Was ist unter dem “Agilitätsparadox” zu verstehen?

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Mit dem Trend zu mehr Agilität gibt es eine Entwicklung zur Agilen Organisation, die u.a. weniger bürokratisch sein soll. Bürokratische Prozesse sollten ursprünglich dazu beitragen, Abläufe zu regeln und zu vereinfachen. Über die Jahrzehnte hinweg ist die Bürokratie immer mehr zu einem Moloch geworden, der eher einschränkend ist. Auf der anderen Seite gibt es agiles Vorgehen, das diese eher bürokratische Formalisierung reduziert – allerdings zu Gunsten einer befähigenden Formalisierung. Auch in Agilen Organisationen gibt es also Formalisierungen – und das nicht zu knapp (Agilitätsparadox). In dem Projekt AgilHybrid wurden diese Zusammenhänge ausführlich in einer Studie analysiert. Dabei ergaben sich folgende Kombinationsmöglichkeiten:

BürokratischHohe einschränkende Formalisierung
HybridHohe einschränkende Formalisierung bei gleichzeitig hoher befähigender Formalisierung
AgilNiedrige einschränkende Formalisierung und hohe befähigende Formalisierung.
ChaotischNiedrige einschränkende Formalisierung und niedrige befähigende Formalisierung
Siehe dazu ausführlich https://agilhybrid.de/blog/studie-das-agilitaetsparadox-agil-ans-ziel/

Für Organisationen ergeben sich dabei folgende Optionen: a) Von bürokratisch über hybrid zu agil; b) Von bürokratisch über chaotisch zu agil. Es ist für mich schön zu sehen, dass der hybride Ansatz als eigenständiger Weg aufgezeigt wird. Immerhin gibt es ja auch schon seit vielen Jahrzehnten auch schon die Hybride Wettbewerbsstrategie. Siehe dazu auch Führt das Arbeiten nach dem Scrum Guide zu einer neuen Bürokratie?

In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK) gehen wir auf diese Zusammenhänge ein. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Agilität (Strategie) mit Lean-Agile umsetzen

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Die Veränderung von Organisationen ist notwendig (Stichwort: VUCA) und erfordert eine strategische Entscheidung, die auch umgesetzt werden muss. Dabei ist die Entwicklung hin zu einer modernen Organisation eine permanente Herausforderung, und somit ein permanenter Prozess, dessen Ziele möglicherweise nicht erreicht werden können. Toyotas strategische Ziele zeigen das gut auf: “Single piece flow, 100% value adding activities, zero defects” (vgl. DACH 2019). Den Hinweis “agility is a strategic goal” (ebd.) würde ich daher etwas differenzierter sehen. Es ist in dem Zusammenhang selbstverständlich wichtig, die Kultur einer Organisation in Richtung mehr Offenheit, mehr Vertrauen, mehr Risikoübernahme und mehr Experimentieren weiterzuentwickeln, bzw. neu zu entwickeln (Transition). Doch stellt sich sogleich die Frage, wie diese strategischen Elemente mit den Prozessen, Strukturen und Praktiken in der Organisation verknüpft werden können.

“Another important step is to connect the strategic goals of agility to derived tactics used to implement the strategy (e.g. processes, structures, practices) alongside leading indicators of improvement on all levels of the organization. Lean management provides proven tools for strategy deployment, widely known as Hoshin Kanri or X-Matrix. From the long-term vision, through strategy, to tactics and day-to-day actions, each level is a hypothesis that requires experimentation” (ebd.).

Die Verbindung von Agilität und Lean ist vielen Organisationen scheinbar nicht klar. Zu oft werden beide Ansätze voneinander getrennt gesehen, wodurch offensichtliche Vorteile nicht genutzt werden. Beispielsweise kann Lean zusammen Kanban (KANBAN in der IT nach Anderson) eine gute Möglichkeit sein, agile Arbeitsweisen evolutionär zu etablieren, denn Kanban ist weniger präskriptiv (vorschreibend) wie z.B. das Scrum Framework mit seinem Scrum Guide (Aktuell aus 2020).

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Projektmanager AGIL (IHK), den wir an verschiedenen Standorten anbieten. Weitere Informationen zum Lehrgang und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Projektmanagement: Lernkultur zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer entwickeln

In Projekten gibt es permanent Lernsituationen und Lernprozesse. Neben den bekannten Lessons Learned sind es allerdings die permanenten Lernsituationen, die den Umgang mit Projekten so interessant machen. Am Beispiel des gemeinsamen Lernens zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer soll das kurz dargestellt werden.

“Gemeinsames Lernen beseitigt keinesfalls die Aufteilung der Verantwortung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber. Es sorgt nur dafür, dass sich Menschen besser verstehen und dass sie sich wegen falsch verstandener Verantwortungszuteilung (das ist Deine Aufgabe, damit habe ich nichts zu tun) nicht gegenseitig in die Isolation treiben. Isoliert wird Verantwortung als drückend empfunden und ist dann ganz offenbar nur noch mit Machtgehabe zu ertragen. Gemeinsames Lernen hat dann keine Chance mehr, wogegen es auch dann praktizierbar ist, wenn zwar Unternehmenskulturen noch nicht ausgereift genug sind, um Projekten von Anfang an Erfolg versprechende Bedingungen mitzugeben, aber Menschen heute schon eine innere Bereitschaft dafür mitbringen. Alles hängt immer eben nur vom Verhalten von Menschen ab” (Strohmeier, H. (2007): Wann ist ein Projekt erfolgreich, Projekte erfolgreich managen, 30. Aktualisierung) .

Der gemeinsame Lernkorridor zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bietet die Chance für Vereinbarungen, die zu dem gemeinsamen Projekt passen. Es wäre daher gut zu wissen, wie der Auftraggeber, wie der Auftragnehmer und wie beide im Sinne des Projekts (Kontext) lernen können. Es ist allerdings erstaunlich, dass viele Projektmanager, Programm-Manager oder auch Portfolio-Manager wenig – sehr wenig – über das Lernen der Teammitglieder, des gesamten Projektteams, der gesamten Organisation, oder auch des Netzwerks wissen (Lernkultur entwickeln).

In den agilen Vorgehensmodellen für Projekte gibt es die verschiedenen Lernschleifen, die das Lernen in kleineren Zyklen (z.B. in Events bei Scrum) unterstützen. Das verwundert nicht, da Scrum ursprünglich aus einem Paper von Nonaka und Takeuchi aus dem Jahr 1986 stammt, in dem beide Autoren gerade die Wissensperspektive in den Mittelpunkt stellten, um Entwicklungsprojekte besser zu machen, denn: Lernen ist der Prozess und Wissen das Ergebnis. Lernen und Wissen sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen gehen wir auf diese Zusammenhänge ein. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

KANBAN: Die drei Entwicklungsstufen (Agenden)

Das Bild steht stellvertretend für ein Task Board. Ein KANBAN Board wird es, wenn u.a. die parallell zu bearbeitenden Tasks begrenzt werden (WIP: Work in Progress).

Bei der Einführung von KANBAN gibt es viele Mythen, obwohl KANBAN davon ausgeht, dass erst durch die Umsetzung Fragen entstehen, die dann zu einem umfassenden Einsatz im gesamten Unternehmen führt. Einfach machen! ist hier ein guter Start. Auf welche Stufen (Reifegrade) können Sie sich bei der Nutzung von KANBAN einstellen/freuen? Bei KANBAN wird dabei häufig von den drei Agenden gesprochen.

“Bei der Nachhaltigkeitsagenda dreht sich noch alles um einen selbst. Das Ziel der Nachhaltigkeitsagenda ist es, ein nachhaltiges System zu schaffen, in dem sich Mitarbeiter wohlfühlen und regelmäßig Arbeit fertiggestellt wird. Erst mit der Agenda der Serviceorientierung beginnt sich der Fokus von innen nach außen auf den Kunden zu ändern. Jetzt wird daran gearbeitet, das System so aufzustellen, dass es nicht nur nachhaltig irgendetwas liefern kann, sondern dass es entsprechend den Bedürfnissen und Erwartungen des Kunden liefert. Die Agenda der Überlebensfähigkeit ist die logische Fortsetzung der Serviceorientierung auf das gesamte Unternehmen. Die Idee dahinter ist, dass das Unternehmen in die Lage versetzt wird, jede Änderung am Markt registrieren und damit notwendig gewordene Anpassungen an Services ohne großen Aufwand durchführen zu können” (Lang/Scherber 2019:269-270).

KANBAN können Sie selbst, in einem Projektteam oder auch im Multiprojektmanagement nutzen (Flight Level). KANBAN ist dabei weniger präskriptiv als es Scrum mit seinem Rahmenwerk ist, was mehr Spielraum bietet – mehr Möglichkeiten der Selbstorganisation. KANBAN ist somit ein interessanter, alternativer und evolutionärer Pfad zu mehr Agilität im Unternehmen.

In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen zeigen wir, wie Sie KANBAN in ihren Projekten nutzen können. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

KANBAN: Stop Starting, Start Finishing

Einfaches KANBAN Board

Bei Agilität, oder auch bei der Entwicklung hin zu einer Agilen Organisation, geht es oft um das Mindset, aber auch um konkrete Praktiken. Dabei wird häufig auf SCRUM mit seinem Framework gesetzt, das in dem Scrum Guide 2020 beschrieben ist. Was meines Erachtens zu wenig thematisiert wird, ist ein alternativer Weg zu Agilität mit KANBAN. KANBAN ist weniger präskriptiv (vorschreibend) und geht im Vergleich zu Scrum eher evolutionär vor. KANBAN geht dabei von der aktuellen Situation aus und versucht, Anforderung und Leistungsfähigkeit auf allen Ebenen (individuelle Ebene, Teamebene und organisationale Ebene) in Einklang zu bringen. Im Vergleich zu Scrum, das sehr stark produktorientiert ist, ist KANBAN eher flussorientiert.

Die Transparenz des Flusses des Wertstroms wird am KANBAN Board visualisiert. Ein Mantra dabei ist, dass ein Ticket nur dann in den Arbeitsbereich des KANBAN Boards gezogen wird (Pull System), dass dann auch fertiggestellt wird. Stop Starting, Start Finishing ist hier wichtig, damit nicht etwas angearbeitet wird, und dann unnötigerweise liegen bleibt. Solche liegengebliebenen Aufgaben haben ja schon Kosten verursacht, werden dann allerdings nicht zu einem Abschluss gebracht, was die Wirtschaftlichkeit des Prozesses verschlechtert. Die einzelnen Prozessschritte werden weiterhin begrenzt (WiP: Work in Progress), denn wer kann schon unendlich viele Aufgaben parallel bearbeiten? das waren jetzt nur einige Anmerkungen zu KANBAN, die anregen sollen, sich auch mit diesem Alternativen Weg zu mehr Agilität zu befassen. Siehe dazu auch OpenProject 12.3 jetzt mit Task Boards in der Community Edition.

In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen zeigen wir, wie Sie KANBAN in ihren Projekten nutzen können. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Projektmanagement mit OpenProject: Die Arbeitspakte-Übersicht

Arbeitspaket-Übersicht in OpenProject

Wie Sie wissen, setzen wir bei allen Anwendungen auf Open Source. Beispielsweise nutzen wir Moodle als Lernmanagementsystem, BigBlueButton als Videokonferenzsystem, Nextcloud als Cloudlösung etc. Für die Abbildung von Projekten nutzen wir OpenProject. In OpenProject können plangetriebene, hybride und agile (KANBAN, Scrum) Projekte abgebildet werden. In dem Projekt, das in der Abbildung hinterlegt ist, sind 10 Arbeitspakete (Tasks), 4 Meilensteine und eine Phasen dargestellt. Die einfache Übersicht zeigt, dass aktuell noch alles offen ist (rote Balken). Sobald ein Arbeitspaket geschlossen wurde, würde es blau gekennzeichnet. Eine Übersicht zu halten, was noch offen, bzw. was schon geschlossen werden konnte, ist für die weitere Bearbeitung in Projekten wichtig. OpenProject bietet dazu verschiedene Möglichkeiten, unter anderem die in der Grafik abgebildete.

In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen gehen wir auf diese Zusammenhänge ein, und stellen den Teilnehmern OpenProject vor – bzw. auch zur Verfügung -, sodass Sie verschiedene Funktionen ausprobieren können. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Fünf Optimierungstechniken bei ungeplanten Kapazitätsabweichungen in einem Projekt

In einem klassisch plangetriebenen Projekt werden die Kapazitäten von Ressourcen geplant. Dabei sollten schon mögliche Unwägbarkeiten berücksichtigt werden. Das kann konkret durch eine Schätzmethode wie die Drei-Punkt Methode, oder auch durch eine gute Risikoanalyse unterstützt werden. Die Schätzung ist dann qualitativ gut, wenn sie von einem Team durchgeführt wird, das horizontal und vertikal besetzt ist. Dennoch sollte ein Projektteam natürlich wissen, welche Optimierungstechniken sinnvoll eingesetzt werden können, um Kapazitäten anzupassen. Die folgende Tabelle zeigt insgesamt 5 Techniken auf.

TechnikBeschreibung
StreckenZeitliche Verlängerung des Vorgangs bei Bereitstellung geringerer Kapazität.
StauchenZeitliche Verkürzung bei Bereitstellung erhöhter Kapazität (z.B. durch Leistung von Überstunden).
SchiebenVeränderung der zeitlichen Lage im Ablauf.
SplittenDer Vorgang wird in Teile aufgespalten und zu unterschiedlichen Zeiten mit Unterbrechung eingeplant.
StreichenAuf den Vorgang wird komplett verzichtet oder der Aufwand verringert.
Möglichkeiten für die Optimierung der Kapazitäten (Berge/Wildmann 2019:1360)

Für diejenigen, die jetzt argumentieren, dass man das Problem mit einer agilen Herangehensweise lösen kann möchte ich anmerken, dass nicht jedes Projekt für agile Vorgehensmodelle geeignet ist. Beispielsweise schränkt der Scrum Guide 2020 dessen Anwendung auf “komplexe Probleme” ein (ebd. Seite 3). Wie in der Stacey-Matrix, oder mit Hilfe des Cynefin-Ansatzes, zu erkennen ist, sind nicht alle Vorhaben komplex, sondern möglicherweise “nur” einfach oder kompliziert. Darüber hinaus gibt es auch immer mehr Projekte, die in einem Hybriden Projektmanagement verschiedene Vorgehensmodelle adaptiv nutzen.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in und Projektmanager/in AGIL. Informationen dazu, und zu aktuellen Terminen, finden Sie auf unserer Lernplattform.

Mit Lean Startup schnell minimal funktionsfähige Produkte entwickeln

In dem Beitrag Agiles Projektmanagement und Lean Projektmanagement findet sich eine Gegenüberstellung die zeigt, dass Agiles Projektmanagement und Lean Projektmanagement zwar Ähnlichkeiten haben, dennoch unterschieden werden sollten. Die in dem Beitrag angegeben Quellen belegen diese Perspektive. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie Learn Startup und Agiles Projektmanagement zusammenhängen, bzw. sich unterscheiden. Dazu ist es erst einmal erforderlich, sich mit Lean Startup auseinanderzusetzen. – am besten über die Wikipedia-Seite. Auch hier muss zunächst einmal festgehalten werden, dass Lean Startup bei großer Unsicherheit im Geschäftsumfeld angewendet werden kann. Doch was versteht Steve Blank unter einem Startup?

“Er definiert ein Start-up als eine (temporäre) Organisation, die dafür geformt wurde, um nach einem wiederholbaren, skalierbaren Geschäftsmodell zu suchen” (Blank, Dorf 2012, zitiert in Lang/Scherber 2019:15).

Eine temporäre Organisation kann somit z.B. auch eine Organisationseinheit sein, die unter Unsicherheit Produkte entwickeln soll. Das macht den Lean Startup Ansatz auch für etablierte Unternehmen interessant. Herzstück ist dabei die Feedbackschleife Built-Measure-Learn (Bauen-Messen-Lernen) bei der Entwicklungsarbeit. “Das wichtigste Ziel von Lean Startups ist es, möglichst schnell zu einem minimal funktionsfähigen Produkt (Minimum Viable Product) zu gelangen. Das MVP ist eine erste Produktversion, die es erlaubt, mit minimalem Aufwand und in kürzester Zeit die größtmögliche Anzahl an validierten Erkenntnissen über Kundenerwartungen und -verhalten zu gewinnen” (Lang/Scherber 2019:22). Siehe dazu Was macht ein minimal funktionsfähiges Produkt (MVP) aus? und Wie MVP´s (Minimum Viable Products) zur Kundenzufriedenheit beitragen.

Oft kommt es hier zur Gleichsetzung von MVP und dem Begriff Increment aus dem Scrum Guide. Beide Begriffe sollten allerdings immer in Bezug auf das jeweilige Framework gesehen werden. Lean Startup kommt aus dem Bereich der Innovation und bietet einen Rahmen (ein Mindset) zur schnellen Entwicklung und Skalierung von Produkten unter Unsicherheit.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Projektmanager/in AGIL (IHK). Informationen dazu, und zu aktuellen Terminen, finden Sie auf unserer Lernplattform.

Scrum Guide 2020: Mehrere Produktinkremente in einem Sprint sind möglich

Ein Produktinkrement wird als Ergebnis eines Sprints im Review vom Scrum Team und möglichen Stakeholdern beurteilt. Dabei muss das Produktinkrement der Definition of Done entsprechen. Das Review wurde bei dieser Vorgehensweise oft als eine Art “Freigabe” interpretiert. Diese Perspektive wurde nun im Scrum Guide erweitert, denn darin wird erläutert, dass Produktinkremente durchaus auch innerhalb eines Sprints abgenommen und ausgeliefert werden. Auf diesen Zusammenhang weisen Brüggemann et al. noch einmal hin.

“Der Scrum Guide 2020 ermöglicht die Erstellung mehrerer Produktinkremente in einem Sprint. In der Vergangenheit war es notwendig, bis zum Sprintende zu warten, um ein neues Produktinkrement produktiv setzen zu können. Stattdessen gilt nun: Jedes Mal, wenn ein Product Backlog Item die Definition of Done erfüllt, gibt es ein neues Produktinkrement. Diese Inkremente können also auch während eines Sprints abgenommen und theoretisch ausgeliefert werden. Dadurch wird nicht nur eine kontinuierliche Auslieferung ermöglicht, die Änderung führt hoffentlich auch dazu, dass das Sprint Review nicht mehr als ´Freigabe Veranstaltung´ missinterpretiert wird” (Brüggenkamp et al. 2021:17).

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Führt das Arbeiten nach dem Scrum Guide zu einer neuen Bürokratie?

Einige von Ihnen werden bei der Frage mit der Stirn runzeln, da agile Arbeitsformen – wie z.B. nach dem Scrum Guide – ja zu weniger bürokratischen Arbeitsformen führen soll. Dennoch ist es nicht uninteressant, sich zunächst einmal klar zu machen, was wir unter “Bürokratie” verstehen. Nach Max Weber ist dieser Begriff kein Modell, sondern beschreibt die Bürokratie, wie er sie vorgefunden hat. Danach sind die sechs wichtigsten Kriterien

a) die Regelung von Kompetenzen,
(b) die Hierarchie,
(c) die schriftliche Aktenführung,
(d) die fachliche Schulung der Mitarbeiter,
(e) die hauptamtliche Erfüllung eins Berufs und
(f) die Befolgung von Regeln gemäß einer Kunstlehre in Form einer Betriebswirtschafts- oder Verwaltungslehre (Weber 1990:551f.; zitiert in Baecker 2022).

An dieser Stelle möchte ich folgende interessante Fragestellung wiedergeben:

“Was mich im Folgenden interessiert, ist die Frage, ob Formen des agilen Managements immer noch als Formen (a) der Ausübung einer legalen Herrschaft, (b) einer Bürokratie und (c) einer schriftlichen Amtsführung durch Akten verstanden werden können” Baecker, D. (2022:4).

In seinem Manuskript zum Vortrag auf der Tagung „Akten“, Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport –– Sektion III, Wien, 17.–19. November 2022 hat Dirk Baeker diese genannten Punkte thematisiert. Speziell geht der Autor auf Scrum ein, und kommt zu einem überraschenden Zwischenfazit:

“Dieselbe Logik wiederholt sich für die Sprint-Backlogs, so dass wir es bei der Scrum Methode mit einem mustergültigen Prozess der schriftlichen Aktenführung zu tun haben” (ebd. S. 8).

Baecker schließt aus seiner ersten Analyse, dass das Agile Management durchaus alle 6 Kriterien einer Bürokratie erfüllt, doch ist beim Agilen Management der Punkt “Hierarchie” nicht mehr eine Perspektive von “Oben/Unten”, sondern von “Außen/Innen” (vgl. ebd. S. 9). Diese neue Dimension führt zu vielen neuen organisatorischen Möglichkeiten, die natürlich heute digital mit Tools – oder besser: Kollaborationsplattformen – unterstützt werden.

“Und doch ist es nicht die Elektronik, die als gesellschaftliche Ordnungsfigur an die Stelle der Hierarchie tritt, sondern das Wissen um ein deliberativ-rekursives Verfahren der Abstimmung in einem präzise definierten und überwachten Kreis von Teilnehmern” (ebd. S. 12).

Kommen wir wieder auf die in der Überschrift gestellte Frage zurück. Die Antwort darauf lautet somit, ja, das Arbeiten nach dem Scrum Guide führt zu einer Neuen Bürokratie, im positiven Sinne.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK). Informationen dazu, und zu aktuellen Terminen, finden Sie auf unserer Lernplattform.