Eindrücke zu meinem Vortrag auf der MCPC 2011 in San Francisco

Obwohl ich schon auf recht vielen Konferenzen Vorträge gehalten habe (Veröffentlichungen), war es doch diesmal auf der 6. Weltkonferenz zu Mass Customization, Personalization and Co-creation etwas besonderes. Einerseits führte die Nähe zum Silicon Valley dazu, dass sehr viele bekannte Experten teilnahmen und die Qualität der Paper recht hoch war. Andererseits hatte ich ein Thema gewählt, das ich ausführlich in meiner Dissertation bearbeitet hatte, und gespannt war, wie die Teilnehmer darauf reagieren würden: Management of Uncertainty: The Key for Open Innovation. Nach meiner Präsentation gab es recht viele Fragen zu einzelnen Aspekten meines Vortrags – ein gutes Zeichen. Mein Thema hatte interessanterweise eine sehr gute Passung zum Vortrag von J. West, der unter anderem fragte, ob wir in der Diskussion um offene Innovationsprozesse ein neues/anderes Verständnis von Kompetenz benötigen. Aus meiner Sicht ja, denn ein erforderliches ebenenüberfreifendes Kompetenzmodell ist bisher nicht vorhanden. In meinem Buch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk skizziere ich ein entsprechendes Framework, das die Anforderungen (aus meiner Sicht) erfüllt.

Braucht Open Innovation aufgeschlossene Menschen mit emotionaler Intelligenz?

Ja, denn immerhin findet sich dieser Hinweis in den Zehn Voraussetzungen für eine erfolgreiche Open Innovation Kultur (entnommen aus dem Buch von Lindegaard). Ich möchte diesen Ansatz noch ein wenig erweitern und argumentieren, dass Mitarbeiter nicht nur emotionale Intelligenz, sondern multiple Intelligenzen benötigen, um diese dann als multiple Kompetenzen in einer komplexen Problemlösung einzubringen. Dieses Wechselspiel zwischen multiplen Intelligenzen als subjektive Leistungsvoraussetzung und objektiven Kompetenzanforderungen ist die Basis für das Konzept der multiplen Kompetenz als Emergenzphänomen auf den Ebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk (Freund 2011). Siehe dazu (Veröffentlichungen):

Freund, R. (2009): Multiple Competencies in Open Innovation Business Model. MCPC2009, 5th World Conference on Mass Customization and Personalization, 04.-08.10.2009, Helsinki, Finland

Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk. Dissertation, Verlag Dr. Kovac. Das Buch wird in die wissenschaftiche Reihe Wandlungsprozesse in Industrie- und Dienstleistungsberufen und moderne Lernwelten. Schriftenreihe des Graduiertenkollegs der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg von Prof. Dr. Bernd Dewe aufgenommen. Veröffentlichung im September 2011.

Kurtz, T.; Pfadenhauer, M. (Hrsg) (2010): Soziologie der Kompetenz

Das Buch Kurtz, T.; Pfadenhauer, M. (Hrsg.) (2010): Soziologie der Kompetenz greift einen interessanten Aspekt der Kompetenzdebatte auf, eben die Rolle des Kompetenzkonstrukts in der Soziologie. Auf der Website des Verlags für Sozialwissenschaften heisst es dazu: “Kompetenz ist als eigenständiges Thema in der Soziologie bisher nicht, jedenfalls nicht auffällig, in Erscheinung getreten. Wer im Rahmen der Sozialwissenschaften von Kompetenzforschung spricht, denkt vor allem an Disziplinen wie Psychologie und Pädagogik. Insbesondere in der Empirischen Bildungsforschung wird der Kompetenzbegriff seit einigen Jahren in das Zentrum vieler Untersuchungen gestellt. Ein Grund dafür, dass ‚Kompetenz’ bislang kaum in den Fokus von Soziologen geraten ist, dürfte darin bestehen, dass der Begriff in der Regel ausschließlich personengebunden und häufig kognitiv reduziert angewandt wird, während er in der Soziologie zumeist lediglich metaphorisch verwendet und mitunter gar gesamt- und teilgesellschaftlichen Institutionen und Organisationen zugeschrieben wird. Der Band versammelt theoretische und empirische Herangehensweisen an Kompetenz aus soziologischer Sicht. Die Beiträge klären dabei auch die Frage nach dem Sinn und Nutzen des Kompetenzbegriffs als soziologische Kategorie, um dergestalt den Boden zu bereiten für eine dezidiert soziologische Kompetenzforschung”. Dewe weist in seinem Beitrag auf Seite 116 z.B. auf folgenden wichtigen Punkt hin: “Kontextunspezifische bzw.  sozialkontextfreie Kompetenzen kann es im Rahmen eines sozialwissenschaftlichen Verständnisses nicht geben. Wissen und der Kontext der Anwendung von Wissen sind nicht zu trennen. Es handelt sich vielmehr um emergente Prozesse, welche nicht nach einer seite hin zu bestimmen bzw. aufzulösen sind.” In meinem Promotionsvorhaben (Promotionsskizze) weise ich auf die Kontextabhängigkeit des Kompetenzkonstrukts hin und entwickle mit Hilfe des Konzepts der Multiplen Kompetenz einen ebenenübergreifenden Ansatz (Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk). Siehe dazu auch Kernkompetenzen als Emergenzphänomene.

Dokumentation der bib-infonet-Konferenz zur Kompetenzerfassung online verfügbar

Im April 2009 fand in Österreich eine Konferenz zu folgenden Themen statt: “Informelles Lernen, Kompetenzen, Ansätze und Instrumente der Kompetenzerfassung, Validierung und Zertifizierung von Kompetenzen, Nationaler Qualifikationsrahmen für Österreich (NQR) und Europäischer Qualifikationsrahmen (EQR)”. Die jeweiligen Beitrag sind nun auf dieser Website online verfügbar. Der Profilpass wurde von Sabine Seidel vorgestellt. Wie Sie wissen, stehe ich einer Kompetenzbilanzierung kritisch gegenüber (Blogbeitrag), da diese Bilanzierung häufig out of context erfolgt. Ein wesentliches Merkmal von Kompetenzen ist allerdings, dass sie relational und kontextspezifisch sind. Siehe dazu auch Hartig/KLieme (2007) oder meine Anmerkungen zu Multiplen Kompetenzen.

Auf welchen Systemebenen laufen in Unternehmen Lernprozesse ab?

Lernprozesse in Unternehmen laufen nach Pawlowsky (2003) auf den Systemebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk ab. Diese Perspektive deckt sich mit dem Mehrebenenansatz in der Kompetenzdebatte (Wilkens 2004). Es wird deutlich, dass Lernen und damit verbunden die Kompetenzentwicklung auf den verschiedenen Ebenen in Zukunft immer wichtiger wird. Dabei stellen sich natürlich auch Fragen zum Umgang mit diesem komplexen (sozialen) System. Darüber hinaus ist im Unternehmensumfeld wichtig, dass man auf allen Ebenen zielgerichtet Handeln kann. Denn eins ist klar, die Existenzberechtigung der Unternehmen resultiuert aus der Fähigkeit Probleme zu lösen – und zwar komplexe Probleme. Diese Zusammenhänge arbeite ich gerade ein wenig in meiner Dissertation auf, in der ich der Frage nachgehe, ob das Konzept der Multiplen Kompetenz geeignet ist, ein entsprechendes Rahmenkonzept zu entwickeln…

Botthoff/Kriegesmann/Kublik/Schwering (2009): Kompetenz- entwicklung in Hightech-Feldern

Die Studie Botthoff/Kriegesmann/Kublik/Schwering (2009): Kompetenzentwicklung in Hightech-Feldern – Neue Wege für die wissenschaftliche Weiterbildung geht u.a. der Frage nach, welchen Beitrag eine neu zu interpretierende wissenschaftliche Weiterbildung zur Überwindung des Anwendungsstaus neuen naturwissenschaftlich-technischen Wissens leisten kann ( S. 5). Dabei beziehen sich die Autoren auf den Kompetenzbergriff (S. 13): “Grundvoraussetzung für Innovationen im Hightech-Bereich ist die Verfügbarkeit entsprechender Kompetenzen. Die verfügbaren Fähigkeiten stellen dabei die kognitive Basis für die Neukombination und Weiterentwicklung von Wissen in spezifischen Technologiefeldern dar und sind eine Funktion von explizitem (frei verfügbarem) und implizitem (personengebundenem) Wissen. Nur auf der Basis eines Sets entsprechender Wissensbestände besteht eine sinnvolle Option, neue wissensbasierte Lösungen zu erarbeiten.” Der hier angesprochene Kompetenzbegriff bezieht sich aus meiner Sicht noch zu sehr auf die rein kognitive Basis und sollte daher in Richtung einer Multiplen Kompetenz erweitert werden.

Innovation und Kompetenzen hängen zusammen – nur wie?

Sehen wir uns zunächst den Innovationsprozess in seinen (sehr) groben Schritten an: Hat jemand eine Idee, so ist er kreativ. Setzt er diese Idee in eine erste technische Lösung um, so hat man es mit einer Invention zu tun, die geschützt werden kann – z.B. durch ein Patent. Führt man diese Invention auch noch in den Markt ein, so liegt eine Innovation vor.  Von der Grundlagenforschung bis zur Markteinführung befasst sich das Innovationsmanagement damit, technologische Möglichkeiten (Technology Push) mit den Anforderungen des Marktes (Demand Pull) zusammen zu bringen – erst einmal unabhängig davon, ob es sich um Closed Innovation oder Open Innovation handelt. In diesem Zusammenhang wird immer wieder von den Kernkompetenzen eines Unternehmens gesprochen. Dabei ist kritisch anzumerken, dass die Fokussierung auf Kernkompetenzen auch zu einer Pfadabhängigkeit führen kann, die Innovationen blockiert. Auch das Finnische Ministerium für Arbeit und Wirtschaft (2009:4) weist auf den Zusammenhang zwischen Innovation und Kompetenz hin: “Innovation refers to a utilised competence-based competitive advantage.. A competence-based competitive advantage can emerge from scientific research, technology, business models, service solutions, design, brands or methods of organising work and production. Typically, an innovation is generated by a combination of different competencies. Capitalised as innovations, competence-based competitive advantages promote the advancement of businesses, society and wellbeing.“ Als internationaler Hot Spot in Sachen Innovation (Kao 2009) bestätigt das Finnische Ministerium zwar den Zusammenang Innovation/Kompetenz, gibt allerdings keinen Hinweis darauf, was man unter Kompetenzen (competencies) versteht. Doch gerade das ist entscheidend. Das zugrundeliegende Kompetenzverständnis (statisch-dynamisch, eine Kompetenz – multiple Kompetenzen usw.) ist wichtig für den Innovationsprozess. Wie Sie als Leser meines Blogs wissen, favorisiere ich ein Kompetenzverständnis, das sich an dem Konzept der Multiplen Kompetenz orientiert. Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk ist auch mein Dissertationsthema (Promotionsskizze | Veröffentlichungen)

Organisatiorischer Intelligenz-Quotient (OIQ): Was soll man davon halten?

Im Moment ist ja alles intelligent: Intelligente Häuser, Autos, Business Intelligence, Kollektive Intelligenz, Swarm Intelligence usw. Darüber hinaus geht es auch immer wieder um den Intelligenz-Quotienten, den ich in meinem Blog ja immer wieder infrage stelle. Im Beitrag North/Pöschel (2002): Intelligente Organisationen weisen die Autoren auf die Möglichkeit hin, einen Organisatorischen Intelligenz-Quotienten (OIQ) bestimmen zu können. Die Ähnlichkeit zum IQ ist bewusst hergestellt worden. Die Autoren verweisen auf den berechtigten Zusammenhang von Problemlösen und Intelligenz und erwähnen das triarchische Konzept von Sternberg und Gardners Multiple Intelligenzen Theorie. Dabei nennen North/Pöschel nur sechs der 7-9 Intelligenzen und deuten nicht darauf hin, dass die Multuple Intelligenzen Theorie kontextabhängig ist. Die Kontextabhängigkeit ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum IQ, der hier out-of-context bestimmt wird. Die Multiple Intelligenzen Theorie, Emotionale Intelligenz und Sternbergs Konzept sind mit der Gaußschen-Normalverteilung des IQ nicht vereinbar. Beim Verweis auf Emotionale Intelligenz beziehen sich die Autoren auf Goleman und nicht auf Salovay/Mayer 1990 oder Mayer/Salovay 1993. In der Matrix zur Bestimmung des Organistorischen Intelligenz-Quotienten wird der Hinweis auf die Emotionale Intelligenz aufgelistet (Multiple Intelligenzen nicht), obwohl ja auch dieses Konstrukt den IQ infrage stellt… Eine Skalierung der einzelnen Fragen führt dann zu einem Organisationalen Intelligenz-Quotienten. Der hier vorgestellte Organisationale Intelligenz-Quotient (OIQ) kann aus meiner Sicht nicht genutzt werden. Organisationen müssen heute komplexe Probleme bearbeiten – aus der Komplexitätsforschung kann schon hergeleitet werden, dass die Gaußsche Normalverteilung kein geeignetes Mittel ist: IQ aus der Sicht der Komplexitätsforschung. Möglicherweise kann ein ebenenübergreifender Ansatz mit Hilfe der Konzepts der Multiplen Kompetenz entwickelt werden. Mit solchen Fragen befasse ich mich auch in meiner Disertation (Promotionsskizze).

Wirtschaftswissenschaften beachten zu wenig die weichen, psychologischen Faktoren

Vier Ökonomen der US-Notenbank haben analysiert, wie es zu der Finanzmarktkrise kommen konnte. In dem Artikel Warum hat niemand die Krise kommen sehen? (Olaf Sorbeck, Handelsblatt vom 19.01.2009) steht am Ende (für manche) Erstaunliches: “Alles in allem stützt die Studie die Sicht des Yale-Ökonomen Robert Shiller. Dieser macht im Kern psychologische Faktoren wie überzogenen Optimismus für die Krise verantwortlich. ´Die Hauptursache ist die menschliche Natur´, sagt Shiller. ´Wir haben uns von den steigenden Immobilienpreisen einfach davontragen lassen.´ In der traditionellen Wirtschaftswissenschaft werden solche ´weichen´, psychologischen Faktoren kaum beachtet. Die ökonomische Unfallermittlung zeigt: Das war ein fataler Fehler.” Es wird also Zeit, dass die weichen, psychologischen Faktoren in den Wirtschaftswissenschaften beachtet werden: Das Bild des Homo Oeconomicus hat ausgedient. Ich gehe in meinem Promotionsvorhaben der Frage nach, ob das Konzept der Multiple Kompetenz (Multiple Intelligenzen) dazu einen Beitrag leisten kann.

Goleman, D.; Boyatzis, R. (2008): Social Intelligence and the Biology of Leadership

Der Artikel Goleman, D.; Boyatzis, R. (2008): Social Intelligence and the Biology of Leadership (Harvard Business Review, September 2008) befasst sich mit Sozialer Intelligenz von Führungskräften und bezieht sich dabei deutlich auf die von Goleman schon lange vertretene These, dass die Emotionale Intelligenz im Geschäftsleben (für Führungskräfte) wichtig ist. Der Artikel ist ohne weitere Quellenangaben eher eine Beschreibung der Situation, dass der Homo Oeconomicus und damit auch der “Manager Oeconomicus” [eigene Wortschöpfung] nicht mehr zeitgemäß sind. Was fehlt ist der Hinweis, dass die Emotionale Intelligenz bzw. die Soziale Intelligenz  und auch andere Intelligenzen (inkl. des IQ) Bestandteile der Multiple Intelligenzen Theorie sind, die Howard Gardner seit 1983 vertritt. Mit Emotionaler (Sozialer) Intelligenz alleine kommt man im Geschäftsleben auch nicht voran. Darüber hinaus ist auch zu klären, ob die beschriebenen Phänomene auf die Soziale Intelligenz der Personen zurückzuführen sind, denn dann wäre es eine Ursache-Wirkung-Beziehung, die z.B. Neuweg (2004) als Intellektualistische Legende kritisiert… Neuweg bezieht sich dabei auf Ryle und vertritt die Ansicht, dass sich die Intelligenz selbst in der Handlung zeigt… In meinem Promotionsvorhaben gehe ich u.a. diesen Fragen nach. Natürlich können Sie sich auch einige meiner Veröffentlichungen dazu ansehen.