Open Innovation: Anmerkungen zu einer Capgemini-Studie

Capgemini Research Institute (2023): The power of open minds

Seit Henry Chexbrough (2023) darauf hingewiesen hat, dass es für Organisationen Sinn macht, ihren Innovationsprozess zu öffnen (Open Innovation), gibt es immer wieder auch Studie dazu. Die Veröffentlichung Capgemini Research Institute (2023): The power of open minds. How open innovation offers benefits for all (PDF) ist eine davon. Insgesamt ist der Tenor, dass Organisationen davon profitieren, ihren Innovationsprozess zu öffnen. Allerings soll es dabei noch Verbesserungspotenzial geben.

Es ist lobenswert, wenn das Capgemini Research Institute die Erfahrungen von Organisationen mit Open Innovation darstellt, und auch Potenziale für Verbesserungen aufzeigt. Dabei ist natürlich zu beachten, dass die Autoren ausnahmslos von Capgemini sind und Capgemini ein Beratungsunternehmen ist, das möglicherweise mit der studie eigene Ziele verfolgt. Honi soit qui mal y pense.

Die Autoren gehen auch nicht tiefer darauf ein, wie es zu dem Trend zu mehr Open Innovation überhaupt kommt. Das Phänomen “Open Innovation” kann beispielsweise aus der Reflexiven Modernisierung mit ihren Entgrenzungstendenzen, also aus sozialwissenschaftlichen Betrachtungen angeleitet werden.

Weiterhin ist das Öffnen des Innovationsprozesses nicht immer gut für Organisationen. Wie Schäper et al. (2023) dargestellt haben, ähnelt die finanzielle Performance von Open Innovation eher einer S-Kurve – und weiter: “that firms are not well-advised to open up their innovation processes as far as possible”. Siehe dazu ausführlicher Open Innovation und die finanzielle Performance von Unternehmen.

Abschließend fehlt mir auch noch der Hinweis darauf, dass man Open Innovation auch noch anders interpretieren kann. Genau das hat Eric von Hippel gemacht, indem er nicht von Organisationen ausgeht. Der Ansatz von Eric von Hippel ist, dass jeder Einzelne innovativ sein kann. Diese Innovationen findet man allerdings nicht in den offiziellen Statistiken zu Innovationen von Ländern. Open Innovation ist hier ein Open User Innovation, das Innovation demokratisiert. Siehe dazu von Democratizing Innovation zu Free Innovation.

Jugaad: Eine indische Variante von Improvisation und Innovation

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Wir denken oft noch in den traditionellen Pfaden einer Welt, die sich allerdings turbulent wandelt. Traditionell gehen wir in vielen Bereichen unserer Gesellschaft davon aus, dass sich Infrastruktur, Energienetze, Kommunikationsnetze, Mobilitätsnetze, Soziale Netze usw. nur verwirklichen lassen, wenn die Politik und das ganz große Kapital solche Projekte umsetzen. Ein Beispiel auf globaler Ebene dafür ist die chinesische Belt and Road Initiative.

In Europa haben wir ähnliche Denkmuster (Top Down) entwickelt und verspielen möglicherweise die vielen Möglichkeiten von kleinen, persönlichen Verbesserungen und Innovationen (Bottom Up). Bezeichnend dafür ist, dass solche User Innovation gar nicht in den offiziellen Statistiken zu Innovationen auftauchen. Doch wie Eric von Hippel in vielen Studien aufgezeigt hat, gibt es diese Art von Verbesserungen und Innovationen in der Realität, im wirklichen Leben der Menschen. Siehe dazu beispielweise Eric von Hippel (2017): Free Innovation und Worin unterscheiden sich Business Innovation (formale Innovation) von Household Innovation (informelle Innovation)?

In einem anderen Kulturkreis, in Indien, wird die Improvisation im Alltäglichen als Jugaad bezeichnet. Dazu habe ich in einem aktuellen Artikel folgendes gefunden:

“Kaur (2016) informs that jugaad, a Punjabi word, popular across northern India, is a variation of the Hindi word jugat, itself derived from Sanskrit yukti, with roots in yog meaning union or joint. (…)

Jugaad is not limited to engagement of material infrastructure. It sits within the realm of the socio-cultural, with jugaadu people (improvisers) drawing on social, cultural, political and material resources to bend and twist unfavourable alignments into somewhat favourable ones. In many ways then, jugaad epitomises infrastructure: the subterranean, in the background and under the radar. (…)

Prabhu and Jain (2015), using several Indian examples like solar lighting solutions argue that jugaad leads to frugal, flexible and inclusive elements in ‘innovations’. They translate jugaad as frugal innovation. Radjou et al. (2012) frame this as jugaad Innovation.

Within the idea of jugaad, ‘formality/informality and legality/illegality work together’ (Narayanan, 2019, p. 13).”

Kumar, A. (2024): Jugaad Infrastructure: Minor infrastructure and the messy aesthetics of everyday life.

Der Autor verweist darauf, dass der Begriff “Jugaad Innovation” eher aus den einschlägigen Business Schools stammt, und wohl eher nicht den Kern von Jugaad im kulturellen Kontext beschreibt. Das ist deshalb interessant, da in den Erläuterungen zu Jugaad auf Wikipedia gerade der Bezug zu frugalen Innovationen und zu einer Art Managementtechnik hergestellt wird. Trifft der Wkipedia-Artikel hier möglicherweise nicht den Kern von Jugaad?

Dennoch kann ich mir vorstellen, dass aus Improvisation auch Innovationen entstehen können. Wichtig ist für beide, den Wert (Added Value) für den Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen. Was wäre, wenn alle Menschen ihre alltäglichen (intelligenten) Problemlösungen anderen Menschen kostenfrei zur Verfügung stellen würden? Über die vielen Open-Source – und Open-Content – Initiativen wird das ja durchaus schon gemacht.

Künstliche Intelligenz kann jetzt darüber hinaus auch Treiber für Open User Innovation sein. Siehe dazu auch Frugale, soziale, technische und nicht-technische Innovationen und Frugale Innovationen: Ergebnisse einer europäischen Studie.

Von “Märkte als Ziele” zu “Märkte als Foren”

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Es wird in unterschiedlichen Zusammenhängen (Kontexten) immer wieder von “dem Markt” gesprochen/geschrieben, der das Ziel aller Unternehmensaktivitäten sein soll. Das hört sich an, als ob “der Markt” ein relativ homogenes “Gebilde” ist, doch “der Markt” ist sehr differenziert. Weiterhin sind die verschiedenen Akteure immer stärker vernetzt (technologisch, räumlich, zeitlich usw.) und haben Rückkopplungen untereinander. Ramaswar und Prahalad haben daher vorgeschlagen, “Märkte als Foren” zu sehen.

“Market is no longer a target, it is more a forum (Prahalad and Ramaswamy 2004) to “tap into the knowledge of participants in the social ecosystem to create a freer flow of information, engage people more wholeheartedly, and enable richer, fuller stakeholder interactions” (Ramaswamy and Gouillart 2010). Further, in such a complex system knowledge is unevenly distributed (Hayek 1945) and the direction of flows of knowledge and information cannot be predetermined (Ramaswamy and Ozcan 2014)” (Freund, R. 2017).

Es ist somit nicht, oder nur bedingt, möglich, Wissensflüsse in solchen Foren (Marktplätzen) gezielt vorauszusagen. In Unternehmen möchte man allerdings gerne, den Wissensfluss so organisieren, dass ein bestimmtes Ergebnis (meistens ein Gewinn für das Unternehmen) herauskommt. Die Schwierigkeiten so vorzugehen haben viele Unternehmen erkannt, und öffnen ihre Innovationsgrenzen. Diese Entwicklung hat Chesbrough als Open Innovation bezeichnet. Dabei bezieht er sich ausdrücklich auf Unternehmen mit ihrem Geschäftsmodell.

Betrachten wir allerdings die oben genannten Charakteristika von Foren und den damit verbundenen Wissensflüssen müssen Innovationen nicht zwangsläufig nicht nur von Unternehmen ausgehen, sondern können in der Vernetzung von allen möglichen Foren-Teilnehmern geschehen. Ein so verstandenes Open User Innovation wird von Eric von Hippel propagiert.

Solche Bottom-up-Innovationen tauchen allerdings immer noch nicht in den offiziellen Innovations-Statistiken auf. Es ist vorstellbar, dass diese Art von Innovationen mit Hilfe neuer Technologien (Künstliche Intelligenz, Additive Manufacturing, Open Source, Maker-Bewegung usw.) in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnt. Unternehmen sollten diese Entwicklungen frühzeitig adaptieren.

Welche technologischen Entwicklungen stehen bis 2027 an?

wef-2015-09Das World Economic Forum hat im September 2015 eine Studie (PDF) veröffentlicht, die die anstehenden technologischen Entwicklungen auf einer Zeitachse darstellt. Weiterhin werden darin die einzelnen Entwicklungen ausführlich mit ihren Vor- und Nachteilen beschrieben. Möglicherweise werden die genannten Zeiten nicht immer exakt überall gleich sein, doch kann man sich ein gutes Bild von den zukünftigen Risiken und Chancen machen. Das gilt nicht nur für Technologieunternehmen, denn die genannten Entwicklungen werden auch soziale Auswirkungen haben. Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Innovationsmanager (IHK). Informationen dazu finden Sie auf unserer Lernplattform.

 

 

Open Innovation ist nicht gleich Open Innovation

open-innovation-2-0Die Überschrift hört sich erst einmal seltsam an, denn wenn man über “Open Innovation” spricht oder schreibt, sollte die Definition klar sein – ist es aber nicht. Viele beziehen sich bei Open Innovation zunächst auf Chesbrough, der in seinem Buch 2003 eine erste Definition formuliert hat. Diese Definition hat Chesbrough allerdings 2006 und später zusammen mit Bogers 2014 erheblich verändert. Chesbrough bezieht Open Innovation auf Organisationen und deren Business Model. Im Gegensatz dazu steht die Perspektive von Baldwin und von Hippel (2011), die nicht die Organisationen, sondern alle User für solche offenen Innovationsprozesse sehen. Hier spricht man auch eher von Open User Innovation. Weiterhin gibt es im Open Innovation Yearbook 2015 der Europäischen Kommission einen Hinweis auf Open Innovation 2.0,, das als Framework (Rahmen) für die verschiedenen Perspektiven auf Open Innovation dienen soll. Diese Hinweise sind nicht vollständig, sondern sollen nur zeigen, wie vielfältig Open Innovation ist. Jeder der von Open Innovation spricht – oder über Open Innovation schreibt – sollte daher deutlich machen, welche Perspektive er einnimmt. Genau das habe ich im Rahmen meines Papers zur MCPC 2015 (20-22.10.2015) erst einmal gemacht. In dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Innovationsmanager (IHK) gehe ich natürlich auf die verschiedenen Ansätze ein. Informationen zum Lehrgang finden Sie auf unserer Lernplattform.

Open Innovation in Creative Industries

OI-in-Creative-IndustriesDie Konferenz Open Innovation in Creative Industries (PDF) fand vom 29-30-11-2012 in Leipzig statt. Die Stadt Leipzig war Gastgeber der Veranstaltung, die im Rahmen des EU-Projects Creative Cities angeboten wurde. Es wurde u.a. der Frage nachgegangen, wie Städte Open Innovation in der Kreativwirtschaft unterstützen (können). Interessant ist, wie vielfältig die Ansätze für Open Innovation sein können. Nicht nur Unternehmen, sondern auch Non-for-Profit-Organisationen können von der Öffnung des Innovationsprozesses partizipieren. Dabei sollte auch beachtet werden, dass Open User Innovation etwas anderes ist, als Open Innovation nach Verständnis von z.B. Chesbrough (2003) – Eric von Hippel weist immer wieder auf den Unterschied hin. Ich habe allerdings den Eindruck, dass dieser Aspekt  auf solchen Konferenzen oftmals unterrepräsentiert ist.