bis hin zu einer Künstlichen Intelligenz. Andererseits gibt es bei der eher menschlichen Intelligenz Differenzierungen wie Emotionale Intelligenz, Soziale Intelligenz usw. Es scheint, als ob der Intelligenz-Begriff einer gewissen Beliebigkeit unterworfen wird. Die Geschichte zeigt, dass es ursprünglich um die Messbarkeit von Intelligenz im Rahmen eines Intelligenz-Quotienten ging. Es war Anfang des 20. Jahrhunderts nicht unüblich im Rahmen der Industrialisierung alles messbar zu machen.

Durch Berechnungsverfahren, die von dem deutschen Psychologen William Stern bereits 1911 in den Grundzügen entwickelt und von den in den USA tätigen Psychologen David Wechsler vervollständigt wurden, erfolgte dann eine weitgehende Entkopplung von der sozialen Vergleichsgruppe. Spätestens mit den Arbeiten von Wechsler erhielt der IQ den universellen Anspruch, die Intelligenz eines Menschen umfassend zu beschreiben. Menschen unterschiedlichster Herkunft, verschiedenen Alters sowie unterschiedlichster sozialer Erfahrungen und Qualifikation werden damit vergleichbar. Dieser Anschein von Präzision und Allgemeingültigkeit trägt nach Auffassung von Robert J. Sternberg unter anderem dazu bei, den Stellenwert der Tests immer wieder zu bestätigen. Auch rein ökonomische Argumente spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Schließlich sollen sich die Intelligenztests speziell bei der Personalauswahl so gut wie kein anderes Auswahlinstrument dafür eignen, erfolgsversprechende von weniger erfolgsversprechenden Bewerbern zu trennen (Abicht 2010:145).

Die Entgrenzung des Intelligenz-Konstrukts führt seit einigen Jahrzehnten zu vielfältigen Diskussionen im wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und privaten Umfeld. Denn: Wer möchte schon als nicht-intelligent, oder gar dumm erscheinen?

Intelligenztest wurde vor 110 Jahren vorgestellt

miappIntelligenz, und damit verbunden der Intelligenz-Quotient IQ, durchdringt alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Kaum jemand weiß allerdings, wie alles begann. Der WDR hat vor 10 Jahren, also zum 100. Jahrestag, einen Beitrag dazu veröffentlicht: 28. April 2005 – Vor 100 Jahren: Erster Intelligenztest. Darin ist erwähnt, dass schon Binet darauf hingeweisen hat, den Test nicht zu überschätzen:

Binet warnt davor, den Test zu überschätzen: Die Skala erlaubt keine Messung der Intelligenz, da intellektuelle Fähigkeiten nicht addiert und somit nicht wie lineare Oberflächen gemessen werden können. Doch Binets Warnung verhallt ungehört. Am Ende von Intelligenztests steht schon bald als Ergebnis eine Zahl – der so genannte Intelligenzquotient, kurz IQ.

Die Bestimmung des IQ wurde in den letzten 110 Jahren perfektioniert. Im Sinne der Industrialisierung, ist das durchaus passend, da in einer industriell geprägten (konditionierten?) Gesellschaft versucht wird, alles messbar zu machen. In den letzten Jahrzehnten gibt es allerdings auch immer wieder Kritik an dem Konstrukt Intelligenz-Quotient (Sternberg, Gardner, usw.), die allerdings von den etablierten Forschern und Nutzern teilweise recht harsch zurückgewiesen wird. Das ist auch nicht verwunderlich, da eine offenere Interpretation des Intelligenzbegriffes viele Forschungseinrichtungen und Beratungsunternehmen infrage stellen würde… Mal sehen, wie sich alles in den nächsten Jahren entwickelt. Siehe dazu z.B. EU-Projekt MIapp, EU-Projekt InPath und  Multiple Intelligenzen.

SWR 2 berichtet über Intelligenz, IQ und Intelligenzen

iq-swr2Der Intelligenzbegriff ist sehr schillernd und wird nicht nur heute sehr kontrovers diskutiert. Ob in der Schule, im Beruf oder als private Person kommt man um den Begriff nicht herum. So ist es nicht verwunderlich, dass sich auch Fernsehsender wie der Bayerische Rundfunk oder – wie jetzt – der SWR 2 mit dem Konstrukt befassen. In der Einleitung zur Sendung Der vermessene Mensch ist folgendes zu lesen: ”

Wie sinnvoll sind Intelligenztests?

Der IQ, der “berühmt-berüchtigte” Intelligenzquotient, soll die Problemlösefähigkeit eines Menschen auf einen objektiven Punktwert bringen. Er macht das Testergebnis einer Person mit dem anderer Personen statistisch vergleichbar. Hat damit jeder Mensch einen eigenen, festen Intelligenz-Quotienten? Und ist das Messen kognitiver Leistungen dem menschlichen Geist wirklich angemessen?

Im Text wird neben dem IQ auch darauf hingewiesen, dass es durchaus auch alternive Deutungsmuster zum Intelligenzbegriff gibt, beispielsweise die von Howard Gardner vorgeschlagene Theorie (das vorgeschlagene) Modell der Multiplen Intelligenzen. Es freut mich, dass der Intelligenz-Quotient (IQ) auch kritisch hinterfagt wird, denn es kommt auch in der Intelligenzforschung zu einer Entgrenzung des Phänomens (Sternberg, Salovay und Mayer, Goleman usw.). Neben dem angesprochenen Text gibt es sogar auch eine Audiodatei als Download (25 MB). Siehe dazu auch

Intelligenz-Quotient (IQ) reicht im modernen Berufsleben und im Bildungsbereich nicht aus

Es ist schon erstaunlich, dass die Tageszeitung Die Welt am 11.02.2011 auf der Titelseite mit der Überschrift IQ ist nicht alles aufmacht. Der Untertitel “Wer im Berufsleben ganz nach oben will, benötigt vor allem Kreativität” deutet darauf hin, dass der Intelligenz-Quotient (IQ) wohl alleine nicht für das moderne Berufsleben ausreicht. Dabei bezieht sich der Artikel auf aktuelle Erkenntnisse von Robert Sternberg, der wie folgt zitiert wird: “Je besser die Ergebnisse der Probanden beim IQ-Test waren, umso schlechter schnitten sie bei den praxisrelevanten Tests ab – und umgekehrt.”

Moderne berufliche Tätigkeiten zeichnen sich durch vielfältige Interaktionen aus und stellen somit hohe Anforderungen an komplexe Problemlösungen (Das Ganze der Arbeit). Problemlösen unter Unsicherheit kann als Lernen bezeichnet werden, das die ganze Person fordert. Der Mensch, und weniger die mathematischen Modelle, ist in der Lage, mit der daraus entstehenden Unsicherheit umzugehgen – sie zu bewältigen. Diese Hinweise zeigen, dass der klassische Intelligenzansatz erweitert (und nicht ersetzt!) werden sollte. Die Triarchische Theorie von Sternberg und die Multiple Intelligenzen Theorie von Gardner werden den Anforderungen in Arbeitsprozessen gerecht und haben somit eine bessere Passung. Nur darum sollte es in der Intelligenzdebatte gehen, weniger um die Frage IQ oder andere Intelligenzkonstrukte. Ein sowohl-als-auch bringt die Diskussion weiter und deutet darauf hin, dass Entscheidungen, die auf IQ-Tests basieren, zu hinterfragen sind (Beruf und Schule).  Doch: Welche Erhebungsinstrumente sind angemessen?