Mass Customization als hybride Wettbewerbsstrategie basiert auf vier Bereichen. Gerade in dem von Konfiguratoren unterstützten Lösungsraum (Solution Space) ermöglicht es Kunden, zu experimentieren. Dabei erfahren die Kunden auch, welche Präferenzen sie haben und was ihnen nicht zusagt. In dem Beitrag Individuelle Massenware: So lässt sich mit Mass Customization der Umsatz steigern (impulse vom 22.02.2014) beschreiben die Forscher der Wirtschaftsuniversität Wien diesen Zusammenhang wie folgt: “Je länger Kunden herumspielen, desto besser lernen sie ihre eigenen Bedürfnisse kennen. Sie verstehen nach und nach, was ihnen wichtig ist und können sich ihr Produkt maßschneidern. Für die Unternehmen zahlt sich dieser Lernfaktor in einer drastisch erhöhten Zahlungsbereitschaft aus. Unternehmer sollten ihre Toolkits also so überarbeiten, dass sie diesen Lernfaktor bestmöglich unterstützen.” Mass Customizer sollten also wissen, wie ihre Kunden mit Hilfe von Technologien lernen. Ich erlebe allerdings noch zu häufig, dass sich die Unternehmen mit Prozessen (Organisation) und Technologie, allerdings nicht mit den Menschen (Der Kunde als Mensch) befassen. Das hier angesprochene TOM-Modell ist aus dem Wissensmanagement bekannt und zeigt auf, dass gerade Menschen aus Informationen Wissen situativ konstruieren. Lernen und Wissen sind somit zwei Seiten einer Medaille. Es ist daher Unternehmen – die Mass Customization nutzen wollen – zu empfehlen, sich stärker mit Lernprozessen auf der individuellen Ebene, Gruppenebene, organisationalen Ebene und Netzwerkebene zu befassen.
Wilson, S. D.; Mujtaba, B. G. (2007): The Relationship Between Multiple Intelligences, Culture And Diversity
In den letzten Jahren gibt es immer mehr Beiträge, die sich mit Multiple Intelligenzen in Unternehmen befassen. Bisher wurde die Multiple Intelligenzen Theorie vorwiegend im Bildungsbereich verwandt, um (individuelle und kollektive) Lernprozesse besser zu ermöglichen. Da sich Unternehmen immer mehr als Lernende Organisationen verstehen ist es allerdings kein Wunder, dass die Multiple Intelligenzen Theorie nun auch verstärkt in Unternehmen eingesetzt wird. Ein weiterer Grund ist, dass Manager die unterschiedlichen Talente der Mitarbeiter nutzen wollen. Die Multiple Intelligenzen Theorie von Howard Gardner bietet dafür eine gute Grundlage. Der Artikel Wilson, S. D.; Mujtaba, B. G. (2007): The Relationship Between Multiple Intelligences, Culture And Diversity ist erschienen in International Business & Economics Research Journal – August 2007 Volume 6, Number 8 stellt diese Zusammenhänge gut dar. Wie Sie als Leser meines Blogs wissen, befasse ich mich in meinem Blog und in meinem Promotionsvorhaben mit diesen Themen. Siehe dazu auch Multiple Intelligenzen in Unternehmen?, Gemeinsam sind wir blöd!? oder Über den Unsinn von Intelligenztests.
APOSDLE (2006): Workplace Learning Study
Das EU-Projekt APOSDLE befasst sich mit Lernen am Arbeitsplatz und hat die Workplace Learning Study veröffentlicht (Das deutsche Leitprojekt QUEM zur Kompetenzforschung würde es eher Lernen im Prozess der Arbeit nennen). Die wesentlichen Ergebnisse wurden übersichtlich auf einer Seite zusammengefasst. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass das Lernen nicht out of context, sondern gerade in einem bestimmten Kontext betrachtet und verbessert werden muss (Problematik des trägen Wissens). In den Unternehmen sind das natürlich die Geschäftsprozesse in denen die Lernprozesse möglichst selbstorganisiert ablaufen, um die Anforderungen der Kunden zu erfüllen. Diese Kompetenz (Selbstorganisationsdisposition nach Erpenbeck) ist dabei eine Zuschreibung von Kunden bzw. Mitarbeitern usw. Siehe dazu auch Kompetenz ist kontextabhängig…
OECD (2007): Giving Knowledge For Free. The emergence of open educational resources
Die OECD hat ein interessantes Paper Giving Knowledge For Free herausgegeben. Darin wird die enorme Bedeutung von Open Educational Resources (OER) herausgestellt: “The open educational resource (OER) movement aims to break down […] barriers and to encourage and enable freely sharing content.” Open Source, Open Content, Open Innovation, Open Culture usw. deuten schon auf die Erweiterung des Ermöglichungsraumes in vielen Bereichen hin. Ich verwende hier absichtlich den Begriff “ermöglichen”, da es in der heutigen Zeit darauf ankommt, Lernprozesse zu ermöglichen und nicht zu diktieren. Vom Lehren zum Lernen, vom Vermitteln zum Aneignen – eben von der Erzeugungsdidaktik zur Ermöglichungsdidaktik. Diese Überlegungen deuten schon darauf hin, dass der Titel nicht passend ist: Giving Knowledge For Free ist deshalb unglücklich, da man kein Wissen gibt, sondern zunächst Daten/Informationen, die dann beim Individuum, bzw. in Organisationen eine Wissenskonstruktion ermöglicht (Konstruktivismus). Der Unterschied sollte bei der Diskussion um die technologischen Möglichkeiten (ob Open Soure oder “Closed” Source) beachtet werden, wenn man über Wissen spricht (Siehe dazu auch den Blogbeitrag Kann man Wissen vermitteln?).
Neue Fragen und alte Antworten
Die Financial Times hat den Bereich “Bildung” zu einem Schwerpunktthema gemachte. In meinem Blogbeitrag vom 17.01.2007 hatte ich schon die Frage gestellt, wie die FTD wohl über das Thema “Bildung” berichten wird. Wie schon vermutet: Aus der Perspektive der Wirtschaft und der Wirtschaftlichkeit. Um es noch einmal zu sagen: Ich bin dafür, Universitäten, Schulen usw. so zu organisieren, dass diese wirtschaftlich sind. Allerdings stellt sich die Frage, von welcher “Bildung” sprechen wir und was bedeutet Wirtschaftlichkeit in diesem Zusammenhang? Ist es eine Bildung, die der industriellen Logik unterworfen ist (Kosten-, Leistungsrechnung/Break-Even/Bildungscontrolling usw.), oder ist es eine Bildung, die es den Menschen ermöglichen soll, in einer eher wissensbasierten Gesellschaft zurecht zu kommen? Oftmals werden also neue Fragen gestellt, aber alte Antworten gegeben (Siehe dazu auch Bildung neu Denken). Der heutige Beitrag Campus Corp. von Marion Schmidt in der FTD ist auch wieder ein Beitrag, der eher die “Industrialisierung der Bildung” propagiert. Kein Wort zur Verbesserung individueller und kollektiver Lernprozesse, zu Selbstorganisationsdispositionen der Studenten (Kompetenzentwicklung). Immerhin ist nach Wilke “Lernen der Prozess und Wissen das Ergebnis”. Wollen wir also das Ergebnis verbessern, sollten wir uns den Lernprozess (individuell/kollektiv) ansehen und die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen (Kontext) schaffen. Die Ergebnisse müssen dann allerdings nicht nur durch die Brille industriell geprägter Controller betrachtet, sondern auch mit der Brille einer Wissensbilanz gesehen werden. Ein gutes Beispiel bieten hier unsere österreichischen Nachbarn. Siehe dazu meinen Blogbeitrag vom 27.02.2007 oder Wirtschaft und Bildung.
The New Media Consortium and EDUCAUSE Learning Initiative (2007): The Horizon Report
In dem Horizon Report 2007 geht es um das veränderte Umfeld für Universitäten und um neue Trends, die sich in den nächsten 5 Jahren bemerkbar machen sollen (S. 6): User-Created Content, Social Networking, Mobile Phones, Virtual Worlds, The New Scholarship and Emerghing Forms of Publication, Massively Multiplayer Educational Gaming. Ich muss zugeben, dass mich dieser Report und die darin beschriebenen Trends nicht sonderlich überraschen, da diese Trends schon längst bekannt sind. Interessanter sind aus meiner Sicht Fragen zur dazugehörenden neuen Methodik/Didaktik, die teilnehmerorinetiert ist und eher einer Ermöglichungs-, als einer Erzeugungsdidaktik entspricht. Technologische Möglichkeiten und Trends sind wichtig und müssen beobachtet werden, dennoch ist es gleichermaßen wichtig, individuelle und kollektive Lernprozesse zu ermöglichen und zu unterstützen. Dabei können neue Technologien helfen oder blockieren. Also: Von E (minus) Learning zu Learning (plus) E. Weiterhin könnten diese Bemerkungen natürlich auch für Unternehmen gelten, da wir dort ja auch von Lernenden Organisationen und Wissensmanagement sprechen -oder?
Individuelle Lernprozesse in Schulen und Unternehmen – wie passt das zusammen?
Ich möchte den Beitrag von Jeannette Otto Die Rettung kommt per Post (Die Zeit vom 01.02.2007) zum Anlass nehmen, auf die Konvergenz der Themen in Schulen und Unternehmen aufmerksam zu machen. In dem Beitrag wird sehr schön dargestellt, dass sogenannte “Schulverweigerer” durchaus mit Hilfe von Fernlehrgängen dazu gebracht werden können, ihren Schulabschluss zu schaffen. Wie ist so etwas möglich? Aus meiner Sicht liegt es daran, dass viele der sogenannten “Schulverweigerer” nicht das Lernen verweigern, sondern das Lernen in dem Kontext der Schule verweigern. Das ist ein großer Unterschied. In den traditionellen Schulen (aber auch in Unternehmen) stehen standardisierte Lehrpläne im Mittelpunkt, die Schüler (Mitarbeiter) über standardisierte Lernprozesse erreichen sollen – und wehe nicht, dann gibt es Sanktionen. Das alles macht es der Organisation leicht, alles “im Griff” zu behalten. In diesem Zusammenhang fällt mir dann ein Ausspruch von Jimmy Preslin (11.07.2001) ein, der sagte: “Every time I pass a jailhouse or a school, I feel sorry for the people inside.” Siehe dazu auch Bildung neu denken.
In der Zwischenzeit gibt es sogar in NRW eine Auszeichnung für Schulen, die Schüler individuell unterstützen – beeindruckend. Man fragt sich, was die Schulen denn sonst gemacht haben? Aber auch in Unternehmen wird immer deutlicher, dass der Teilnehmer im Mittelpunkt der Überlegungen stehen muss (Teilnehmerorientierung). Das führt weg von der Erzeugnisdidaktik und hin zur Ermöglichungsdidaktik, die es dem Lernenden ermöglicht, sich bestimmte Informationen anzueignen. Vom Lehren zum Lernen, vom Vermitteln zum Aneignen usw. Konsequenterweise führt diese Wende zu ganz anderen Anforderungen an die Strukturen/Organisationen in denen individuelle und kollektive Lernprozesse ermöglicht werden sollen. Und hier kommen wir zu einem der Knackpunkte: Wenn Lernen der Prozess und Wissen das Ergebnis ist (siehe Willke), dann ist es für Lernende Organisationen (ob Schule oder Unternehmen) wichtig, einen Kontext (Prozesse, Strukturen usw.) zu schaffen, in dem individuelles und kollektives Lernen ermöglicht wird. Dadurch entstehen ganz andere Anforderungen an Führungskräfte (ob Lehrer oder Manager) die sich nun viel stärker mit den individuellen und kollektiven Lernprozessen befassen müssen. Aber wer macht das schon …? Ein Ansatz kann hier die Multiple Intelligenzen Theorie sein.
Innovationsindikator Deutschland 2006
Der Innovationsindikator Deutschland 2006 zeigt (wieder einmal) auf, wo wir unsere Stärken (Markterfolge mit Produkten der Hochtechnologie usw.), aber auch, wo wir unsere Schwächen (u. a. Bildung) haben. Dass gerade in Zeiten eines stärker werdenden Wissenswettbewerbs Lernprozesse im Mittelpunkt stehen sollten, liegt auf der Hand. Allerdings habe ich oftmals den Eindruck, als ob alle Akteure unter dem Begriff Bildung etwas anderes verstehen. Bildung im Kontext einer Industriegesellschaft bedeutet etwas anderes als Bildung in einer stärker wissensbasierten Gesellschaft. Es wäre daher besser, den Bildungsbegriff aus der Diskussion zu nehmen und stärker von (selbstorganiserten) Lernprozessen zu sprechen. Leider haben das viele Entscheidungsträger noch nicht verinnerlicht und geben daher auf neue Fragen alte Antworten. Siehe dazu auch Bildung neu denken.