Mitchell, S. (2008): Komplexitäten. Warum wir erst anfangen, die Welt zu verstehen

mitchell.jpgDas Buch Mitchell, S. (2008): Komplexitäten. Warum wir erst anfangen, die Welt zu verstehen beschreibt sehr schön, welche Themen in der Diskussion um Komplexität aktuell sind. Dabei vertritt sie folgende These (S. 22): “Komplexität, ob in der Biologie oder anderswo, liegt nicht außerhalb unserer Verständnisfähigkeit, sondern sie erfordert eine neue Art von Verständnis. Dieses setzt voraus, daß man genauer analysiert, in welch vielfältiger Form der Kontext die Naturphänomene mitgestaltet.” Es freut mich dabei natürlich, dass Sandra Mitchell ausdrücklich auf die wichtige Rolle von Kontext eingeht. Wie Sie als Leser meines Blogs wissen, weise ich darauf auch immer wieder im Rahmen der Kompetenzdebatte hin (Promotionsskizze). Nicht zuletzt zeigt die Autorin auch, dass komplexe Systeme und deren emergente Eigenschaften mit Hilfe von Selbstorganisation und Rückkopplungsschleifen erklärbar sind (S. 53). Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen. Siehe dazu auch die Rezension von Andreas Franke vom 19.06.2008.

Bergmann, G.; Daub, J. (2006): Relationales Innovationsmanagement

bergmann.jpgIn dem Beitrag Bergmann/Daub (2006): Relationales Innovationsmanagement – oder: Innovationen entwickeln heißt Lernen verstehen (Publiziert in: Heft 2/ 2006 der ZfM, S. 112-167) beschreiben die Autoren einen etwas anderen Zugang zum aktuellen Thema Innovationsmanagement. Auf Seite 2 heißt es: “Der Aufsatz rückt die eigentlichen Produktionsbedingungen von Innovationen, die Wahrnehmungsmuster und Handlungsstrukturen der Organisationen in den Mittelpunkt. Es wird gezeigt, dass mit systemtheoretischen Analysen ein neues Verständnis der Entwicklungsbedingungen von Innovationen möglich ist. Die Theorie der Selbstorganisation ermöglicht dabei Einblicke in die emergenten Wege der Komplexitätsbewältigung. Die Kognitionswissenschaften und der Konstruktivismus geben Hinweise auf die sehr unterschiedliche Wahrnehmungs-, Entscheidungs- und Kommunikationsformen.” Es ist interessant zu beobachten, wie sich die Innovations-, Wissens- und Kompetenzdebatte annähern. Das stellte ja auch Rauner (2004) fest und schlug vor, von dem Konzept der Multiplen Kompetenzen zu sprechen, wobei er ausdrücklich auf die Erkenntnisse der Intelligenzdebatte (Multiple Intelligenzen Theorie) verwies.

Wie hängen Komplexität und Selbstorganisation zusammen?

In der aktuellen Kompetenzdebatte fallen immer wieder die Begriffe “Komplexität” und “Selbstorganisation”. Natürlich gibt es viele Fachbücher und wissenschaftliche Paper zu dem Thema, dennoch ist es schwierig einen Beitrag zu finden, der fachlich fundiert und dennoch gut zu verstehen ist. Sylvia Bendel ist das (aus meiner Sicht) gelungen: Bendel, S. (2006): Grenzen der Steuerung: Umgang mit Komplexität und Selbstorganisation (Konferenz der Fachhochschulen: Kommunikation von Fachhochschulen).

Am Beispiel einer Fachhochschule beschreibt Sylvia Bendel ganz konkret die Zusammenhänge und gibt Hinweise darauf, was sich in einer Organisation ändern sollte. Aus dem Schlusswort auf Seite 8: “Fachhochschulen sind komplexe soziale Systeme, die von niemandem zu 100% überblickt und gesteuert werden können. Das Phänomen der Selbstorganisation sorgt dafür, dass das System stabil und anpassungsfähig zugleich bleibt. Selbstorganisation lebt von dezentral getroffenen Entscheidungen autonom handelnder Akteure. Im Falle von Fachhochschulen sind die Akteure alles überdurchschnittlich qualifizierte Mitarbeitende, denen man das Vertrauen zukommen lassen darf, dass sie dazu fähig und motiviert sind, anspruchsvolle Aufgaben in einem komplexen Umfeld selbständig wahrzunehmen.” Ich möchte hinzufügen: Das ist nicht nur bei Fachhochschulen so ……

Web 2.0: Selbstorganisation und kollektive Intelligenz – wie ist das zu verstehen?

robertfreund-sciencegarden-web-2.0.jpgDer Artikel Web 2.0 – Social Software in der zweiten Generation (sciencegarden Februar/März 2007) geht sehr schön auf die aktuelle Diskussion ein und stellt klar, dass die neue Generation der Social Software Möglichkeiten birgt, die manchen Leuten wohl nicht bewusst sind. Ganz besonders möchte ich auf folgende Passage aufmerksam machen: “Selbstorganisation als Prinzip. Maßgeblich für den Einsatz der neuen Social Software-Anwendungen sind die Prinzipien der redaktionellen Selbstorganisation („Graswurzelredaktion“) und der kollektiven Intelligenz.” Die Leser meines Blog wissen, dass ich gerade auf diese Punkte immer wieder hinweise. Dennoch: Auch wenn hier die gleichen Begriffe verwendet werden kann es sein, dass andere Dinge damit gemeint sind. Deshalb hier noch einmal meine Position: Unter Selbstorganisation verstehe ich die Selbstorganisationsdisposition im Sinne der Kompetenzdefinition von Erpenbeck/Heyse (QUEM-Projekt). Weiterhin verstehe ich den Begriff “Kollektive Intelligenz” nicht im Sinne des klassischen IQ, sondern im Sinne der Multiplen Intelligenzen. Siehe dazu auch das von mir initiierte EU-Projekt MIapp (2004-2006). Es ist doch immer wieder festzustellen, dass die gleichen Begriffe verwendet werden, die Leute aber oftmals etwas anderes darunter verstehen…

Tapscott, D. (2007) zur digitalen Wirtschaft

In dem Interview in brand eins 2/2007 stellt Don Tapscott noch einmal die bekannten Vor- und Nachteile des sogenannten Web 2.0 für die Unternehmen dar. Dabei geht er auf kollektive Intelligenz, Transaktionskostentheorie usw. ein und kreiert so nebenbei einen weiteren marketingfähigen Begriff “wikinomics”. Aus den Antworten von Don Tapscott liesse sich eher der Begriff “web 2.0-onomics” ableiten, aber der ist doch zu sperrig für einen amerikanischen Vordenker… Also noch ein neuer Begriff für das bekannte Phänomen, dass Unternehmen mit den neuen technologischen Möglichkeiten konfrontiert werden (Siehe dazu auch meinen Blogbeitrag). Dennoch findet sich auch ein sehr interessanter Hinweis: “Das MP3-Phänomen ist im Grunde genommen ein Beispiel für die Kraft der Selbstorganisation von Musikliebhabern und Musikern, die damit Stück für Stück die großen Verlage und Labels entmachten (…).” Das Wort Selbstorganisation erinnert mich natürlich an Selbstorganisationsdispositionen, also an Kompetenzen. Ist die von Tapscott beschworene “wikinomics” daher nur modernes, dynamisches Kompetenzmanagement?

Mistele, P; Trolle, A. (2006): Zur Konstruktion von Lernräumen in Hochleistungsystemen

lernraeume.gifMistele und Trolle beschreiben in ihrem Arbeitspapier, dass das Lernen im Arbeitsprozess an Bedeutung zugenommen hat und auch noch zunehmen wird. Dabei gehen die Autoren auf die damit verbundenen Veränderungen der Örtlichkeiten und der Räumlichkeit des Lernens ein. In der Zusammenfassung findet sich folgender Satz: “Die zunehmende Verlagerung des Lernens in den Prozess der Arbeit dient dem Erwerb und Ausbau situativer Handlungsfähigkeiten über formelle und informelle Lernprozesse.” Meines Erachtens wieder ein Hinweis darauf, dass Kontextbezug und Selbstorganisation, also Kompetenz als Selbstorganisationsdisposition, im Unternehmensbereich wichtig ist. Das von Rauner beschriebene Konzept der Multiplen Kompetenz (Kompetenz und Multiple Intelligenz) ist in diesem Sinne anschlussfähig.

Mathematik im Selbstversuch: Selbstorganisation in der Schule – Warum nicht?

Ein Gymnasium in der Schweiz praktiziert den Unterricht ohne Lehrer. Quelle: DIE ZEIT vom 04.05.2006: “Selbstlernsemester, abgekürzt SLS, heißt das Experiment, das die Schule in Wetzikon, einem Vorort von Zürich, landesweit bekannt gemacht hat. In Deutsch, Mathematik, Chemie, Biologie, Sport und zwei Sprachen müssen sich die fünften Gymnasialklassen (die elften nach deutscher Zählweise) das Wissen ein halbes Jahr lang weitgehend selbst beibringen”. Siehe dazu auch Multiple Intelligenzen in Bildung und Beruf