Blended Learning: Dimensionen für einen Ermöglichungsraum des Lernens

In diesem Blogbeitrag habe ich erläutert, dass Blended Learning als Ermöglichungsraum für das Lernen gesehen werden kann. Es stellt sich jetzt die Frage, welche Dimensionen so ein Ermöglichungsraum haben kann. Erste Ansatzpunkte sind hier zu finden:

“In ´Blended-Learning-Szenarien ergeben sich sowohl für die Präsenz- als auch für die Onlinephasen […] veränderte Interaktionsbeziehungen´ (Reimer 2004, S. 268). Wer die Möglichkeiten des Blended Learning nutzen will, ist somit noch mehr gefordert, die didaktischen Konzepte auf die vielfältigen, technologiebasierten oder Präsenz-Methoden
abzustimmen und in ein Lernsetting, das den Lernzielen und allen Beteiligten gerecht wird, einzubetten (vgl. Reimer 2004). Gerade für diese Formen des digital unterstützten Lernens ist es somit entscheidend, die Zielgruppe genau zu kennen. Neben der Bekanntheit und Beliebtheit von digitalen Lernformen ist dann auch von Interesse, welche Lernmethoden bevorzugt werden, wann und wo bzw. wie orts- und zeitflexibel die gIV-Mitglieder lernen wollen und wie entscheidend es für sie ist, ob sie durch eine Seminarbegleitung angeleitet werden” (Korge, Gabriele; Wolter, Maxie; Hamann, Karin; Zaiser, Helmut (2022:14): Lernen zwischen Tradition und Transformation. Eine Erhebung zu digitalem Lernen von Betriebs- und Personalratsmitgliedern, Stuttgart: Fraunhofer Verlag. Die Autoren der Studie schlagen zur Einordnung die Dimensionen “Grad der Seminarbeteiligung” und “Grad der Digitalisierung” vor.

Grad der Seminar-beteiligung
HOCH
Präsenz-veranstaltung, angereichert um digitale ElementeLive-Online-Kurs mit Seminar-begleitung
Grad der Seminar-beteiligung
MITTEL
Blended Learning Veran-staltungen mit wechselnden Phasen online/offline bzw. mit/ohne Seminar-begleitung
Grad der Seminar-beteiligung
NIEDRIG
Online-Kurs zum Selbstlernen, Computer/Web Based Trainings, Lernvideos
Grad der
Digitalisierung
NIEDRIG
Grad der
Digitalisierung
MITTEL
Grad der Digitalisierung
HOCH
Quelle: ebd. S. 14

Für eine erste grobe Einordnung ist das Schema hilfreich, doch fehlt mir noch der zu berücksichtigende Kontext, in dem das (möglichst selbstorganisierte) Lernen stattfinden soll. Ohne den Kontext (Lernfeld – Arbeitsfeld) zu beachten, ist ein komplexes Problemlösen nicht möglich. Beispielsweise ist beim Lernen in einem Arbeitsumfeld der Geschäftsprozess als Kontext wichtig, um selbstorganisert zu Lernen und somit. situativ Wissen zu konstruieren. Nimmt man also den Kontext zu den oben genannten beiden Dimensionen hinzu, ergibt sich eine Art Würfel für den Ermöglichungsraum des Lernens. Siehe dazu auch Was sind Eigenschaften von komplexen Aufgabenstellungen?

In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK) werden diese Zusammenhänge beachtet. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Kompetenz, Qualifikation, Performanz und Können – eine Einordnung

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Im letzten Blogbeitrag habe ich Kompetenz und Intelligenz gegenübergestellt. Nun möchte ich der Frage nach gehen, wie sich Kompetenz und Qualifikation unterscheiden. Die folgende Tabelle stellt konzeptuelle Merkmale der Begriffe „Qualifikation“ und „Kompetenz“ gegenüber.

KompetenzenQualifikationen
Objekt-Subjekt-Bezugsind  bereichsspezifische Fähigkeiten und Strategien im Sinne von psychischen Leistungsdispositionen; sie sind anwendungsoffen.sind objektiv durch die Arbeitsaufgaben und -prozesse und die daraus resultierenden Qualifikations- anforderungen gegeben.
LernenDie Aneignung von Kompetenzen ist Teil der Persönlichkeitsentwicklung
und umfasst auch die Fähigkeiten, die sich aus
den Bildungszielen ergeben.
Im Prozess der Aneignung von Qualifikationen ist der Mensch ein Trägermedium für Qualifikationen, eine
(humane) Ressource, die durch Training zur Ausübung spezifischer Tätigkeiten befähigt wird.
Objektivier-barkeitBerufliche Kompetenzen
zielen v. a. auf die nicht oder nur schwer objektivierbaren Fähigkeiten beruflicher Fachkräfte, die über die aktuellen beruflichen Aufgaben hinaus auf die Lösung und Bearbeitung zukünftiger Aufgaben zielen.
Qualifikationen beschreiben die noch nicht objektivierten/ maschinisierten Fertigkeiten und Fähigkeiten und definieren den Menschen als Träger von Qualifikationen, die aus den Arbeitsprozessen abgeleitet werden.
Rauner, F.; Haasler, B.; Heinemann, L.; Grollmann, P. (2009:31)

Es wird hier deutlich, dass sich berufliche Kompetenzen auf Leistungsdispositionen beziehen, die beispielsweise Erpenbeck/Rosenstiel (2003) in vier Kompetenzklassen unterteilen: Personale Kompetenz, Aktivitätsorientierte Kompetenz, Fachlich-Methodische Kompetenzen und Soziale Kompetenzen. Demgegenüber steht bei der Qualifikation “die Performanz, das beobachtbare berufliche Können, im Vordergrund (Rauner/Haasler/Heinemann/Grollmann 2009:38).

Was macht die Erfassung von Facharbeiterwissen so schwierig?

Es ist doch alles so einfach: Wenn in den Unternehmen über Wissen diskutiert wird, kommt irgendwann der Satz “Wir erstellen einfach eine Wissensdatenbank”. In diesem Satz steck viel darüber, wie Wissen gesehen wird. Wissen kann in einer Datenbank dokumentiert und wiederverwertbar abgelegt werden. Das ist allerdings nur für den teil des Wissens möglich, der explizierbar ist (Explizites Wissen). Könner ihres Fachs sind deshalb in einem Prozess, oder in einer beruflichen Domäne erfolgreich (Siehe Grafik), weil sie Arbeitsprozesswissen entwickelt haben, das hauptsächlich aus der impliziten Dimension von Wissen besteht. Diese ist auch nicht so leicht (kaum) in einer Datenbank erfassbar.

Arbeitsprozesswissen ist also das Facharbeiterwissen, welches „die praktische Arbeit anleitet“ (Rauner 2002:25), während der Ausübung der beruflichen Handlung generiert wird und zugleich überwiegend aus implizitem Wissen besteht, welches in hohem Ausmaß durch Erfahrung geprägt ist” [Hervorhebungen Dr. Robert Freund] (…) Das grundlegende forschungstheoretische Problem der Erfassung von Facharbeiterwissen liegt in der Tatsache begründet, dass „Können nicht Resultat der Anwendung von zuvor erlerntem deklarativen und prozeduralen Wissen ist“ (Becker & Spöttl 2008:29, Hervorhebung im Original; zitiert in Becker 2010:55).

Es ist somit nicht ausreichend, wenn sich Unternehmen mit Wissen befassen und damit hauptsächlich die explizite Dimension meinen. Da das Arbeitsprozesswissen von Facharbeitern hauptsächlich aus impliziten Wissen besteht, sollten Unternehmen Methoden und Techniken nutzen, um um diese wichtige Dimension des Wissens zu erschließen und für andere Nutzbar zu machen. Das ist allerdings schwieriger, als IT-Systeme einzukaufen…

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2016): Digitale Bildung -Themenheft

digitale-bildung

Es ist schon erstaunlich, dass sich ein Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit Bildung befasst, obwohl wir doch ein Bundesministerium für Bildung und Forschung haben. Bei Bildung redet einfach jeder mit… Immerhin war man ja mal in der Schule/Universität und kann aus Erfahrung mitreden… Der Untertitel “Mittelstand Digital” weist weiterhin darauf hin, dass es um die Digitalisierung in Mittelstand geht. Was dabei allerdings Digitale Bildung (PDF) bedeuten soll, ist mir unklar. Kann Bildung digital, oder besser, nur digital sein? Wenn es “nur” um digitale Bildung geht, muss sich eben jemand anderes um die andere Bildung kümmern. So einfach ist das, oder? In dem Themenheft gibt es durchaus lesenswerte Beispiele die zeigen, wie die neuen Arbeitsformen von selbstgesteuerten/selbstorganisierten Lernprozessen (im Sinne von Kompetenzentwicklung), die mit Hilfe moderner Technologien unterstützt werden, profitieren können. Ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen wäre hier hilfreich gewesen. Nicht jeder ist in der Lage, Qualifikation, Können, Wissen, Kompetenz, Lernen usw. so zu verstehen, dass die neuen Herausforderungen von Arbeiten 4.0 deutlich werden. Hinzu kommen aus meiner Sicht noch Fragen der Methodik/Didaktik, wenn es um die betriebliche Weiterbildung geht. Um diesen Punkt, betriebliche Weiterbildung mit neuen Medien geht es doch hier, oder? Solche Zusammenhänge thematisieren wir in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgänge Wissensmanager (IHK) und Innovationsmanager (IHK). Informationen zu den IHK-Zertifikatslehrgängen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Neue Technologien und Jobs bzw. Tätigkeiten

wissenWenn wir über neue Technologien reden oder schreiben geht es auch darum zu klären, welchen Einfluss neue Technologien auf Jobs haben. Die Argumentationen pendeln dann immer zwischen den beiden Extremen a) Neue Technologien vernichten Jobs und b) Neue Technologien schaffen Jobs. Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen. Das Paper

Autor, D. A. (2015): Why Are There Still So Many Jobs? The History and Future of Workplace Automation. Journal of Economic Perspectives—Volume 29, Number 3—Summer 2015—Pages 3–30

zeigt den Einfluss neuer Technologien auf die Jobs in den USA auf. Dabei wird deutlich, dass neue Technologien langfristig mehr Jobs schaffen. Weiterhin wird erläutert, dass die heute aktuellen neuen Technologien bestimmte Tätigkeiten – und nicht immer ganze Jobs – obsolet machen werden. Der Soziologe Beck hat schon in den 90er Jahren darauf hingewiesen, nicht von Jobs, sondern von Tätigkeitsportfolios zu sprechen. An dieser Stelle kommt dann das Polanyi-Paradox “we know more than we can tell” zum Tragen, denn genau der Anteil, der nicht expliziert werden kann, ist der Teil des Wissens und Könnens, der nicht so leicht von den neuen Technologien ersetzt werden kann. Sind also Expertise und Könnerschaft stark ausgeprägt und für die komplexe Problemlösung nötig, so wird diese Tätigkeit von den neuen Technologien eher nicht ersetzt werden können. Solche Zusammenhänge besprechen wir auch in dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Wissensmanager (IHK). Informationen finden Sie auf unserer Lernplattform.

RKW-Leitfaden: Leistungssteigerung und Wissenstransfer in virtueller Teamarbeit

Der RKW-Leitfaden (2011): Leistungssteigerung und Wissenstransfer in virtueller Teamarbeit. Zusammenarbeit im 21. Jahrhundert ist zwar schon etwas älter, dennoch enthält der Leitfaden einige umsetzbare Anregungungen. Ausgangspunkt ist die virtuelle Teamarbeit, die durchaus ihre Tücken hat. Daher ist es gut, die Besonderheiten herauszustellen und sie mit dem T-O-M-Modell zu verbinden. Dabei stehen zunächst die technischen Möglichkeiten (T), dann die organisationalen (O) und letztendlich die menschlichen Aspekte (M) im Fokus. Der Leitfaden ist stark auf das explizite Wissen ausgerichtet und versucht, komplexe Zusammenhänge einfach darzustellen. Das ist allerdings tückisch, da gerade eine auf Wissen basierende Arbeitsweise durch Interaktionen und mit den damit verbundenen Kontingenzen umgehen muss. Insofern stellt sich die Frage, ob es nicht weiter um Können und Kompetenz gehen muss, wenn wir über virtuelle Teamarbeit sprechen? Erste Überlegungen dazu finden sich in dem Leitfaden: Wissen im Unternehmen halten und verteilen, in dem auch das implizite Wissen erwähnt wird – allerdings recht kurz. Dominierend sind Begriffe wie “Werkzeugset” usw. – als ob man einfach einen Werkzeugkasten braucht um mit Wissen umzugehen… 

Siehe dazu auch Neuweg (2004) Könnerschaft und implizites Wissen, Arbeitssituationsanalyse, Moldaschl, M. (2010): Zirkuläre Wissensdiskurse, Know-How-Tranfer von Jung zu ALt und umgekehrt, KRC – Ordnungsrahmen für Wissensmanagement und ProWis.

Internet-Präsentation meines Buches im Online-Katalog des Verlags Dr. Kovac in Hamburg

Soeben wurde die Internet-Präsentation meines Buches im Online-Katalog des Verlags Dr. Kovac in Hamburg veröffentlicht. Das Buch selbst wird in 3-4 Wochen auf dem Markt sein:

Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk. Verlag Dr. Kovac, Hamburg, 244 Seiten. ISBN: 978-3-8300-5720-8.

Der Strukturbruch zwischen der ersten und zweiten Moderne (Reflexive Modernisierung) zeichnet sich durch Kontingenzzuwachs, nicht-intendierte Nebenfolgen und einer Krise der Rationalitätsunterstellungen aus. Die Auswirkungen wie Flexibilisierung, Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit sind dabei wesentliche Bausteine neuer Strategien zur Bewältigung von Unbestimmtheit. Modernisierung stellt sich in diesem Zusammenhang als Umgang mit Entscheidungen unter vielfältigen Ungewiss­heits­bedingungen dar, und wird somit zum Handlungsproblem auf allen Ebenen (Individuum, Gruppe, Organisation, Netzwerk). Es geht dabei nicht darum, Ungewissheit zu beherrschen oder zu verdrängen, sondern Ungewissheit zu akzeptieren und zu lernen, in allen Bereichen damit umzugehen.

Die Bewältigung solch realer Arbeitssituationen ist entscheidendes Kriterium eines modernen Kompetenzbegriffs. So verstandene Kompe­tenzen sind dann auch entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen, die vor der Frage stehen, wie der Umgang mit Unbestimmtheit auf allen Ebenen (Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk) zielgerichtet bewältigt werden kann.

Das hier vorgestellte Konzept der Multiplen Kompetenz basiert auf dem Systemmodell der Multiplen Intelligenz, berücksichtigt sowohl subjektive Leistungsvoraussetzungen als auch objektive Kompetenzanforderungen und ist dadurch anschlussfähig zu aktuellen Erkenntnissen der Arbeits­situations­analyse. Mit dem Konzept der Multiplen Kompetenz als Emergenzphänomen wird ein Rahmen für ein modernes und ebenen­übergreifendes Kompetenzmanagement aufgezeigt.

Baumgartner, P. (1993): Der Hintergrund des Wissens. Vorarbeiten zu einer Kritik der programmierbaren Vernunft

Fahrrad1.jpgPeter Baumgartner hat seine 1993 erschienene Habilitationsschrift im August 2008 unter der Creativ Commons Lizenz neu aufgelegt, da das Buch in der Zwischenzeit vergriffen ist. Herzlichen Dank. Baumgartner, P. (1993): Der Hintergrund des Wissens. Vorarbeiten zu einer Kritik der programmierten Vernunft. Spannend für mich war, dass sich Baumgartner unter anderem auch mit Ryle auseinadersetzt (Die intellektualistische Legende), also Wissen und Können genauer betrachtet. Es lohnt, sich diese Zusammenhänge klar zu machen.