In dem Buch Malik, F. (2011): Navigieren in der Komplexität der Neuen Welt geht es um die Frage, wie Unternehmen in einer immer komplexer werdenden Welt noch zurecht kommen, eben navigieren können. Zentraler Aspekt ist, Komplexität zu meistern (S. 36) und nicht, Komplexität unangemessen zu reduzieren (Reduktionismus) oder sich ohnmächtig zu fühlen. Der Autor thematisiert sehr deutlich die strategische Perspektive (Top-Down) und weist auch auf die sich entwickelnden Muster hin (Bottom-Up). Ich hätte mir hier gewünscht, dass die entscheidende Rolle des Menschen als System zur Bewältigung von Komplexität und Unicherheit deutlicher wird. Siehe dazu auch Der schwarze Schwan und der Umgang mit Unsicherheit (Uncertainty), Management der Hypermoderne, Expect the unexpected!, Das Ganze der Arbeit, Der Mensch als geistiges und praktisches Wesen.
Kuri, J. (2010): Die Welt bleibt unberechenbar
Eben habe ich in der Printausgabe der FAZ vom 04.06.2010 den Artikel Die Welt bleibt unberechenbar von Jürgen Kuri (Chefredakteur des Computermagazins c´t) gelesen. Es ist erstaunlich, dass jemand, der sich beruflich fast ausschließlich mit Computern befasst, einen “flammenden Beitrag” gegen die Herrschaft der allgegenwärtigen Algorithmen schreibt – prima. Der Autor kritisiert, dass genau definierte Handlungsvorschriften zur Lösung eines Problems (Algorthmen) nicht ausreichen und widerspricht damit der Prognostizierbarkeit komplexen Verhaltens sowie der Zahlengläubigkeit der Gesellschaft, des Staates, der Unternehmen. Dabei bezieht sich Jürgen Kuri auf viele Beispiele aus der Vergangenheit, u. a. auf den Film Colossus – The Forbin Project aus dem Jahr 1970 und plädiert letztendlich für “ein Zeitalter der digitalen Aufklärung”. Siehe dazu auch If you cannot measure it, you can not manage it oder Die ausschließliche Orientierung an Finanzgrößen ist übersimplifizierend und somit untauglich
Vernetztes Denken spielerisch erlernen und in allen Bereichen der Gesellschaft nutzen
Liest man tagtäglich Zeitungen, sieht fern, surft im Netz oder hört Radio, so fällt auf, dass immer wieder einfache Zusammenhänge dargestellt werden. Klimaerwärmung? Klar das Auto ist schuld. Finanzmarktkrise? Klar die Banker sind schuld. Es ist doch alles so einfach. Es gibt eine Wirkung und schwupps, hier ist die Ursache. Doch die Realität ist komplexer, es gibt viele Verbindungen und Verzweigungen in einer globalisierten Welt, die man auf den ersten Blick nicht erkennt (Komplexität). Es ist deshalb sehr erfreulich, wenn schon in jungen Jahren mit dem vernetzten Denken nach Frederik Vester begonnen wird. Mit der rundbasierten Simulation ecopolicy® können Schüler spielerisch die Zusammenhänge erkunden und dabei für die Zukunft wichtige Erkenntnisse gewinnen. Professor Malik erläutert die Kraft des vernetzten Denkens und verweist darauf, dass die Fähigkeit, vernetzt zu denken “die wichtigste Eigenschaft für eine funktionierende Gesellschaft des 21. Jahrhunderts” ist – auch für Fühungskräfte, Politiker (Siehe Verein der Versager) usw. Die Vernetzung ist auch Bestandteil der Wissensbilanz – Made in Germany. Beim Wirkungsnetz bezieht sich das Strukturmodell ausdrücklich auf Vester…
Komplexität im Unternehmen als Kopierschutz?
Komplexität ist ein Begriff, den viele Manager nicht so gerne hören, denn Sie denken dabei an Chaos und Unkontrollierbarkeit. Da Manager gerne “alles unter Kontrolle” haben wollen, versuchen sie oft, Komplexität zu reduzieren. Das führt allerdings häufig zu verkürzten und realitätsfernen Entscheidungen. In dem Artikel Chaos im Kinderzimmer (FTD vom 01.04.2010) bedient der Redakteur die eingangs erwähnten Assoziationen der Manager und entwickelt daraus eine entsprechende Überschrift. Diese wird allerdings dadurch nicht passender, denn im Artikel geht es um komplexe Geschäftsprozesse in Unternehmen und weniger um Chaos. Der Redakteur sollte sich mit den Begriffen ein wenig genauer auseinander setzen und weniger auf Effekthascherei aus sein (Oder ist die Überschrift etwa als Aprilscherz gemeint?). Empfehlenswert ist in dem Zusammenhang z.B. Kappelhoff, P. (2003): Chaos und Komplexitätstehorie. Im Kontext eines Unternehmens geht es auch nicht um Komplexität allgemein, sondern um die Komplexität sozialer Systeme. Bemerkenswert ist in dem FTD-Artikel ein Satz von Prof. Wrona: ” Weil Außenstehende die genauen Erfolgsfaktoren des Unternehmens nicht entschlüsseln können, fungiert die Komplexität als Kopierschutz.” Dabei bezieht Prof. Wrona sich auf das Unternehmen Apple Inc. Komplexität im Unternehmen zulassen, um nicht so leicht kopiert werden zu können? Der Umgang mit Komplexität im Unternehmen als Alleinstellungsmerkmal? Das bedeutet allerdings ein Management durch Komplexität. Doch wer kann das schon?
Schilderwald Deutschland und der Umgang mit Komplexität
Betrachtet man sich den Schilderwald in Deutschland einmal genauer, so fällt auf, dass dieser in den letzten Jahrzehnten immer größer geworden ist. Immerhin haben wir 20.000.000 Schilder in Deutschland – bezogen auf das Streckennetz bedeutet das statistisch alle 28m ein Schild. Beeindruckend. Findige Bürokraten versuchen mit immer mehr Regeln und entsprechenden Schildern, den Straßenverkehr “in den Griff” zu bekommen. Diese Vorgehensweise entspricht den Denk- und Handlungsmustern der einfachen Moderne (Reduktionismus). Dabei unterstellt man eine gewisse Rationalität, mit der man Komplexität einfach reduziert und regelt. Dass das in einer immer stärker vernetzten und globalisierten Welt keine angemessene Vorgensweise ist, hat schon die Krise in der Finanzwelt gezeigt. Wenn man nun laaaaaaangsam anfägt, Schilder abzumontieren und immer mehr Kreisverkehr-Lösungen umsetzt, so zeigt das grundsätzlich in die richtige Richtung: Selbstorganisation. Selbstorganisation ist Grundelement im Umgang mit Komplexität in der reflexiven Moderne. Der Übergang zur Selbstorganisationsdisposition (Kompetenz nach Erpenbeck/Heyse) ist dann nicht mehr weit. Aber wer will das schon?
Was ist das kritische Erfolgpotenzial in Organisationen?
“Das kritische Erfolgspotenzial in Organisationen stellt heute nicht mehr die Technik, sondern der Mensch dar. Somit muss die ökonomisch-technische Rationalität von einer ökonomisch-sozialhumanen abgelöst werden. Die Einsicht, dass das Ökonomische vom Sozialen getragen und bewegt wird, muss realisiert werden“ (Bleicher 1992:31). Ja sollen wir denn alle Sozialarbeiter werden? Nein, das ist nicht gemeint – ist ja auch schwer möglich. Doch: Viele sehr rational denkende Manager könnten von Sozialarbeitern durchaus einiges lernen…-doch wer will das schon? Was Bleicher meint ist, dass der Mensch in komplexen sozialen Systemen im Gegensatz zu technischen Systemen gut zurecht kommt. Unternehmen sehen allerdings Mitarbeiter immer noch als lästigen Kostenfaktor und weniger als Erfolgspotenzial. Mal sehen, ob sich das in Zukunft ein wenig ändern wird…
Der Strukturbruch zwischen einfacher und reflexiver Modernisierung
Wenn von Modernisierung gesprochen wird, handelt es sich häufig um die einfache Modernisierung, die sich seit dem 18. Jh. abzeichnet. Diese einfache Modernisierung geht von stetigem Fortschritt, Beherrschbarkeit der Natur usw. aus. Diese “Basisselbstverständlichkeiten” werden allerdings in letzter Zeit immer häufiger infrage gestellt. Viele Beobachter der Entwicklung sehen sogar einen Strukturbruch im Übergang zu einer etwas anderen Modernen – der reflexiven Modernisierung. Seit 1999 gibt es das Sonderforschungsprogramm SFB 536, das sich genau mit dieser Thematik befasst. Hier einige Kernpunkte:
- Zum einen ist in die Entwicklungsdynamik der Moderne ein nachhaltiger Kontingenzzuwachs eingebaut, der sich unter den Bedingungen der reflexiven Moderne in einer folgenreichen Vervielfältigung von Optionen niederschlägt. Soziale Strukturierungen vom individuellen Beziehungsnetz bis hin zum Nationalstaat erscheinen nicht mehr als fest und selbstverständlich, sondern werden auch als anders möglich, veränderbar und begründungspflichtig erfahren.
- Zum anderen macht sich das Problem der Nebenfolgen sozialen Handelns verstärkt bemerkbar. Dass die Verfolgung jedes intendierten Ziels nicht intendierte Nebenfolgen nach sich zieht, ist keineswegs neu. Aber unter den Bedingungen der reflexiven Moderne verschiebt sich das Verhältnis zwischen intendierten Handlungen/Zielen und nicht intendierten Nebenfolgen in teilweise dramatischer Form. Denn die nicht intendierten Nebenfolgen konterkarieren die intendierten Absichten nicht selten in einer Weise, dass die Bearbeitung der Nebenfolgen mehr Aufmerksamkeit und Aufwand erfordert als das ursprüngliche Handlungsprogramm.
- Vor diesem Hintergrund ist zugleich eine Krise der Rationalitätsunterstellungen und Rationalisierbarkeitserwartungen der einfachen Moderne zu beobachten. So kann offensichtlich nicht mehr davon ausgegangen werden, dass durch mehr Wachstum, Wissen und soziale Differenzierung die gesellschaftliche Strukturierung immer eindeutiger und sicherer wird. Statt dessen wird deutlich, dass die Moderne angesichts der Erfahrungen von Kontingenz und Nebenfolgen eher uneindeutiger und unsicherer wird, und es ist genau dieser Prozess, der trotz oder gerade wegen eines unabweisbaren Zuwachses an Steuerungswissen die bisherigen “linearen” Rationalisierungs- und Ausdifferenzierungsvorstellungen in Frage stellt.
Die meisten Individuen, aber auch Organisationen, gehen immer noch von einer einfachen Modernisierung aus, und wundern sich, dass ihr Antwortverhalten nicht mehr zur der Realität passt. Machen Sie sich also diesen Strukturbruch klar, um für sich angemessene Handlungsweisen abzuleiten.
Kritik am Wertansatz der Kultur: Die Beziehung von Werten und Normen
Vor der Bundestagswahl, aber auch vor anderen Wahlen, kommen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Ecken Standpunkte zur Rolle der Kultur – manche sprechen sogar von einer Art “Leitkultur”. Dieser Ansatz unterstellt, dass Kultur handlungsleitend sein kann. Das klingt auch zunächst logisch und schlüssig… doch es gibt dagegen auch erhebliche Bedenken. Swidler (1986) führt dazu aus: “Das herrschende Modell, das benutzt wird, um die Wirkungen von Kultur auf das Handeln zu verstehen, ist grundlegend irreführend. Es nimmt an, daß Kultur das Handeln formt, indem sie höchste Ziele oder Werte, an denen sich das Handeln ausrichtet, zur Verfügung stellt, was die Werte zum zentralen, kausalen Element von Kultur macht”. In die gleiche Richtung argumentiert DiMaggio (1997) und ergänzt: “Wenn wir anerkennen, dass Kultur inkonsistent ist… wird es entscheidend, Einheiten für Kulturanalysen zu identifizieren und die Aufmerksamkeit auf die Beziehungen zwischen diesen zu richten. In der Folge sind unsere Ergebnisse nicht länger Indikatoren einer latenten Variable (Kultur)”. Beide Quellen argumentieren gegen eine Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen Kultur und einem Handeln, das auf Kultur zurückzuführen ist. Kultur ist wie so viele andere Begriffe auch ein Konstrukt, das gerne auf eine vereinfachende Formel gebracht wird, um Stammtische vor Wahlen zu bedienen. Dieser Reduktionismus der komplexen Zusammenhänge ist nicht förderlich, und sollte unterlassen werden (Komplexität) Genau so wie es unsinnig ist, Unternehmen auf eine Zahl zu reduzieren (Shareholder-Value) oder Intelligenz in einer Zahl zu beschreiben (Intelligenz-Quotient:IQ) ist es auch nicht mehr zeitgemäß Kultur auf eine handlungsleitende Dimension zu reduzieren. Konzentrieren wir uns in der Debatte um den Begriff Kultur darauf anzuerkennen (wie DiMaggio es nennt), “dass Kultur inkonsistent ist”. Daraus ergeben sich natürlich viele neue Perspektiven, die manchen Politikern nicht gefallen werden, allerdings der komplexen Wirklichkeit eher entsprechen, als dumpfe Stammtischparolen…
Gedanken zum Problemlösen
Probleme lösen zu können ist für uns persönlich, aber auch für Unternehmen wichtig. In letzter Zeit fällt allerdings auf, dass der Begriff “Problemlösen” unterschiedlich verwendet wird. Funke unterscheidet dazu das einfache Problemlösen (Simple Problem Solving) und das komplexe Problemlösen (complex problem solving). Beim einfachen Problemlösen sind Ist- und Soll-Zustand gut beschreibbar. Durch planbares Vorgehen ist der Soll-Zustand dann mehr oder weniger gut erreichbar. Komplexes Problemlösen ist anders, denn die Ausgangszustände sind nicht so eindeutig beschreibbar und auch der Weg zum Ziel ist vielfältig und schwierig. Bamberger/Wrona (2000:6) formulieren das so: “Sie stellen Entscheidungen unter Unsicherheit dar und werden auch als sog. Multi-Kontext-Probleme derart bezeichnet, dass sie in unterschiedlichen, jeweils aktorspezifischen Kontexten definiert bzw. expliziert werden“. Die Gesamtsituation kann man als komplex bezeichnen. Komplexität begegnet man mit Selsbtorganisation – die Fähigkeit zur Selbstorganisation ist somit ein Kernelement komplexen Problemlösens. Damit sind wir allerdings auch schon beim Begriff “Kompetenz”, den Erpenbeck als Selbstorganisationsdisposition beschreibt. Berücksichtigt man weiterhin, dass Problemlösen auch mit Intelligenz in Verbindung gebracht wird, so stellt sich die Frage, wie Intelligenz mit Problemlösen zusammenhängt. Ceci und Kollegen haben herausgefunden, dass es keine Korrelation zwischen dem komplexen Probelemlösen und dem IQ gibt (vgl. dazu auch Funke). Was es allerdings gibt, ist eine Verbindung zwischen Multiplen Intelligenzen und dem komplexen Problemlösen (Ceci, Funke). Es scheint so zu sein, dass die Multiple Intelligenzen Theorie eher in der Lage ist, komplexes Problemlösen zu ermöglichen und zu unterstützen. Diesen Gedanken greife ich in meiner Dissertation (Promotionsvorhaben) auf. Siehe dazu auch Intelligenz-Quotient (IQ) aus Sicht der Komplexitätsforschung oder Psychologie der Kreativität oder Alfred Binet – oder der erste Intelligenztest der Welt
Der Mensch als Humakapital – nur ein Index?
Der Artikel Kein Mensch, nur Humankapital von Dagmar Deckstein (Süddeutsche Zeitung vom 25.06.2009) hat mir doch zu denken gegeben. Die gut gewählte Überschrift des Beitrags regt an darüber nachzudenken, wie der Mensch in Organisationen heute gesehen wird. Es wird in dem Artikel zunächst auf den DGB-Index “Gute Arbeit”, und anschließend auf den Human-Potential-Index (HPI) (3.6MB, pdf) der Beraterfirma Psychonomics verwiesen. Dabei ist es gut, dass sich am Ende herauskristallisiert, dass ein hoher Aufwand im Personalwesen nicht zwangsläufig auch zu guten Ergebnissen im Unternehmen führt. Im Unternehmen sind die verschiedenen Einflussfaktoren der Menschen, der Struktur und der Beziehungen in einem Gesamtzusammenhang (Wirkungsnetz) darzustellen. Dieses Vermögen (Potentiale) kann so erschlossen werden, dass die Ergebnisse positiv/negativ beeinflusst werden. Aus der Wissensperspektive sind somit die verschiedenen Generatoren entscheidend. Diese Vorgehensweise wird in der Wissensbilanz – Made in Germany gewählt. Dabei bedeutet nicht (wie in der klassischen Industrie-Ökonomie), dass z.B. viel Aufwand im Personalwesen auch zwangsläufig zu verbesserten Ergebnissen führt. Diese komplexen Zusammenhänge können nicht auf einen wie auch immer gearteten Index zusammengefasst werden. Dieser zwanghafte Trend (Shareholdervalue, Intelligenz-Quotient usw.) ist der Komplexität des Systems nicht angemessen und führt in die Irre. Siehe dazu auch