In dem Artikel Die andere Frankfurter Schule – zum Tode von Karl Otto Hondrich (Konrad Adam, DIE WELT vom 20.01.2007, Seite 27) findet man folgende Passage: “Man hat die Soziologie als die Wissenschaft vom Menschen in der Mehrzahl bezeichnet. Nicht was der Einzelne tut, denkt oder will, sondern wie die vielen reagieren, aus welchen Gründen und mit was für Folgen, erregt die Neugier.” Genau solche Effekte sind Kerngedanken von Open Innovation, Crowdsourcing, Swarm Intelligence usw. Natürlich unterstützt durch die neuen technologischen Möglichkeiten – ja. Dennoch macht es Sinn, diese “neuen” Konzepte noch viel stärker aus der soziologischen Perspektive und nicht nur aus der technischen Perspektive zu betrachten. Also auf einer soziologischen Basis aufbauend, die technologischen Möglichkeiten nutzen. Im Jahr der Geisteswissenschaften 2007 ist das ein guter Gedanke – was meinen Sie?
Intellektuelles Kapital und Multiple Intelligenzen?
Joyce Martin (2001:79) beschreibt den Zusammenhang so: “Soll ein Unternehmen überleben, muss es daher jedes verfügbare Instrument nutzen, nicht nur seine physischen Vermögenswerte, sondern auch sein intellektuelles Kapital zu erkennen. Eines dieser Instrumente, der Einsatz der vielfachen Intelligenzen, könnte genau diesen Wettbewerbsvorteil bringen, den ein Unternehmen braucht, um gegen die Herausforderungen des globalen Marktes zu bestehen.“ (Martin 2001:79). Dem kann ich mich nur anschließen …
Funke, J. (2006): Alfred Binet (1857-1911) und der erste Intelligenztest der Welt
In dem Beitrag beschreibt Joachim Funke eindrucksvoll den Weg zum ersten Intelligenztest der Welt. Interessanter ist allerdings für mich folgendes (Seite 38): “Inhaltlich hat sich das Intelligenzkonzept in den letzten 100 Jahren ausdifferenziert (vgl. Funke u. Vatterodt-Plünnecke 2004): An der Stelle einer einzigen Intelligenzdimension (´general intelligence´, g-Faktor) ist heute die Konzeption multipler Intelligenzen im Sinne unterschiedlicher Teilkompetenzen (z.B. logisches Schlussfolgern, verbale Intelligenz, kreatives Problemlösen, emotionale Kompetenz, Körperbeherrschung) getreten, für die jeweils andere Erfassungsinstrumente benötigt werden.”
Ein deutlicher Hinweis auf die Multiple Intelligenzen Theorie von Gardner. Siehe dazu auch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.
Multiple Intelligenzen in Kindergärten nutzen
In seinem Gutachten aus dem Jahr 2002 Entwurf eines normativen Rahmens für die Bildungsarbeit in Brandenburger Kindertagesstätten geht Ludger Pesch ausdrücklich von Gardner´s Multiple Intelligenzen Theorie aus. Auf Seite 34 heißt es: “Der Unterschied zwischen einer Themenliste wie dem schwedischen Curriculum und dem Intelligenzkonzept Gardners wurde weiter oben schon benannt, er liegt vor allem in der Perspektive: Während das Curriculum Themen und Wissensgebiete aus erwachsener Perspektive nennt, die dem Kind zu erschließen sind, formuliert Gardner Rezeptionsbereiche des menschlichen Geistes, nimmt also die Perspektive des Individuums ein. Die weitgehende Überschneidung könnte dann auch so verstanden werden, dass die menschlichen Intelligenzen eben auch die entsprechenden Wirklichkeiten hervorgebracht haben, die zu Kulturgütern der Menschheit wurden. Dieses Gutachten folgt in seiner Logik im wesentlichen dem Gardner’schen Ansatz, weil er dem Selbstbildungsansatz entspricht, damit aufmerksam macht für die Fragen von Kindern und eine pädagogisch-kulturelle Kolonialisierung der Kindheit vermeidet.”
Launonen, A.; Raehalme, O. (2003): IQ-Team – more together
Dieses Guidebook for Working Together ist online verfügbar und für die Zusammenarbeit virtueller Gruppen gedacht. Die PDF-Version können Sie sich hier herunterladen (10MB). Das Handbuch verknüpft praktische Ratschläge mit theoretischen Grundlagen. Die Website ist Bestandteil der IQ-Plattform der Finnish Virtual University, die sich dabei unter anderem auf die Multiple Intelligenzen Theorie stützt. Im Rahmen des EU-Projekts MIapp habe ich diese Plattform mit EDUCE verglichen. Darüber hinaus wird in der Abschlussdokumentation auch ein Vergleich mit unserem MIapp-Tool zu finden sein. Etwas unglücklich finde ich den Titel IQ-Form, da dieser doch sehr an den IQ (Intelligenz-Quotienten) erinnert. IQ-Form meint aber hier, Intelligent Questionnaire …
Ojo/Olakulain (2006): The Place of Multiple Intelligence in Achieving the Objectives and Goals of Open and Distance Learning Institutions: a critical analysis
Der Beitrag von Ojo und Olakulain wurde veröffentlicht im Turkish Online Journal of Distance Education-TOJDE July 2006 ISSN 1302-6488 Volume: 7 Number: 3 Article: 1. Interessant ist dieser Artikel, weil er auf den Zusammenhang zwischen Open Distance Learning (ODL) und Multiple Intelligence eingeht (Darauf hatte ich grundsätzlich in meinem Vortrag auf der ELearnChina2003 hingewiesen). Die Autoren stellen darüber hinaus auch ein neues Modell zur Diskussion: “The model conceives effective team and group activities as a product of multiple intelligence. This view is completely opposed to the great-man conception of team/group direction in which superior intelligence is seen as being vested in a particular individual or cadre of individuals who are solely responsible for developing policy direction for the effectiveness of organizational functioning. Each of the organizational subsystems within the open and distance learning system can only succeed if the dynamic interplay between the various admixtures of skills present within the subsystem is effectively annexed to in the operations of the sub-system. This is the micro-application of the concept of multiple intelligence in the development of departmental goals and objectives as well as the means of achieving these group objectives.”
DIE ZEIT vom 30.11.2006: Macht Musik (Mit Hinweis auf die Multiple Intelligenzen Theorie)
Dieser Beitrag (DIE ZEIT vom 30.11.2006) hat mich positiv überrascht, denn es wird hier ausdrücklich auf die Multiple Intelligenzen Theorie von Howard Gardner hingewiesen: “Der renommierte amerikanische Kognitionspsychologe Howard Gardner etwa hat eine Intelligenztheorie entwickelt, die auch emotionale und soziale Fähigkeiten einschließt. Er hält die musikalische Intelligenz für eine der wichtigsten Teilintelligenzen des Menschen.” Wenn Sie mehr über die Multiple Intelligenzen Theorie erfahren wollen, so informieren Sie sich doch einfach auf der Website des von mir initiierten EU-Projekts MIapp, auf meiner Website oder in meinem MI-Blog. Je mehr über die Multiple Intelligenzen Theorie wissen, umso besser.
QUEM Report Teil 2 (2006): Metakompetenzen und Kompetenzentwicklung
In dem QUEM-Report Teil 2 geht es den Autoren Bergmann/Daub/Meurer um “Metakompetenzen und Kompetenzentwicklung in systemisch-relationaler Sicht. Selbstorganisationsmodelle und die Wirklichkeit von Organisationen.” Neben vielen interessanten Aspekten der Kompetenzdebatte gehen die Autoren auch der Frage nach, ob es eine Metakompetenz gibt. Die Frage ist deshalb so interessant, weil sie an die Intelligenzdebatte erinnert. In der Intelligenzdebatte geht es darum, ob es eine Intelligenz gibt oder möglicherweise mehrere, viele oder auch Multiple Intelligenzen. In dem QUEM-Report Teil 2 gehen die Autoren auch wirklich auf die Frage ein, und beziehen sich dabei ausdrücklich auf Gardner. Auf Seite 27 findet man folgenden Hinweis : “Zur Kategorisierung von Persönlichkeitsmerkmalen und damit auch Kompetenzen verweisen wir auf die Modelle des Brain Mapping und der Persönlichkeitsforschung (Bergmann 2001, S. 272 ff.; 2003 d; Roth 2001, S. 171 ff.; Gardner 1985, 1998).” Das ist umso erstaunlicher, da die Multiple Intelligenzen Theorie von Gardner in Europa doch eher kritisch beurteilt wird (Siehe dazu auch das von mir initiierte EU-Prokekt MIapp). Im folgenden Text kommt es aber doch noch zu einer unterschiedlichen Interpretation auf Seite 113: “In Anlehnung an Howard Gardner lassen sich einige herausragende Persönlichkeiten der Geschichte als metakompetent beschreiben. Während Gardner Teilkompetenzen und spezifische Intelligenzbereiche mit Persönlichkeiten verknüpft, setzen wir bei metakompetenten Akteuren eine universelle Kompetenz voraus, die sich gerade nicht auf Spezialbereiche beschränken darf (Gardner 1991).” Ich glaube, dass hier Gardner nicht richtig dargestellt wird. Nach Gardner können die verschiedenen Intelligenzen in einer Domäne aktiviert werden. Insofern setzt Gardner Intelligenzen nicht direkt mit Kompetenzen gleich. Auch Rauner (2004) zeigt auf, dass es zwar Überschneidungen bei den beiden Konstrukten gibt, aber Intelligenzen und Kompetenzen nicht gleichzusetzen sind. “Statt dessen sollten wir Intelligenz eher verstehen als die Fähigkeit, aus seinen Stärken ´Kapital zu schlagen´ und seine Schwächen zu kompensieren. Jeder Mensch verfügt über unterschiedliche Konfigurationen von Intelligenzen (Aissen-Crewett 1998:55-57)”. Es lohnt sich daher, die Intelligenz- und Kompetenzdebatte genauer zu beobachten.
Hans Magnus Enzensberger: Im Irrgarten der Intelligenz. In: Neue Zürcher Zeitung vom 11. November 2006
In dem Beitrag geht es um die Irrungen der Intelligenzmessung: “Alle gravierenden Einwände nützen nichts: Menschen werden mit Intelligenztests weiterhin traktiert und taxiert.” Ein lesenswerter Artikel mehr der zeigt, wie kritisch die IQ-Bewegung gesehen werden sollte. Möglicherweise zeigt die Multiple Intelligenzen Theorie in eine neue Richtung. Verschiedene Anzeichen sprechen meines Erachtens dafür. Siehe dazu die Beiträge in meinem MI-Blog.
Danfoss Universe und die Multiple Intelligenzen Theorie
In dem International Report (The Washington Times 2006) wird zunächst auf die große Bedeutung der Bildung in Dänemark hingeweisen: “If education were a national currency, Denmark’s stock would be climbing fast. For good reason, Denmark invests eight percent of its Gross Domestic Product in education, more than any other country in the world.” In diesem Licht verblassen alle wichtigen und unwichtigen Reden zum Thema Bildung in Deutschland (inkl. der Rede des Bundespräsidenten vom 21.09.2006). Weiterhin wird ausdrücklich auf eine Initiative der Firma Danfoss (Dänemark) hingewiesen: “Take Danfoss Universe, an investment in educating the next generation of Danes made by one of Denmark’s most successful business icons, Jorgen Mads Clausen, the CEO of Danfoss group. Clausen feels that education is the key to economic success and had a vision to start an experience park that promoted hands on learning through play.” Beeindruckend ist dabei weiterhin, dass sich Danfoss ausdrücklich auf Gardner´s Multiple Intelligenzen Theorie bezieht: “For example, Harvard professor Howard Gardner, mastermind behind the theory that children are gifted with multiple intelligences, helped create ´Explorarama´, a section of Danfoss Universe. This hands on game facility challenges children in Gardner’s seven types of intelligences. When a child finishes exploring they are congratulated by a cartoon friend on a computer screen for being ´an awesome athlete´, or ´super creative´ based on their scores.” Natürlich ist das hier angesprochene “scoring” kritisch zu hinterfragen, denn man kommt leicht in die Versuchung, Multiple Intelligenzen wie den klassischen IQ zu messen. Das ist aber aus Sicht der Multiplen Intelligenzen Theorie nicht möglich. Andererseits sollte man diese Initiative unter der Überschrift sehen, dass auch in Europa immer mehr Organisationen (Bildungsinstitute und Unternehmen) die Vorteile der Multiplen Intelligenzen Theorie erkennen, und entsprechende Projekte initiieren.