Die ausschließliche Orientierung an Finanzgrößen ist übersimplifizierend und somit untauglich

Dazu habe ich bei Malik (2004:186) etwas gefunden: “Wenn das Umfeld komplex ist, wenn Kunden immer anspruchsvoller und Konkurrenten immer besser werden, dann muß auch das Unternehmen in der Lage sein, ausreichende Komplexität zu entwickeln, um richtig reagieren zu können. Es war daher, um ein Beispiel zu geben, aus kybernetischer Sicht klar, daß die in der Wirtschaft in den letzten Jahren zu beobachtende Ausrichtung an nur gerade einer Kenngröße, dem Shareholder Value, eine risikoreiche Einschränkung von Varietät bedeutet, so wie überhaupt die Orientierung ausschließlich an den Finanzgrößen übersimplifizierend und reduktionistisch ist. Das sind, wie nun deutlich zu sehen ist, untaugliche Mittel, um komplexe Systeme unter Kontrolle zu halten. Sie schädigen Prosperität und Lebensfähigkeit von Unternehmen und führen zu wachsender Instabilität. In Wahrheit werden damit nicht Wohlstand und Werte geschaffen, sondern es entstehen die Voraussetzungen für Krise und Kollaps.” Heute, 5 Jahre nach der Veröffentlichung des Textes, wissen wir, was gemeint ist. In der Wissensbilanz – Made in Germany stehen eher die Beziehungen der immateriellen Einflussfaktoren untereianander im Mittelpunkt (Wirkungsnetz). Siehe zu dem Thema auch Reduktionismus und Komplexität.

Kholodilin, K. A.; Siliverstovs, B. (2009): Geben Konjunkturprognosen eine gute Orientierung?

In dem Beitrag Kholodilin, K. A.; Siliverstovs, B. (2009): Geben Konjunkturprognosen eine gute Orientierung? In: DIW (Hrsg.): Wochenbericht, 13/2009, S. 207-214 kommen die Autoren zu folgendem Ergebnis: “Die vorliegende Bewertung der Treffgenauigkeit von Prognosen sowie von vorläufigen amtlichen Berechnungen zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland zeigt, dass frühe Prognosen nicht nur sehr ungenau sind, sondern auch systematisch zu optimistisch ausfallen”. Nur: Wenn Prognosen so unsicher sind, warum verlassen wir uns dann auf die Zahlen? Wir sollten uns langsam von dem deterministischen Weltbild Newtons verabschieden (Reduktionismus) und die reale Komplexität der Zusammenhänge akzeptieren. Wenn man die Prognosen aus dieser Perspektive betrachtet, verwundert es nicht, wenn die oben genannten Autoren zu dem genannten Ergebnis kommen. In dem Buch The black Swan wird das ganze Dilemma der auf Statistik angelegten Finanzwirtschaft deutlich. Natürlich hat das Buch zu harscher Kritik der Statistiker geführt, dennoch hat die real existierende Finanzmarktkrise Taleb Recht gegeben – leider…?

Intelligenz-Quotient (IQ) aus Sicht der Komplexitätsforschung

Mainzer (2008:28) kritisiert, dass die klassische Sicht des Reduktionismus (Grenzwertansatz und Normalverteilung) „untypisch für komplexe Systeme [ist], in denen sich Ordnungen und Strukturen selbst organisieren. Normalverteilungen setzen nämlich völlig unabhängige Ereignisse voraus. Daher können sie keine Korrelationen und Synergieeffekte von zusammenwirkenden Ereignissen berücksichtigen, die erst zu neuen Formen und Strukturen in Natur und Gesellschaft führen.“ In einer äußerst komplexen Umwelt reichen die reduktionistischen Verfahren nicht mehr aus (Siehe dazu auch Komplexität, Emergenz). Der Intelligenz-Quotient (IQ) stützt sich auf die Normalverteilung, was aus der Sicht der Komplexitätsforschung somit eher kritisch zu sehen ist. Funke (2006) hat einen ausführlichen Beitrag zum ersten Intelligenztest geschrieben und führt auf Seite 38 dazu aus: “Inhaltlich hat sich das Intelligenzkonzept in den letzten 100 Jahren ausdifferenziert (vgl. Funke u. Vatterodt-Plünnecke 2004): An der Stelle einer einzigen Intelligenzdimension (´general intelligence´, g-Faktor) ist heute die Konzeption multipler Intelligenzen im Sinne unterschiedlicher Teilkompetenzen (z.B. logisches Schlussfolgern, verbale Intelligenz, kreatives Problemlösen, emotionale Kompetenz, Körperbeherrschung) getreten, für die jeweils andere Erfassungsinstrumente benötigt werden.” Siehe dazu auch Über den Unsinn von Intelligenztests, Muss der HAWIK-IV wirklich sein?

Reduktionismus: Die Vereinfachung komplexer Sachverhalte ist unangemessen

Briggs/Peat (1999:25) führen dazu aus: “Im wesentlichen ist der Reduktionismus die Natursicht eines Uhrmachers. Eine Uhr lässt sich auseinander nehmen und in ihre Bestandteile wie Zahnräder, Hebelchen, Federn und Triebwerk zerlegen. Sie lässt sich aus diesen Teilen auch wieder zusammensetzen. Der Reduktionismus stellt sich auch die Natur als etwas vor, was sich zusammensetzen und auseinander nehmen lässt. Reduktionisten glauben, dass auch die komplexesten Systeme aus atomaren und subatomaren Entsprechungen von Federn, Zahnrädchen und Hebeln bestehen, die die Natur auf unendlich vielfältige, geniale Art kombinierte.“ Die vereinfachende Zurückführung komplexer Sachverhalte auf einefache Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, (sowie deren Messbarkeit) ist in einem turbulenten Umfeld nicht mehr angemessen, denn es kommt in komplexen Systemen auch zu emergenten Phänomenen. Siehe dazu u.a. das Beispiel einer Fussballmannschaft, die Intellektualistische Legende oder Baumgartner 1973.

Where we do and what we do

Was die Leute so machen (und wo) ist wirklich spannend. Die Website WHEREWEDOWHATWEDO zeigt, wie vielfältig die Plätze sind, an denen Menschen ihren Hobbys oder auch ihren Berufen nachgehen: “WHEREWEDOWHATWEDO is a community-built visual database of the spaces in which we spend our days, nights or both doing whatever it is we do. While it may not be the freshest idea in the attic, we thought it would be a fun project to work on during down time. As well as we wanted to give this interesting and slightly voyeuristic concept a place all its own. So… there you have it.” Die Bilder zeigen auch deutlich, dass Arbeiten und Freizeit ineinander über gehen und nicht mehr scharf zu trennen sind (Taylorismus). Wissensbasierte Arbeit ist eher durch Tätigkeitsportfolios (Beck) zu beschreiben, die immer wieder neu und selbstorganisiert zu bewältigen sind. In diesem Sinne kompetente Menschen profitieren von den turbulenten Veränderungen um uns herum. Andere, die in den klassischen einfachen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen denken und leben, Schubladen-Denken favorisieren und einfache (schwarz-weiss-) Antworten suchen, werden diese Denk-Welten immer weniger in der komplexen Realität finden – und das ist gut so.

Geld regiert nicht die Welt – sondern …?

Ein Bekannter hat mich auf das Interview Geld regiert nicht die Welt (Wirtschaftswoche vom 12.02.2009) mit Fredmund Malik hingewiesen, in dem er auf die Gründe der aktuellen Krise eingeht. Dabei weist Malik darauf hin, dass es sich nicht um eine Finanzmarktkrise oder Wirtschaftskrise handelt, sondern um eine Krise der auf “isolierte Gewinnzahlen” orientierten Unternehmenführung.  Das unterstellte mechanistische Weltbild mit seinen einfachen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen und daraus abgeleitet die Vorstellung von Menschen als homo oeconomicus hält Malik für grundlegend falsch. Doch woran fehlt es? “Es fehlt am Wissen, wie Geld in Unternehmen und Ökonomien eingesetzt wird. Es fehlt an Kreativität und Innovation. Wissen ist in modernen Gesellschaften und Unternehmen die knappe Ressource – nicht so sehr das Geld. Unsere globalisierte Welt hat ultrakomplexe Systeme erzeugt, die über materielle Größen weder zu steuern, noch zu analysieren sind.” Der Umgang mit komplexen Systemen und der selbstorganisierte Umgang mit Wissen sind also die Kernelemente moderner Unternehmensführung. Genau diese Punkte werden Sie in meinen Blogbeiträgen immer wieder finden. Es freut mich, bei Fredmund Malik dafür Bestätigung gefunden zu haben. Auch unser Logo weist darauf hin, denn
K N O W L E D G E  M A K E S  T H E  W O R L D  G O  R O U N D ®

Der Aufstieg von ´sich engagieren und kollaborieren´

Tapscott.jpgIn dem Buch Buhse/Stamer (2008): Enterprise 2.0. Die Kunst loszulassen gibt es verschiedene interessante Artikel, unter anderem auch Tapscott, D.: Mit Enterprise 2.0 gewinnen. Darin erläutert Tapscott die Veränderungen, die Märkte und Unternehmen zwischen 1800 und 2005 erfahren haben. Dabei bedient er sich der beiden Achsen Kontrolle und Komplexität. Bitte klicken Sie auf die Grafik, um sich die Darstellung genauer anzusehen. Gut zu erkennen ist dabei, dass mit steigender Komplexität auch die Kontrollmöglichkeiten schwinden. Dennoch versuchen immer noch viele Organisationen, den neuen Herausforderungen mit alten Antworten zu begegnen. Man hört immer noch, dass Unternehmen Komplexität reduzieren wollen, als ob man sie kontrollieren könnte… Besser wäre es, Innenkomplexität zu erhöhen, also Selbstorganisation zuzulassen und lose Koppllungen (Granovetter 1973) zu fördern. Das wiederum rüttelt am Selbstverständnis vieler Manager, die nicht loslassen können/wollen. Siehe dazu u.a. auch Mainzer, K. (2008): Komplexität.

Mainzer, K. (2008): Komplexität

mainzer-komplexität.gifIn dem Taschenbuch (UTB) Mainzer, K. (2008): Komplexität geht der Autor auf den aktuellen Trend zur Komplexitätsforschung ein (Seite 10): “Komplexitätsforschung beschäftigt sich fachübergreifend mit der Frage, wie durch die Wechselwirkung vieler Elemente eines komplexen Systems (z.B. Moleküle in Materialien, Zellen in Organismen oder Menschen in Märkten und Organisationen) Ordnungen und Strukturen entstehen können, aber auch Chaos und Zusammenbrüche. Komplexitätsforschung hat das Ziel, Chaos, Spannungen und Konflikte in komplexen Systemen zu erkennen und ihre Ursachen zu verstehen, um daraus Einsichten für neue Gestaltungspotentiale der Systeme zu gewinnen.” Zentrale Bedeutung haben hier Begriffe wie “Selbstorganisation” und “Emergenz”. Mich interessieren dabei komplexe dynamische Systeme von Menschen in Märkten und Organisationen. Dazu habe ich in dem Taschenbuch wertvolle Hinweise gefunden. Siehe zu dem Thema auch Mitchell, S. (2008): Komplexitäten oder Malik, F. (2008): Wie Organisationen sich selbst organisieren.

Komplexe Welt: 3sat-Sendung vom 24.07.2008 (Wdhlg.)

Regenbogen2.jpgEs ist schon erstaunlich, wenn ein Fernsehsender eine Sendung über Komplexität ausstrahlt. Am 24.07.2008 habe ich mir die Sendung Komplexe Welt auf 3sat angesehen. Es wurde deutlich, was heute unter Komplexität zu verstehen ist und wie sich diese Erkenntnis in den verschiedenen Bereichen Klima, Gehirn, Medizin, Ökonomie und Physik auswirkt: “Nach der Chaostheorie ist das Leitthema der Wissenschaften nun die Komplexitätsforschung. Dahinter steht nach Meinung vieler Wissenschaftler ein massives Umdenken, eine Revolution, die von den harten Naturwissenschaften wie Physik über die Biologie bis hin zur Gesellschaft, zur Philosophie und Religion reicht. Denn überall sind komplexe, also dynamische und anpassungsfähige, sich entwickelnde Systeme am Werk. Auch bei den Mechanismen der Zelle und in Materie und Energie.” Zu der Sendung stehen viele Videos und Audiofiles zur Verfügung. Es ist sehr erfreulich, dass sich 3sat mit dem Thema Komplexität so intensiv befasst hat. Möglicherweise haben diese Sendung ja auch einige Politiker gesehen und erkannt, dass nicht alles auf einfache Ursache-Wirkung-Beziehungen zurückzuführen ist… In komplexen Systemen kommt der Selbstorganisation eine wichtige Rolle zu. Siehe dazu auch Kompetenz als Selbstorganisationsdisposition oder auch Mitchell, S. (2008): Komplexitäten.

Mitchell, S. (2008): Komplexitäten. Warum wir erst anfangen, die Welt zu verstehen

mitchell.jpgDas Buch Mitchell, S. (2008): Komplexitäten. Warum wir erst anfangen, die Welt zu verstehen beschreibt sehr schön, welche Themen in der Diskussion um Komplexität aktuell sind. Dabei vertritt sie folgende These (S. 22): “Komplexität, ob in der Biologie oder anderswo, liegt nicht außerhalb unserer Verständnisfähigkeit, sondern sie erfordert eine neue Art von Verständnis. Dieses setzt voraus, daß man genauer analysiert, in welch vielfältiger Form der Kontext die Naturphänomene mitgestaltet.” Es freut mich dabei natürlich, dass Sandra Mitchell ausdrücklich auf die wichtige Rolle von Kontext eingeht. Wie Sie als Leser meines Blogs wissen, weise ich darauf auch immer wieder im Rahmen der Kompetenzdebatte hin (Promotionsskizze). Nicht zuletzt zeigt die Autorin auch, dass komplexe Systeme und deren emergente Eigenschaften mit Hilfe von Selbstorganisation und Rückkopplungsschleifen erklärbar sind (S. 53). Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen. Siehe dazu auch die Rezension von Andreas Franke vom 19.06.2008.