Digitale Transformation kann ohne Open Source nicht gelingen

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Die digitale Transformation wird von vielen IT-Konzernen propagiert. Dabei setzen die meisten auf ein eigenes IT-Ökosystem, das freies Gestalten von Innovationen begrenzt, und somit zielgerichtet leitet. Diese Ziele müssen nicht unbedingt die sein, die für eine Gesellschaft wichtig sind. Es stellt sich daher die Frage, ob für eine digitale Transformation von Gesellschaften nicht offene Systeme wichtig, ja sogar erforderlich sind. In der Expertise Open Source als Innovationstreiber für Industrie 4.0 (Forschungsbeirat der Plattform Industrie 4.0 / acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften 2022) findet sich zu diesem Thema folgender Text:

“Die Open Source-Bewegung folgt dem Sharing-Leitmotiv. Ihr Hauptziel ist eine frei zugängliche Bereitstellung von Quellcode, damit Menschen und Unternehmen die Möglichkeit haben, diesen zu nutzen, anzupassen und zu verbreiten. Auch die Veröffentlichung von Bauplänen als Open Hardware oder die Bereitstellung und Nutzung von Daten als Open Data sind Ausdruck des Sharing Mindsets, ebenso wie offene Innovationsprozesse mit firmeninternen und externen Kräften (Open Innovation). Allen diesen Strömungen gemein ist das begründete Vertrauen darauf, in intakten und offenen Ökosystemen Geschäftspotenziale gemeinsam besser zu heben, zum Beispiel durch größere Innovationskraft, bessere Stabilität und IT-Sicherheit oder durch die Vermeidung von Lizenzkosten. OSS ist mittlerweile ein fester Bestandteil der digitalen Wirtschaft und nahezu sämtlicher Innovationsprozesse – und zwar grenzüberschreitend und unter Beteiligung zahlreicher und vielfältiger Unternehmen. Sie ist aus der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Es scheint offensichtlich zu sein, dass die digitale Transformation ohne den Einsatz von Open Source nicht gelingen kann” ( Forschungsbeirat der Plattform Industrie 4.0 / acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften 2022:7).

Ergänzend möchte ich allerdings anmerken, dass der Hinweis auf Open Innovation leider – wie so oft – nur die Perspektive von Henry Chesbrough enthält. Die Perspektive von Eric von Hippel, der von einem Bottom-Up-Ansatz ausgeht (Free Innovation), wird nicht angesprochen (Siehe Literaturverzeichnis).

Pyramiding für das Herausfinden von Experten nutzen

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Immer wieder kommt es bei Problemlösungen vor, dass man als Person oder als Team oder als Organisation nicht weiter kommt. Zunächst wird analysiert, wen wir so kennen, oder ob es nicht irgendwelche Informationen dazu im Internet gibt. Es geht um Empfehlungen von Experten, die dann im Ranking “nach oben” rutschen. Etwas wissenschaftlicher ausgedrückt, handelt es sich dabei um eine Art von pyramiding.

Pyramiding search is a variant of snowballing – but with an important difference. Pyramiding requires that people having a strong interest in a given attribute or quality, for example a particular type of expertise, will tend to know of people who know more about and/or have more of that attribute than they themselves do (von Hippel et al 1999)”. zitiert von von Hippel/Franke/Prügl 2009).

Personen mit einer bestimmten Expertise herauszufinden ist nach den Autoren auch kostengünstiger als eine Screening Methode: “Thus, the cost per lead user identified via the pyramiding procedure in this real world case was $1,500 – 15% of the cost of the screener method” (ebd). Beispielhaft wird das Paramyding beim Herausfinden von Lead User beschrieben, die mit Hilfe vorbereiteter Interviews analysiert werden konnten.

Warm sollte das Pyramiding auf den Innovationsprozess beschränkt sein, und nicht auch für das Kompetenzmanagement oder Wissensmanagement eingesetzt werden? Mit Hilfe moderner Technologien wäre das sogar in Echtzeit und in verschiedenen Kontexten (Domänen) möglich.

Warum entwickeln Menschen Innovationen und stellen diese kostenlos zur Verfügung?

In dem Buch Eric von Hippel (2017): Free Innovation geht es grundsätzlich um eine andere Form der offenen Innovation (Open Innovation) als die, die beispielsweise von Chesbrough (2003; 2006) oder auch von Reichwald/Piller (Interaktive Wertschöpfung) beschrieben wurden. Chesbrough (und andere) gehen bei Open Innovation von der Öffnung des oftmals geschlossenen Innovationsprozesses (Closed Innovation) von Organisationen/Unternehmen aus. Diese Perspektive entspricht auch der üblichen Definition von Innovation, die sich wiederum auf die einschlägigen Statistiken auswirkt.

Eric von Hippel sieht Open Innovation eher als einen Prozess, der “von unten”, also mehrheitlich von einzelnen Personen durchgeführt wird. Dass dies ein nicht zu unterschätzendes Phänomen ist, belegt Eric von Hippel eindrucksvoll anhand von 6 Länderstudien.

Free Innovation beschreibt er wie folgt: „First, no one pays free innovators for their development work, they do it during their unpaid, discretionary time. Second, free innovation designs are not actively protected by their developers—they are potentially acquirable by anyone for free“ (ebd. p. 26). Siehe dazu auch Three Innovation Modes.

Eine Frage, die sich hier viele stellen ist, warum die einzelnen Innovatoren ihre Innovationen einfach so an andere abgeben sollten, denn scheinbar haben diese Innovatoren ja nichts davon. Eric von Hippel nennt hier verschiedene Gründe, wie self-reward, transaction-free activities und generaliced reciprocity. Ein Beispiel zu dem letzten Punkt ist: “Benjamin Franklin (1793: 178–179) made his important inventions available to all without patent protections. He explained his motives in terms of generalized reciprocity, saying ´that, as we enjoy great advantages from the inventions of others, we should be glad of an opportunity
to serve others by any invention of ours; and this we should do freely and generously´” (Eric von Hippel 2017:32).

Es gibt dazu auch Beispiele aus dem täglichen Leben: Nehmen wir an, jemand fragt Sie nach dem Weg, und Sie geben Auskunft. Sie verlangen dafür nichts, da Sie darauf setzen, dass auch Sie einmal in diese Situation kommen könnten, und jemand Ihnen hilft – ohne etwas dafür zu verlangen. Wir kennen diese Situationen, doch ist uns nicht bewusst, welches Potenzial sich darin verbirgt…

Open Innovation und Open Evaluation

Im Innovationsmanagement sind Ideenwettbewerbe ein wichtiges Element für die erste Stufe des Innovationsprozesses. Dieser kann geschlossen (Closed Innovation) oder offen sein (Open Innovation). Wenn es zu vielen Ideen oder innovativer Konzepte gibt, müssen diese IT-gestützt analysiert und bewertet werden. Diese Vorgehensweise wird als Open Evaluation bezeichnet.

Unter Open Evaluation subsumieren wir daher die Bewertung und/oder Kommentierung von Lösungsvorschlägen unterschiedlichen Ausarbeitungsgrads im Rahmen von Innovationsaktivitäten durch Personen, die nicht regulär zum Personenkreis der Entscheider gehören (Möslein/Haller/Bullinger 2010:6).

Dabei gehen die Autoren allerdings nur von der Perspektive auf Open Innovation aus, die von Chesbrough (2006) beschrieben wurde, und damit Open Innovation auf Organisationen anwendet.

Kunden und externe Partner stellen eine wichtige Informationsquelle für neue Produkt- und Dienstleistungskonzepte dar. Ihre aktive Einbindung in den Innovationsprozess wird als „Open Innovation“ bezeichnet (Möslein(Haller/Bullinger 2020:2).

Es wäre interessant zu erfahren, wie Open Evaluation genutzt werden könnte, um Ideen oder Ideen-Konzepte zu bewerten, die eher aus dem von Eric von Hippel beschriebenen Bottom-Up-Ansatz zu Open Innovation ausgehen.

Siehe dazu auch Freund, R. (2010): How to Overcome the Barriers between Economy and Sociology with Open Innovation, Open Evaluation and Crowdfunding? In: International Journal of Industrial Engineering and Management (IJIEM), Vol.1 No 3, 2010, pp. 105 – 109. Paper first published in Proceedings of the 4th International Conference on  Mass Customization and Open Innovation in Central Europe (MCP-CE 2010).

Open Innovation: Three Innovation Modes

Wenn von Open Innovation gesprochen oder geschrieben wird, sollte zunächst klar sein, um welchen Ansatz es hier geht. Einerseits gibt es die Perspektive von Henry Chesbrough, der Open Innovation für Organisationen beschreibt, indem er den klassischen Innovationsprozess an verschiedenen Stellen öffnet. Dazu habe ich hier schon verschiedene Blogbeiträge, oder auch Konferenzpaper veröffentlicht (Veröffentlichungen).

Allerdings kann Open Innovation auch als Bottom-Up-Prozess interpretiert werden, der von einzelnen Personen ausgeht. Diese Perspektive vertritt Eric von Hippel besonders in seinem Buch Free Innovation, dass 2017 veröffentlicht wurde. Free Innovation definiert Eric von Hippel wie folgt: “First, no one pays free innovators for their development work, they do it during their unpaid, discretionary time. Second, free innovation designs are not actively protected by their developers—they are potentially acquirable by anyone for free” (ebd. p. 26). In diesem Sinne ergeben sich dann “three innovation modes” (p. 37-38):

  • A single free innovator is an individual in the household sector of the economy who creates an innovation using unpaid discretionary time and does not protect his or her design from adoption by free riders.
  • A collaborative free innovation project involves unpaid household sector contributors who share the work of generating a design for an innovation and do not protect their design from adoption by free riders.
  • A producer innovator is a single, non-collaborating firm. Producers anticipate profiting from their design by selling it. It is assumed that, thanks to secrecy or intellectual property rights, a producer innovator has exclusive control over the innovation and so is a monopolist with respect to its design.

Sechs nationale Studien zeigen dabei, dass der Anteil von single free innovator im Vergleich zu collaborative free innovation bei 72%-90% liegt (ebd. p. 25). Solche Zahlen sollten dazu führen, Innovationen nicht alleine nach dem Oslo Manual (2018) zu definieren, da diese Definition zu sehr auf Organisationen fokussiert ist. Weiterhin sollten einzelne Innovatoren stärker gefördert werden, da es hier scheinbar ein großes Potenzial gibt, das dann auch von anderen frei genutzt werden kann.

Ist das vom RKW veröffentlichte Geschäftsideentagebuch wirklich ein praktisches Notizbuch?

Die Veröffentlichung Großheim, K; Juschkus, U. (2019): Geschäftsideentagebuch wurde vom RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e. V. herausgegeben, und steht als PDF-Datei zur Verfügung. Das Tagebuch soll “ein flexibler Begleiter auf Ihrem ganz persönlichen und individuellen Weg zu neuen Geschäftsideen sein. Es ist in erster Linie ein praktisches Notizbuch”. 

Seit Juli 2020 steht darüber hinaus eine Website mit allen Tools zur Verfügung. Die Informationen je Tool können jeweils als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Es ist grundsätzlich gut, wenn das RKW die persönliche Ideenfindung und -bewertung unterstützt. Ob die PDF-Formate wirklich “ein praktisches Notizbuch” darstellen, sei deshalb dahingestellt.

Es wäre zeitgemäßer das Geschäftsideentagebuch in einer anderen Form anzubieten. Neben einer App bietet sich eine persönliche Ideenplattform in der Cloud an, die von jedem Einzelnen geöffnet werden könnte (Open Innovation). Die Vertrauensplattform könnte vom RKW als Vertrauenspartner gestellt und betrieben werden. Die Datenhoheit läge dabei weiterhin bei den Usern. Erst dann werden sich aus ersten Ideen auch schnell wirkungsvolle User Innovationen ableiten können. Dieser Bottom-Up-Ansatz (nach Eric von Hippel) könnte letztendlich auch mit der RKW-Initiative “Start-up trifft Mittelstand” verknüpft werden.

Ideenplattformen: Ein Anwendungsbeispiel

Ideen sind essentiell für spätere Innovationen. Das immer noch weit verbreitete Betriebliche Vorschlagswesen kann mit Hilfe moderner Ideenplattformen ersetzt, und ergänzt werden. Das folgende Anwendungsbeispiel zeigt noch weitere Optionen.

Der offensichtliche Nutzen von Ideenportalen liegt darin, Benutzerideen insbesondere der eigenen Kunden für neue Produkte und Dienstleistungen zu erhalten. Gleichzeitig eröffnen die eigenbetriebenen Portale den Unternehmen als Listening-Plattformen einen neuen Kommunikationskanal zu ihren Endkunden und dienen neben dem Ideen-Insourcing auch der proaktiven Verbesserung der Kundenbeziehungen. Neben dem Betrieb einer eigenen Plattform oder der aktiven Nutzung einer Mediator-Plattform oder eines Ideenwettbewerbs kann aber auch bereits die Beobachtung der Ideendiskussionen auf bestehenden Plattformen (insbesondere von Wettbewerbern) nützliche wertvolle Informationen liefern: So wird es sich für den Betreiber einer kleineren Kaffeehauskette möglicherweise nicht lohnen, eine eigene Plattform zu betreiben – aber durch die Beobachtung der Starbucks-Community kann er durchaus Ideen finden, die zu den Bedürfnissen seiner eigenen Kunden passen. Unter Umständen kann er diese Idee aufgrund seiner geringeren Größe sogar einfacher und schneller umsetzen als Starbucks selbst – und sich somit (zumindest vorübergehend) einen Wettbewerbsvorsprung sichern (Fraunhofer IAO 2010:78).

Die verschiedenen Optionen können einem eher geschlossenen Innovationsprozess (Closed Innovation), oder auch einem eher geöffneten Innovationsprozess (Open Innovation) zugeordnet werden. Zwischen beiden Polen gibt es – wie immer bei Dichotomien – ein Kontinuum unendlich vieler Möglichkeiten.

Wie hängen Innovation, Wissen und Kompetenz zusammen?

Wenn wir über Innovationen sprechen sollte klar sein, dass es hier nicht alleine um Ideen (Ideation) oder Erfindungen (Inventionen) geht. Eine Erfindung, die beispielsweise patentiert wurde, ist per se noch keine Innovation. Darüber hinaus sollten Mitarbeiter und Organisationen in der Lage sein, Wissen so neu zu kombinieren, dass es zu Innovationen kommt.

“Grundvoraussetzung für Innovationen im Hightech-Bereich ist die Verfügbarkeit entsprechender Kompetenzen. Die verfügbaren Fähigkeiten stellen dabei die kognitive Basis für die Neukombination und Weiterentwicklung von Wissen in spezifischen Technologiefeldern dar und sind eine Funktion von explizitem (frei verfügbarem) und implizitem (personengebundenem) Wissen. Nur auf der Basis eines Sets entsprechender Wissensbestände besteht eine sinnvolle Option, neue wissensbasierte Lösungen zu erarbeiten.” Botthoff/Kriegesmann 2009:13).

Diese Kompetenz, verstanden als Selbstorganisationsdisposition, ist die Basis für ein modernes Innovationsmanagement (Closed Innovation – Open Innovation). Dabei sind Kompetenzen auf der individuellen Ebene, auf der Teamebene, auf der organisationalen Ebene und in Netzwerken zu entwickeln.

Siehe dazu auch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

The Third RWTH Open Innovation Accelerator Survey als Download

Es ist toll, dass die Studie nun als Download zur Verfügung steht: Diener, Kathleen & Piller, Frank (2019). The Third RWTH Open Innovation Accelerator Survey: The Market for Open Innovation: Collaborating in Open Ecosystems for Innovation (PDF).

Die Studie befasst sich mit Open Innovation Accelerators, die wie folgt beschrieben werden: “Open Innovation Accelerators (OIA) are intermediaries that operate on the behalf of companies seeking to innovate in cooperation with external actors from their periphery. OIAs offer one or several methods of open innovation and, in many instances, also provide supporting services for the innovation process. Their methods are especially focused on the integration of external actors. In consequence, OIAs facilitate the collaboration between an innovating company and its environment. They accelerate a company’s open innovation process” ebd. S. 19.

Diese Definition weist schon darauf hin, dass es hier bei Open Innovation um den Prozess von Unternehmen/Organisationen mit ihren organisationalen und technischen Grenzen geht, was grundsätzlich der Perspektive von Chesbrough (2003, 2006) entspricht.

Auf Eric von Hippel wird bei den beiden Informationstypen (S. 16) und beim Lead User Ansatz (S. 31) eingegangen. Dabei wird auch die Quelle Eric von Hippel (2005): Democratizing Innovation benutzt, ohne auf den besonderen Ansatz von Open Innovation bei Eric von Hippel hinzuweisen (Video: Framing an new user innovation Paradigm von 2013). Es ist natürlich verständlich, sich bei der Studie auf eine Perspektive – hier auf die von Chesbrough – zu fokussieren, doch hätte ich mir gewünscht, dass in dem Kapitel “What is Open Innovation?” auch auf den Bottom-Up-Ansatz von Eric von Hippel hingewiesen wird .

Die aktuellere Veröffentlichung Eric von Hippel (2016): Free Innovation ist in der Literaturliste nicht erwähnt. Dort macht der Autor deutlich, wie wichtig die Entgrenzung von Innovation durch Bottom-Up-Initiativen Einzelner schon heute ist, und in Zukunft noch stärker werden wird. Siehe dazu auch Was wäre, wenn wir Innovationen stärker Bottom-Up denken und fördern würden?

Free Innovation: Was wäre, wenn wir Innovationen stärker Bottom-Up denken und fördern würden?

Aktuell werden Ideen, Inventionen und Innovationen intensiv Top-Down gefördert, und damit gelenkt. Die Kreativwirtschaft (Ideen) bekommt ihren Anteil, die Forschung und Entwicklung (FuE und Patente), und Organisationen/Strukturen, die Innovationen auf den Markt bringen. Verbunden ist alles mit einem Preis-Verleih-Aktionismus, der auf organisationaler Ebene beginnt, und auf europäischer Ebene (erst einmal) endet. Diese grundsätzliche Denkweise (Paradigma), die auf Schumpeter zurückzuführen ist, ist so selbstverständlich geworden, dass wir kaum noch darüber nachdenken.

In den letzten Jahren wird allerdings zaghaft versucht, dieses Paradigma etwas zu öffnen. Dabei bezieht man sich oft auf Henry Chesbrough, der einen offenen Innovationsprozess in Organisationen befürwortet, und das dann Open Innovation nennt (Chesbrough 2003). Diese Perspektive ist deshalb so populär, da sie sich immer noch grundsätzlich daran orientiert, dass Innovationen von Unternehmen/Organisationen kommen. An dieser Stelle möchte ich weiterhin anmerken, dass die “Entgrenzung von Arbeit” – und den damit verbundenen Prozessen (auch Innovationsprozessen) – schon in den 1980er Jahren von Soziologen wie z.B. Beck (1986): Risikogesellschaft hervorgehoben wurde.

Der Top-Down-Perspektive auf Innovation stellt Eric von Hippel schon seit den 1980er Jahren eine Perspektive entgegen, die zeigt, dass Innovationen immer stärker von Anwendern/Usern entstehen. Diese User Innovation ist dabei nicht abhängig von Strukturen/Organisationen, sondern geschieht Bottom-Up. Eric con Hippels Studien haben gezeigt, dass es einen erheblichen Prozentsatz an Innovationen gibt, die in den klassischen Statistiken gar nicht auftauchen (vgl. dazu beispielsweise Eric von Hippel 2017:21). “Eventually, Kuhn writes, conflicts between the predictions of a reigning paradigm and real-world observations may become so pervasive or so important that they can no longer be ignored, and at that point, the reigning paradigm may be challenged by a new one (Kuhn 1962)” zitiert in Eric von Hippel (2017:11): Free Innovation.

Ich habe Eric von Hippel auf der MCPC 2007 am MIT in Boston, und Henry Chesbrough auf der MCPC 2011 in San Francisco erlebt (Konferenzen). Beide haben ihre Positionen vertreten, und auch viele erfolgreiche Beispiele und Studien zeigen können. Durch die Digitalisierung sind die Kosten für die Umsetzung eigener Ideen in Innovationen so niedrig geworden, dass meines Erachtens die Perspektive von Eric von Hippel deutlich an Schwung gewinnen wird. Unternehmen/Organisationen sollten diese Entwicklung beachten, und möglichst frühzeitig mit innovativen Personen kooperieren .