Wisdom of Crowds – Schwarm Intelligenz – Kollektive Intelligenz

Quelle: Feldhusen, B. (2021)

Der Begriff “Künstliche Intelligenz” hat uns wieder darauf gestoßen, dass es Sinn macht, sich auch mit der Menschlichen Intelligenz zu befassen. Entscheidend dabei ist, was unter der Menschlichen Intelligenz verstanden wird, und was unter einer gemeinsamen, eher Kollektiven Intelligenz verstanden wird.

Wie die Leser unseres Blog wissen, tendieren wir dazu, wie Howard Gardner von Multiplen Intelligenzen zu sprechen, was einer Ergänzung/Entgrenzung des klassischen Intelligenz-Quotienten entsprechen würde. Multiple Intelligenzen sind nach Howard Gardner “biopsychologisches Potential”, sodass der Begriff “Künstliche Intelligenz” eher ein Kategorienfehler ist. Siehe dazu auch OpenAI Model “o1” hat einen IQ von 120 – ein Kategorienfehler? Intelligenz kann dabei auf der individuellen Ebene, auf der Gruppenebene, auf der Ebene der Organisation, oder auch in Netzwerken thematisiert werden.

In diesem Beitrag soll es hauptsächlich um eine gemeinschaftliche, Kollektive Intelligenz gehen, die nicht einfach eine Menge von Individuen bedeutet, sondern erst unter bestimmten Bedingungen entsteht. Dazu gab es in der Vergangenheit weitere Begriffe wie Wisdom of Crowds, Schwarmintelligenz und eben Kollektive Intelligenz, die sich in ihrer Interaktionsqualität von Kumulation/Aggregation bis hin zu Interaktion/Kreation unterscheiden (Abbildung). Diese Unterschiede beschreibt Feldhusen (2021) wie folgt:

“Vielmehr entsteht Kollektive Intelligenz durch die Qualität menschlicher Begegnung und ihres Design- bzw. Organisationsprozesses. Entscheidend ist, wie wir uns und anderen zuhören, Unterschiede wahrnehmen und verarbeiten, aufeinander eingehen, uns auf neue Perspektiven einlassen, miteinander Lösungen verhandeln, uns und dem Prozess der Interaktion Aufmerksamkeit schenken. Wie eingangs zitiert, sieht Gary Hamel die Führungskräfte der Zukunft als Architekten sozialer Systeme. Dies bedeutet für die meisten Mitarbeiter/innen und Führungskräfte einen tiefgreifenden Reife- und Entwicklungsprozess hin zu einer Haltung, die dem Gegenüber mindestens die gleiche Bedeutung beimisst wie dem Selbst” (Feldhusen, B. (2021): Kollektive Intelligenz und Psychologische Sicherheit: Haben wir Intelligenz im Gefühl?. Organisationsberatung Supervision Coach 28, 355–371 (2021). https://doi.org/10.1007/s11613-021-00719-2).

Siehe dazu auch Schwarmintelligenz: Die Weisheit der vielen und das Wissen der Eliten.

Anmerkungen zur 3sat-Sendung “Schwärme. Über kollektive Intelligenz”

Gestern Abend habe ich mir in 3sat die Sendung Schwärme. Über kollektive Intelligenz angesehen, obwohl das Thema schon vor einem Jahr in einer Sendung ausführlich beleuchtet wurde… Der gut vorbereitete Moderator hatte sich kompetente Gäste eingeladen: Die Informatikerin Constanze Kurz, den Verhaltensbiologen und Schwarmforscher Jens Krause und den Literaturwissenschaftler Niels Weber. Darüber hinaus wurden kleine Filme gezeigt, die verschiedene Aspekte des Phänomens Schwarmintelligenz beleuchteten. Der häufig benutzte Begriff der Intelligenz wurde für den diskutierten Zusammenhang allerdings nicht ausreichend geklärt, was zu Mißverständnissen führte. Letztendlich habe ich mich gefragt, warum kein Sozialwissenschaftler anwesend war (nur in Filmausschnitten erwähnt), denn es ging auch um die Frage, ob die Erkenntnisse aus der Soziobiologie auf den Menschen mit seinen sozialen Interaktionen übertragbar sind. In den Gesprächen kamen immer wieder Formulierungen vor wie “unter bestimmten Bedingungen übertragbar”, “teilweise übertragbar” oder ähnliches. Möglicherweise liegt es an den Besonderheiten von komplexen sozialen Systemen:

“Das ´sowohl – als auch´ von absichtsvollem Verhalten und Unvorhersehbarem macht allerdings nur komplexe soziale Systeme aus (vgl. Czada/Schimank 2000:39, Hervorhebungen im Original, vgl. dazu auch Mayntz 1998:12, Güth/Kliemt 2009:14), daher sind naturwissenschaftliche Modelle nur auf einen kleinen Bereich sozialer Phänomene  anwendbar, bei denen keine Gestaltungsaktivitäten vorkommen (vgl. Czada/Schimank 2000:37, Haken 2006:3)” (Freund 2011:29-30).

Siehe dazu zum Beispiel Open Innovation, Crowdsourcing, Schwarmintelligenz usw. oder einfach nur Soziologie?, Bonabeau/Meyer (2010): Swarm Intelligence – A Whole New Way To Think About Business, Schwarmintelligenz: Sonderheft 08/2007 des National Geograhic, IQ aus Sicht der Komplexitätsforschung, Aulinger (2006): Kollektive Intelligenz – Zugänge zur Intelligenz der vielen Unverbundenen

Was ist nun wieder Crowdsourcing?

crowdsourcing.gifIn dem Blog von Jeff Howe geht es um Crowdsourcing. Ein Begriff, der wohl ganz bewusst an outsourcing erinnert. Crowdsourcing soll einen anderen Weg aufweisen, nämlich die Intelligenz von vielen Usern zu nutzen. In einem Beitrag von Wired (Juni 2006) werden die Zusammenhänge ein wenig genauer beschrieben. Warum allerdings ein neuer Begriff dafür kreiert werden muss, ist mir schleierhaft. Denn mit Open Innovation, Interaktive Wertschöpfung, Kollektive Intelligenz, Swarm Intelligence, usw. gibt es schon viele Ansätze. Grundlage ist jeweils die Erkenntnis, dass (unter Umständen) viele, relativ autonome Nutzer Leistungen erbringen können, die einzelne einfach nicht hinbekommen. Dabei sind allerdings verschiedenen Rahmenbedingungen zu beachten, damit so ein Modell erfolgreich sein kann. Diese Rahmenbedingungen sind bei Open Innovation oder auch bei Interaktive Wertschöpfung herausgearbeitet worden. Bei crowdsourcing handelt es sich um einen Begriff, der nun noch mit Leben (Rahmenbedingungen, Abgrenzung zu anderen Konzepten usw.) gefüllt werden muss. Ansonsten bleibt es bei der Aufzählung von Möglichkeiten und Beispielen – das reicht nicht. Es kann also auch durchaus sein, dass Fritz Simon mit seinem Buchtitel recht hat: Gemeinsam sind wir blöd!?

Aulinger, A. (2006): Kollektive Intelligenz – Zugänge zur Intelligenz der vielen Unverbundenen

kollektive_intelligenz.gifIn dem Beitrag (Working Paper) von Prof. Dr. Aulinger wird vorgeschlagen, das Thema Kollektive Intelligenz differenzierter zu betrachten: “Dazu werden [nachfolgend] zwei Hauptströmungen kollektiver Intelligenz beschrieben, von denen jede wiederum zahlreiche Ausdifferenzierungen kennt. Dabei handelt es sich um (1) um die Intelligenz der vielen Unverbundenen und (2) um die Intelligenz der vielen Verbundenen.” Weiterhin werden noch konkrete Anwendungsmöglichkeiten aufgezeigt.