Auf dem e.day 2006 hat Mark H. Hansen das Konzept von LEGO vorgestellt. Die Präsentation (Englisch) wurde am 08.08.2007 als Video bei Youtube eingestellt. Es ist interessant zu sehen, wie Lego Mass Customization umsetzt. Auf den verschiedenen MC-Konferenzen, an denen ich teilgenommen habe, war auch immer ein Vertreter von Lego, um von dem Stand der Umsetzung zu berichten. Es war über die Jahre interessant zu sehen, wie sich das Konzept immer weiter entwicklet hat. Schauen Sie sich dazu bitte auch die Software Lego Digital Designer an. Laden Sie sich das Programm einfach herunter, und schon geht es los. Weiterhin sollten Sie berücksichtigen, dass Lego schon den nächsten Schritt gemacht hat: Von Mass Customization zu Open Innovation. Dabei bezieht man die Lego-Community LUGNET bewusst in die Wertschöpfung mit ein: “International LEGO Users Group Network, global community of LEGO enthusiasts. LUGNET unites LEGO fans worldwide through forums, web pages, and services”.
Schuhe für das 21. Jahrhundert? – Warum nicht gleich richtig?
In der Financial Times Deutschland berichtete Matthias Thiele am 13.08.2007 unter der Überschrift Schuhe für das 21. Jahrhundert über Blakebest, einer Arbeitsgemeinschaft verschiedener Schuhmacher, die Netzwerkeffekte und Skaleneffekte nutzt, um individuelle Schuhe etwas kostengünstiger herstellen zu können: Statt 1.500 EUR nun 590 EUR. Es ist gut zu sehen, wie das Netzwerk von Schuhmachern ihr Wissen teilt, und wie man dadurch in gewisser Weise etwas wettbewerbsfähiger geworden ist. Gegenüber den klassisch massenproduzierten Schuhen aus Fernost, hat man allerdings immer noch den enormen Preisunterschied zu beachten. Um “wirklich” wettbewerbsfähig zu werden hat die Europäische Union schon vor Jahren das Projekt EURO-SHOE gestartet, in der die hybride Wettbewerbsstrategie Mass Customization (kundenindividuelle Massenproduktion) mit Erfolg auf die Schuhbranche übertragen wurde (Customer animation, Dreaming a shoe zip-Datei). In der Zwischenzeit gibt es schon das Folgeprojekt CECSHOE. Das sind die Konzepte für Schuhe für das 21. Jahrhundert. Ich habe an vielen Weltkonferenzen zu Mass Customization teilgenommen und erfahren, wie Mass Customization in der Schuhindustrie erfolgreich umgesetzt werden kann. Neben vielen Konferenzpapieren gibt es allerdings auch konkrete Maschinen und Anlagen, mit denen kundenindividuelle Massenschuhe hergestellt werden können (D&MC Lab am Institute of Industrial Technologies and Automation). Ich frage mich häufig: Warum werden diese Chancen so wenig genutzt? Ein Grund dafür könnte sein, dass Redakteure einfach nicht ausführlich genug recherchieren und nur an der Oberfläche eines Themas ´kratzen´. Durch Mass Customization in der Schuhindustrie (aber auch in der Textilindustrie usw.) könnten durchaus wieder Arbeitsplätze aus Asien nach Europa zurückgeholt werden. Siehe dazu auch folgende Blogbeiträge (um nur einige zu nennen):
- Mass Customized Shoes: So wird es gemacht
- Self-Customization within the Shoe-Industry
- Selve – The shoe individualizer
- Was haben die großen Füße der Südafrikanerinnen mit Mass Customization zu tun?
- Maßgeschneidert ist nicht Mass Customization
- Mass Customization in der Bekleidungsindustrie wird immer erfolgreicher
- Beispiele (Auswahl)
- MCPC2007 am MIT in Bosten: 07.-09.10.2007
Jørgensen, T. R. (2007): Arkitektur og Mass Customization (Architektur und Mass Customization)
Auf der dänischen Website des CINARK – Center of Industrialised Architecture findet man unter anderem eine Veröffentlichung von Thomas Ryborg Jørgensen (2007): Arkitektur og Mass Customization. Gut, die Veröffentlichung ist in Dänisch, dennoch finde ich es spannend zu sehen, in welchen Bereichen Mass Customization umgesetzt wird. Wäre es nicht toll, Gebäude mass customized herstellen zu können? Möglicherweise würde dann die Eigenheimquote in Deutschland/Europa steigen….
WIRED mit customized cover in der Juli-Ausgabe
Die Zeitschrift Wired hat vor einigen Monaten dazu aufgerufen, Fotos inkl. Standortbestimmung an die Redaktion zu senden. 5000 glückliche Leser wurden ausgesucht und die Titelseite mit Foto inkl. Aufenthaltsort (mit Hilfe von Google-Maps) gedruckt. Die Resonanz war überwältigend positiv. Ein deutliches Ausrufezeichen dafür, dass es in Zukunft einen starken Trend in Richtung von Mass Customized and Personalized Zeitungen geben wird. Schauen Sie sich doch einmal die Diashow dazu an. Auch in der Süddeutschen Zeitung wurde am 29.07.2007 unter der Überschrift Leser auf dem Cover darüber berichtet. Darin kommt man allerdings ein wenig mit den Begriffen durcheinander: “Diese bekamen eine personalisierte Ausgabe des Heftes – mit einem so genannten ´customized cover´, einem Titelbild also, das nicht extra für sie gedruckt wurde, sondern auch sie selber zeigt.” In der hybriden Wettbewerbsstrategie Mass Customization and Personalitzation werden diese beiden Begriffe (sinnvollerweise) unterschieden. Dennoch kann man gespannt sein, denn: “Da, wo die Möglichkeiten der Personalisierung ausprobiert werden, treffen sich die Interessen der Print-Manager und der Leser des Magazins.” Mal sehen, wie es weitergeht…
Was versteht man unter Individualisierung?
Der Trend zur Individualisierung ist Voraussetzung für Mass Customization and Personalization. Doch was versteht man unter “Individualisierung”? In Kirchhöfer (2004:25) findet man folgende Beschreibung: “Individualisierung bezeichnet die Freisetzung des Individuums aus traditionellen Bindungen und Zwängen und die Erweiterung der individuellen Handlungsoptionen und Entscheidungsmöglichkeiten zur autonomen Gestaltung von Lebensführungen und Lebensverläufen.” Neben der gesellschaftlichen Dimension der Individualisierung kommt der wirtschaflichen Dimension eine große Bedeutung zu. Der Kunde möchte individuelle Produkte und Dienstleistungen zu annehmbaren Preisen. Mit Hilfe von Mass Customization ist das heute möglich, dabei sollten die vier Ebenen (und nicht nur zwei) der Strategie beachtet werden. Gerade die Erweiterung der individuellen Handlungsoptionen macht es vielen Kunden aber auch schwer, sich zu entscheiden (Siehe dazu auch den Blogbeitrag The Paradox of Choice). Darüber hinaus führt der Trend zur Individualisierung auch zu weniger Fremdorganisation und somit zu mehr Selbstorganisation. Auch das macht vielen Menschen Schwierigkeiten, denn sie waren gewohnt, dass andere (Staat, Unternehmen, Vorgesetzte usw.) für sie viele Lebensbereiche organisierten. Die Fähigkeit zur Selbstorganisation ist in diesen Zeiten für Individuen und Organisationen existenziell geworden (Siehe dazu auch Kompetenz als Selbstorganisationsdisposition).
Maß-Geschneidert ist nicht gleich Mass Customization
In der letzten Zeit fühlt sich scheinbar jeder bemüßigt und in der Lage, etwas zu Mass Customization zu schreiben. Der Tenor: Bei Mass Customization handelt es sich um “maß-geschneiderte” Produkte. Das ist ein Trugschluss, denn individuelle (“maß-geschneiderte”) Produkte und Dienstleistungen gibt es schon sehr lange. Diese Produkte und Dienstleistungen waren (und sind) häufig sehr teuer. Mass Customization verlangt aber, dass diese individualisierten (customized, personalized) Angebote zu Preisen angeboten werden, die denen einem massenhaft prodizierten Angebot in etwa gleich kommen. Darüber hinaus, sollte eine Mass Customization Strategie noch eine lernende Beziehung zum Kunden aufbauen und einen Solution Space anbieten, der hohe Produktvariation bei relativ stabilen Prozessen gewährleistet. Bitte schauen Sie sich die vier Ebenen von Mass Customization genau an, denn es gibt sehr viele Mißverständnisse. Das ist auch wohl der Grund, warum viele Unternehmen meinen, schon Mass Customization umgesetzt zu haben. Dem ist allerdings oft nicht so.
Warum weist man nicht auf Mass Customization and Personalization bzw. Open Innovation hin?
Unter der Überschrift Hardware-Hersteller entdecken Web 2.0 schreibt Dirk Nolde heute in DIE WELT über “Wii” und “Mii”. Dabei analysiert der Autor die Erfolgsformel von Nintendo: “Personalisierung plus Gemeinschaft”. Dieser Ansatz der Personalisierung (Personalization, Mass Customization) bei gleichzeitiger gemeinschaftlicher Entwicklung (Open Innovation) deutet auf hybride Wettbewerbsstrategien hin. Ich frage mich bei solchen Kommentaren immer, warum die Autoren nicht deutlich machen, dass es sich um neue Wettbewerbsstrategien handelt, die schon in vielen Branchen erfolgreich eingesetzt werden (Beispiele zu Mass Customization). Die Redakteure scheinen über die reine Beschreibung von Phänomenen nicht mehr hinauszukommen. Recherchearbeit sollte allerdings weiter gehen.
Test: Konfiguratoren in der Automobilindustrie
In dem Artikel Plan schon mal den Wagen vor (DER SPIEGEL vom 28.06.2007) berichtet Roman Büttner von den in der Automobilindustrie eingestezten Konfiguratoren. Mit diesen Programmen können Benutzer ein Auto über die Website des Herstellers zusammenstellen (konfigurieren). Der Test stellt den Herstellern kein gutes Zeugnis aus. Nur der Konfigurator von RENAULT bekam von dem (subjektiven) Tester die Note Eins. Alle anderen hatten mehr oder weniger Große Mängel. Aus Sicht der Mass Customization ist der Konfigurator ein wichtiges Element der Solution Space Ebene (Vier Ebenen von Mass Customization). Ich habe den Eindruck, dass die Konfiguratoren zu wenig aus Kundensicht und zu sehr aus Unternehmenssicht entwickelt werden. Darüber hinaus werden die wichtigen Erkenntnisse von Barry Schwartz (The Paradox of Choice) ignoriert, usw. Falls die Automobilindustrie nicht nur mehr Varianten, sondern irgendwann einmal kundenindividuelle Massenproduktion (Mass Customization) umsetzen will (muss?), sollte man bei den Konfiguratoren beginnen, und dabei mehr auf den Kunden hören (Siehe dazu auch CAR INNOVATION 2015).
Studie: CAR INNOVATION 2015
Es sind schon beeindruckende Zahlen, die die Studie Car Innovation 2015 (Automobil-Produktion Juni 2007) liefert: Bis 2015 werden in der Autoindustrie ca. 800 Milliarden Euro ausgegeben. 40%, also ca. 320 Milliarden Euro, werden davon “in den Sand gesetzt” (Siehe dazu Autoindustrie forscht am Markt vorbei , DIE WELT vom 23.06.2007). Beeindruckende und bedrückende Zahlen die zeigen, dass die Automobilindustrie immer noch dem produktionsorientierten, produktorientierten, beziehungsweise verkaufsorientierten Marketing verfallen ist. Bei diesen Product-Out-Philosophien fängt der Marketingprozess in dem Unternehmen (Fabrik) an, wogegen ein marketingorientiertes Konzept mit dem Kunden beginnt.
Ich glaube dennoch, dass die Marktforschung in der Automobilindustrie weiss, was der Kunde möchte, nur passt das nicht zu den Strukturen in den Großkonzernen und daher werden die Anforderungen in den jeweiligen Wertschöpfungsstufen verwässert. Wie kommt es, dass einem diese Gedanken bekannt vorkommen? Ach ja, die gleichen Sätze kann man in der IMVP-Studie von Womack/Jones/Roos nachlesen, die Ende der 80er Jahre erschienen ist. Das dazugehörende Buch “Die zweite Revolution in der Autoindustrie” haben die meisten wohl nur unter der Überschrift “Lean Production” gelesen, wobei kaum einer weiss, dass damit das Toyota-Produktions-System gemeint war. Dieses Toyota-Produktions-System wird in der IMVP-Studie eng gekoppelt mit der “Hand-am-Markt-Forschung”. Die anderen Teile des Standardwerks waren somit auch lesenswert. Leider hat die einschlägige Presse fast nur über “Lean Production” geschrieben (Anmerkung: Und das auch noch ziemlich ungenau). Seit fast 20 Jahren hat sich also an der so wichtigen Schnittstelle zu Kunden (zum einzelnen Kunden) wenig geändert – beeindruckend, wie beharrlich Strukturen in Trampelpfaden verharren können (Siehe dazu auch diesen Blogbeitrag).
Es wird in der Automobilindustrie oft von Innovationen gesprochen. Die Studie zeigt auf, dass dieser Innovationsprozess (Closed Innovation) grundlegend verbessert werden muss. Darüber hinaus sollte auch schon an den nächsten Schritt gedacht werden: Open Innovation. Die Studie empfiehlt: Einfach mal den Kunden fragen. Diesen Tipp kann man im Sinne der von Reichwald/Piller propagierten Interaktivern Wertschöpfung als Integration des Kundenwissens in die Wertschöpfungskette deuten.
Online-Test: Ist Mass Customization etwas für meine Organisation?
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Mass Customization in den verschiedenen Branchen erfolgreich umgesetzt werden kann (Beispiele). Dennoch fragen sich immer wieder Verantwortliche in den unternehmen, ob Mass Customization etwas für ihre spezielle Organisation ist. Gemeinsam mit meinen Partnern habe ich einen Online-Test zu Mass Customization entwickelt (englischsprachig), der sich an den Untersuchungen von Pine orientiert. Bei jeder Frage geht es darum zu klären, wie sich der genannte Aspekt in den Jahren 2000 bis 2005 (oder bis heute) verändert hat. Am Ende können Sie sich dann eine kleine Grafik anzeigen lassen die zeigt, ob Mass Customization etwas für Ihre Organisation ist. Probieren Sie es einfach einmal aus.