Es ist schon eine Binsenweisheit, dass Unternehmen vom Social Media Tools profitieren können. Traditionelle Unternehmen sehen darin hauptsächlich Kostenvorteile, doch das ist bei weitem nicht alles. Unternehmen, die schon etwas weiter sind haben verstanden, dass man seinen Innovationsprozess damit öffnen kann, um neue Dienstleistungen und Produkte zu entwickeln (Open Innovation). Letztendlich aber, gehen die Vorteile von Social Media noch weiter: Durch die stärkere soziale Interaktion der verschiedenen Beteiligten in Netzwerken, können Potenziale erschlossen werden, die nicht so einfach planbar sind. Was heisst das? In der McKinsey-Studie Transforming the business through social tools (Januar 2015) wird deutlich, dass es bei intensiven sozialen Interaktionen zu überraschenden (positiven) Effekten kommt, die vorher so nicht gesehen wurden. Gerade diese aus den Interaktionen selbst entstehenden Effekte sind es, die besondere Innovationen hervorbringen. Spannend ist dabei, dass in dem McKinsey-Artikel sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zu dem Themebereich nicht erwähnt werden. Immerhin sind lose Kopplungen (Granovetter: Weak Ties) Bestandteil solcher Interaktionen, die dann auch noch eingebettet sind (Embeddedness). Eine so verstandene moderne neue Wirtschaftssoziologie kann viele Anregungen für das Management geben (z.B.: Embedded Open Innovation). Doch wer will das schon? Siehe dazu auch Wirtschaft und Soziologie: Passt das zusammen?
Wirtschaft und Soziologie: Passt das zusammen?
Wie Sie als Leser unseres Blog wissen, interessiert mich die Frage, wie wirtschaftliche als auch soziologische Aspekte in Organisationen berücksichtigt werden können. Siehe dazu beispielsweise den Beitrag Wirtschaftssoziologie: Wirtschaftliches Handeln als soziales Handeln verstehen. Bei der Beantwortung der daraus resultierenden Fragen, spielt die neue Wirtschaftssoziologie eine wichtige Rolle. Der Artikel Bögenhold, D. (2013): Soziologie und Ökonomik: Betrachtungen über Konvergenzen und Divergenzen stellt die aktuelle Diskussion dar und sieht durchaus auch Konvergenzen.
(Wirtschafts-)Soziologie sollte empirisch und strategisch weitere Forschungsthemenfelder für sich reklamieren und bearbeiten, an denen der Link zwischen Ökonomik und Fragen von sozialer Organisation von Relevanz erscheint. Die skizzierten Entwicklungen zwischen der Ökonomik und der Soziologie sowie die beobachteten weiteren Veränderungen in den einzelnen Fächern selber indizieren auch soziologische Opportunities, die als solche erkannt werden müssen, um sie dann aktiv intellektuell zu verwerten. Aus den geschilderten Konvergenzen resultieren eine Reihe von Chancen, die Herausforderungen für die Sozialökonomik darstellen. Die Liste interessanter Themen ist definitiv lang und potentiell unbeschränkt.
Internet Tsunamis aus verschiedenen Perspektiven analysiert
Die Seite Internet Tsunamis enthält Informationen zu einem Forschungsprojekt, das sich von 2011-2012 mit ” (…) der Betrachtung und Analyse von Kommunikationsphänomenen politischer Massen im Internet, die xaidialoge als Internet-Tsunamis bezeichnet, [befasst hat]. Aufgrund der Komplexität der Phänomene, wurden diese aus Perspektive verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen untersucht: Kulturwissenschaft, Politikwissenschaft, Soziologie und Informationstechnologie.” Die Studie kann auf der Website nachgelesen, oder als PDF-Datei heruntergeladen werden. Es zeigt sich hier deutlich, dass komplexe Forschungsobjekte-/fragen heute nur noch mit Hilfe interdisziplinärer Ansätze erfasst und einigermaßen erläutert werden können. Es freut mich besonders, dass gerade auch Kulturwissenschaften und Soziologie herangezogen wurden (Luhmann). Wir sollten daher nicht nur immer floskelhaft von den Sozialen Medien sprechen sondern hinterfragen, welche sozialen Auswirkungen (positive und negative) die neuen Möglichkeiten mit sich bringen. Den Hinweis zur Website Internet Tsunamis habe ich in dem immer wieder lesenswerten Newsletter von Prof. Dr. Voß gefunden – Danke. Siehe dazu auch Die neue Wirtschaftssoziologie.
Wirtschaftssoziologie: Wirtschaftliches Handeln als soziales Handeln verstehen
Der Deutungsanspruch der ökonomischen Theorien wurde bisher in Deutschland größtenteils als gegeben hingenommen. Es bewegt sich allerdings etwas: „A number of authors have recently argued that the neoclassic paradigm – involving its core concepts of rationality and equilibrium – is no longer dominant within mainstream economics, and it has been replaced by a variety of different approaches” (Hodgson 2007: 11, zitiert in Beckert/Deutschmann 2010:10). Nur war bisher nicht ganz klar, was unter der neuen Wirtschftssoziologie zu verstehen ist. Beckert/Deutschmann (2010:11) formulieren es so: “Wirtschaftliches Handeln als soziales Handeln und nicht länger nur als sozial ´kontextualisiertes´ Handeln zu begreifen, ist der Kern des Programms der sogenannten ´neuen´ Wirtschaftssoziologie (Beckert, Fligstein, Granovetter, Swedberg, White u. a.).” Soziales Handeln mit seiner komplexen Interaktion (Kontingenz – Doppelte Kontingenz) zu verstehen und zu nutzen, wird somit zu einer wichtigen Aufgabe in Unternehmen. Allerings sind die vielen Manager darauf (noch) nicht vorbereitet …
Quellen:
Beckert, J.; Deutschmann, C. (2010): Neue Herausforderungen der Wirtschaftssoziologie. In: Beckert, J.; Deutschmann, C. (Hrsg.) (2010): Wirtschaftssoziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 7-21.
Hodgson, G. M. (2007): Evolutionary and institutional economics as the new mainstream? Evolutionary and Institutional Economics Review 4: 7-25.
Pfeiffer, S.; Schütt, P.; Wühr, D. (2011): Innovationsarbeit unter Druck braucht agile Forschungsmethoden
Der Beitrag Pfeiffer, S.; Schütt, P.; Wühr, D. (2011): Innovationsarbeit unter Druck braucht agile Forschungsmethoden. „Smarte Innovationsverlaufsanalyse“ als praxisnaher und partizipativer Ansatz explorativer Forschung (Arbeits- und Industriesoziologische Studien, Jg. 4, Heft 1, Februar 2011, S. 19-32) zeigt wieder einmal auf, wie Innovationsarbeit oder auch Innovationsprozesse von einer eher soziologischen Herangehensweise profitieren können: “Die zukünftigen Herausforderungen für Innovationsarbeit – ob Wettbewerbsdruck oder Komplexitätszuwachs, ob Fachkräftemangel oder neue Ansätze wie Open Innovation – werden nicht anders als mit mündigen Beschäftigten und echter Partizipation zu bewältigen sein. Beteiligungsorientierte Ansätze wissen dies längst, die Unternehmenskulturen der meisten Unternehmen müssen es erst noch lernen. Die Methoden der Arbeits- und Industriesoziologie eignen sich dafür in besonderem Maße (…)” (Seite 30). Dem ist nichts hinzuzufügen. Siehe dazu auch Innovationsarbeit 2.0. Was soll das denn sein?
Kommt es zu einer Entgrenzung wirtschaftswissenschaftlicher Theorien?
DIE ZEIT hat in der Ausgabe vom 12.05.2010 unter dem Titel “Gier frisst Verantwortung” (Uwe Jean Heuser, S. 53) zwei wichtige Bücher zur aktuellen Krise vorgestellt. Es handelt sich um Stiglitz, J. E. (2010): Im freien Fall und um Roubini/Mihm (2010): Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft. Die große Bekanntheit der Autoren lässt auf neue Erkenntnisse hoffen. Der ZEIT-Artikel stellt beide Bücher sehr gut gegenüber. Interessanterweise findet sich auf der genannten Seite auch ein Hinweis auf Schmidt, S. (2010): Markt ohne Moral. Gerade in Zeiten des Booms hat man im Finanzsystem keine Moral gekannt. Jetzt, da viele Wetten geplatzt sind, wird wieder von Moral gesprochen. Wer weiß wie lange noch. Die Krise an den Finanzmärkten hat gezeigt, dass die allseits beliebten Pole (Markt-Staat, Gewinn-Moral, Arbeit-Freizeit, usw.) nicht mehr gelten. Es kommt zu einer Entgrenzung der jeweiligen Positionen (Dichotomien) und somit eher zu vielfältigen Optionen in einer globalisierten Welt. China z.B. zeigt, dass man in einem “politisch-totalitären” System, marktwirtschaftliche Strukturen ermöglichen kann. In Europa und in den USA reden sogar Politiker, die eher “rechts” stehen, von staatlichen Eingriffen in das ach so hoch gelobte marktwirtschaftliche System. Die Theorie der reflexiven Modernisierung kann Hinweise darauf geben, wie diese Entwicklungen zu erklären sind. Interessanterweise kommen die guten Ansätze weniger aus den Wirtschaftswissenschaften, sondern eher aus der Soziologie. Viele Soziologen finden allerdings nach ihrem Studium kaum eine Anstellung (im Gegensatz zu BWLer…). Es wäre gut, wenn Politiker/Banker usw. einmal mit Geisteswissenschaftlern reden würden. Es ist kein Wunder, dass die Wirtschaftssoziologie in den letzten Jahren immer stärker beachtet wird (Smelser, Swedberg,…).
Kurtz, T.; Pfadenhauer, M. (Hrsg) (2010): Soziologie der Kompetenz
Das Buch Kurtz, T.; Pfadenhauer, M. (Hrsg.) (2010): Soziologie der Kompetenz greift einen interessanten Aspekt der Kompetenzdebatte auf, eben die Rolle des Kompetenzkonstrukts in der Soziologie. Auf der Website des Verlags für Sozialwissenschaften heisst es dazu: “Kompetenz ist als eigenständiges Thema in der Soziologie bisher nicht, jedenfalls nicht auffällig, in Erscheinung getreten. Wer im Rahmen der Sozialwissenschaften von Kompetenzforschung spricht, denkt vor allem an Disziplinen wie Psychologie und Pädagogik. Insbesondere in der Empirischen Bildungsforschung wird der Kompetenzbegriff seit einigen Jahren in das Zentrum vieler Untersuchungen gestellt. Ein Grund dafür, dass ‚Kompetenz’ bislang kaum in den Fokus von Soziologen geraten ist, dürfte darin bestehen, dass der Begriff in der Regel ausschließlich personengebunden und häufig kognitiv reduziert angewandt wird, während er in der Soziologie zumeist lediglich metaphorisch verwendet und mitunter gar gesamt- und teilgesellschaftlichen Institutionen und Organisationen zugeschrieben wird. Der Band versammelt theoretische und empirische Herangehensweisen an Kompetenz aus soziologischer Sicht. Die Beiträge klären dabei auch die Frage nach dem Sinn und Nutzen des Kompetenzbegriffs als soziologische Kategorie, um dergestalt den Boden zu bereiten für eine dezidiert soziologische Kompetenzforschung”. Dewe weist in seinem Beitrag auf Seite 116 z.B. auf folgenden wichtigen Punkt hin: “Kontextunspezifische bzw. sozialkontextfreie Kompetenzen kann es im Rahmen eines sozialwissenschaftlichen Verständnisses nicht geben. Wissen und der Kontext der Anwendung von Wissen sind nicht zu trennen. Es handelt sich vielmehr um emergente Prozesse, welche nicht nach einer seite hin zu bestimmen bzw. aufzulösen sind.” In meinem Promotionsvorhaben (Promotionsskizze) weise ich auf die Kontextabhängigkeit des Kompetenzkonstrukts hin und entwickle mit Hilfe des Konzepts der Multiplen Kompetenz einen ebenenübergreifenden Ansatz (Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk). Siehe dazu auch Kernkompetenzen als Emergenzphänomene.
Industrie- und Techniksoziologie: Forschungsprojekt Konsumentenarbeit
Die Professur für Industrie- und Techniksoziologie (Prof. Dr. Günter Voß) an der Technischen Universität Chemnitz befasst sich u.a in einem neuen Forschungsprojekt mit der Konsumentenarbeit: Zur Einbindung der Arbeitskraft in den betrieblichen Produktionsprozess. Das von der DFG geförderte Projekt läuft von November 2009 bis Oktober 2011: “Neben den für das Vorhaben zentralen empirischen Befunden ist als theoretischer Ertrag angestrebt, zu untersuchen, welche Konsequenzen die verstärkte betriebliche Nutzung privater ´Konsumentenarbeit´ für das arbeitssoziologische Verständnis von ´Betrieb´ sowie von ´Arbeit´ und ´Arbeitskraft´ hat.” Dieser Ansatz geht in Richtung Open Innovation (Chesbrough 2003) oder auch Interaktive Wertschöpfung (Reichwald/Piller 2009). Bin gespannt auf die Ergebnisse, denn die ganzen Begriffe wie Swam Intelligence, Crowdsourcing usw. können aus meiner Sicht durchaus von der Soziologie lernen. Siehe dazu auch Open Innovation, Crowdsourcing, Schwarmintelligenz – oder einfach nur Soziologie?
Schimank, U.; Schöneck, N. M. (Hrsg.): Gesellschaft begreifen. Einladung zur Soziologie
Das Buch Schimank, U.; Schöneck, N. M. (Hrsg.): Gesellschaft begreifen. Einladung zur Soziologie enthält verschiedenen Beiträge von führenden Soziologen die zeigen, wie vielschichtig und aktuell Soziologie ist: “Wissenschaft und Gesellschaft scheinen manchmal meilenweit voneinander entfernt. Doch gibt es einen Ort, an dem sie zusammentreffen: die Soziologie. Aber wie kann diese Wissenschaft helfen, unsere Gesellschaft zu erklären? Und welche Gründe gibt es, sich für ein Studium der Soziologie zu entscheiden?”. Über das Buch hinaus gibt es auch eine Videoclip-Serie “Soziologie im Gespräch”, die kostenlos angesehen und heruntergeladen werden können. Eine prima Idee. Siehe dazu auch Soziologie, die Finanzmarktkrise und das Wissensparadoxon, Open Innovation, Crowd Sourcing, Swarm Intelligence usw. oder einfach nur Soziologie?
Soziologie, die Finanzmarktkrise und das Wissensparadoxon
Wenn man sich den Pressespiegel zum 34. DGS-Kongress ansieht, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Soziologie durch die Finanzmarktkrise wieder stärker in den Mittelpunkt rückt. Gerade der Spiegel-Artikel (auf Seite 39 des Pressespiegels) enthält beispielsweise den Hinweis, dass man den Ökonomen zu lange die Deutungshoheit überlassen habe. Es wird spannend sein zu beobachten, inwiefern sich die Perspektive der Soziologen durchsetzen kann. Immerhin liest man im Themenpapier zur Konferenz folgendes: ” (…) Paradoxon der Moderne: das Wissensparadoxon. Mit dem Zuwachs an (wissenschaftlichem) Wissen schärft sich zwangsläufig zugleich auch das Wissen über unser Nicht-Wissen, und damit unser Bewusstsein von der Kontingenz des Sozialen.” Die Soziologie kann wichtige Beiträge zur Transformation zur Wissensgesellschaft liefern. Siehe dazu auch Open Innovation, Crowdsourcing, Swarm Intelligence usw. oder einfach nur Soziologie.