In der FAZ vom 27.08.2007 schreibt Christian Geyer in seinem Artikel Schlapp! Da geht die Falle zu! über das Buch von Enzensberger, H. M. (2007): Im Irrgarten der Intelligenz. Die Züricher Zeitung hatte schon am 11.11.2006 einen Vorabdruck veröffentlicht (Siehe Blogbeitrag). In dem Artikel von Christian Geyer sind auch einige Textpassagen aus dem Buch von Enzensberger erwähnt, auf die ich mich hier wiederum beziehe. Der Untertitel des Buchs lautet: Ein Idiotenführer. Ich halte das zwar für eine sehr drastische Formulierung, stimme aber natürlich mit Enzensberger darin überein, dass der Intelligenzquotient nicht taugt, einen Menschen mit Hilfe einer Zahl zu charakterisieren. Joyce Martin nennt den IQ z.B. Irreführungs-Quotient… Enzensberger schreibt auf den Seiten 32-33 zu Intelligenztests: “Gemeinsam ist allen Rätselfragen, die der Test stellt, dass sie in der Regel nur eine einzige richtige Antwort zulassen. Das ist im Grunde ziemlich seltsam; denn in der wirklichen Welt sind solche Situationen die Ausnahme. Ganz gleich, um was es bei unseren Entscheidungen geht – um eine Bewerbung, einen Wahlkampf, eine Scheidung, einen Mietvertrag -, stets haben wir es mit zahlreichen Variablen zu tun, die noch dazu wechselseitig voneinander abhängen. Sie sind mit einem Wort “komplex.“ Aus meiner Sicht ist dieser Hinweis neben dem Kontextbezug von Intelligenz (und Kompetenz) sehr wichtig. Weiterhin ist zu lesen, dass die Verwendung von Intelligenztests durch die Rechtsprechung in den USA stark eingeschränkt wurde: “Unternehmen und Schulen ist es seit 1971 verboten, ihre Entscheidungen mit IQ-Messungen zu begründen, wenn es um Arbeits- und Studienplätze geht.” Das ist umso erstaunlicher, weil wir in Deutschland immer mehr dazu neigen, IQ-Tests in Schulen und Unternehmen stärker einzusetzen. Siehe dazu z.B. Muss der HAWIK-IV wirklich sein? Die armen Schüler … Es wird Zeit, dass wir auch in Deutschland erkennen, dass unsere Vorstellung von Intelligenz (Konstrukt) weiterzuentwickeln ist. Wie Sie als Leser meines Blogs wissen, plädiere ich dafür, die Multiple Intelligenzen Theorie zu nutzen. Hier noch einige Beiträge, die Sie interessieren könnten:
- Neue Studie: IQ kein Garant für Wohlstand
- Unsinnige Auswahlverfahren
- Funke (2006): Alfred Binet und der erste Intelligenztest
- Freund (2006): Die Multiple-Intelligenzen-Theorie
- Das EU-Projekt MIapp
- Multiple Intelligenzen in Lern-Lehrkonzepten nutzen
- Multiple Intelligenzen und Multiple Kompetenzen
- Multiple Intelligenzen und projektorientierter Unterricht
Anmerkung: Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie Zeitungen mit dem Thema Intelligenz umgehen. Einerseits kritisch, andererseits werben die Zeitungen mit Intelligenztest, die man bequem von Zuahuse aus durchführen kann. Die FAZ bringt es sogar fertig direkt über dem oben genannten Artikel eine Anzeige zu schalten, die genau auf so einen Intelligenztest verweist. Auch DIE WELT bringt mehrseitige Übersichten zum IQ-Test heraus, die wohl eher zur Unterhaltung der geneigten Leserschaft dienen sollen und damit zur Steigerung der Auflage. Die Intelligenzdebatte bringen solche Aktionen nicht weiter – im Gegenteil.