“Innovation” und “Innovationsmanagementsystem” nach ISO-Norm

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Innovationen sind den Standort Deutschland wichtig – für die gesamte Gesellschaft und für Organisationen. Im Jahr 2019 wurde dazu in der ISO 56002 ein Rahmen für das Innovationsmanagement in Organisationen veröffentlicht. Zusammen mit der übergeordneten ISO 56000 wird auch eine einheitliche Definition von “Innovation” und “Innovationsmanagement” festgelegt:

Eine Innovation beschreibt hier eine “neue oder veränderte Einheit, die Wert schafft oder neu verteilt” (ISO 56000).

“Ein Innovationsmanagementsystem ist ein Satz zusammenhängender oder sich gegenseitig beeinflussender Elemente die auf der Schaffung von Wert abzielen. Es bietet einen gemeinsamen Rahmen zum Entwickeln und Bereitstellen von Innovationsfähigkeiten, Beurteilen von Leistung und Erreichen von beabsichtigten Ergebnissen” (ISO 56002:2019), gefunden in Flore/Würdemann (2024), projektmagementaktuell 05/2024).

In der nationalen und internationalen Zusammenarbeit ist es immer gut, Begriffe zu standardisieren, um die Kommunikation zu vereinfachen. Ich frage mich allerdings, ob die in den letzten Jahrzehnten veröffentlichten Normen zum Innovationsmanagement in Organisationen wirklich dazu beigetragen haben, dass Organisationen innovativer geworden sind. Die Realität sieht m. E. in Deutschland nicht danach aus…. Siehe dazu auch:

“Innovation”: Definition aus 2018 (Oslo Manual)

Künstliche Intelligenz im Innovationsprozess von Organisationen.

Künstliche Intelligenz und Open Innovation.

Inflation der Innovationspreise?

Künstliche Intelligenz und Open Innovation

AI (Artificial intelligence) AI management and support technology in the Business plan marketing success customer. AI management concept.

Zunächst sollten Sie sich noch einmal klar machen, wie sich Closed Innovation und Open Innovation unterscheiden. Wie so oft, gibt es nicht nur die beiden Pole, sondern ein Innovations-Kontinuum (Roth 2008). Weiterhin finden Sie in dem Beitrag Künstliche Intelligenz im Innovationsprozess von Organisationen Hinweise dazu, welche Vorteile, bzw. Nachteile es geben kann, wenn für jeden Schritt im Innovationsprozess eines der bekannten KI-Modelle wie ChatGPT, Gemeni etc. genutzt wird.

In diesem Beitrag geht es mir darum aufzuzeigen, wie Künstliche Intelligenz bei Open Innovation genutzt werden kann. Wie der folgenden Tabelle zu entnehmen ist, kann zwischen der Verbesserung von Open Innovation durch KI (OI-Enhancing AI), einer Ermöglichung von Open Innovation durch KI (OI-Enabling AI) und der Ersetzung von Open Innovation durch KI (OI-Peplacing AI) unterschiedenen werden. Die jeweils genannten Beispiele zeigen konkrete Einsatzfelder.

DescriptionExamples
OI-Enhancing AIAI that enhances established forms of open innovation by utilizing the advantages of AI complemented with human involvementInnovation search
Partner search
Idea evaluation
Resource utilization
OI-Enabling AIAI that enables new forms of open innovation, based upon AI’s potential to coordinate and/or generate innovationAI-enabled markets
AI-enabled open business models
Federated learning
OI-Replacing AIAI that replaces or significantly reshapes established forms of open innovationAI ideation
Synthetic data
Multi-agent systems
Quelle: Holgersson  et al. (2024)

Alle drei Möglichkeiten – mit den jeweils genannten Beispielen – können von einem KI-Modell (z.B. ChatGPT oder Gemeni etc.) der eher kommerziell orientierten Anbieter abgedeckt werden. Dieses Vorgehen kann als One Sizes Fits All bezeichnet werden.

Eine andere Vorgehensweise wäre, verschiedene spezialisierte Trainingsmodelle (Large Language Models) für die einzelnen Prozessschritte einzusetzen. Ein wesentlicher Vorteil wäre, dass solche LLM viel kleiner und weniger aufwendig wären. Das ist gerade für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) von Bedeutung.

Nicht zuletzt kann auch immer mehr leistungsfähige Open Source AI eingesetzt werden. Dabei beziehe ich mich auf die zuletzt veröffentlichte Definition zu Open Source AI. Eine Erkenntnis daraus ist: OpenAI ist kein Open Source AI. Die zuletzt veröffentlichten Modelle wie TEUKEN 7B oder auch Comon Corpus können hier beispielhaft für “wirkliche” Open source AI genannt werden.

Weiterhin speilen in Zukunft AI Agenten – auch Open Source – eine immer wichtigere Rolle.

Künstliche Intelligenz im Innovationsprozess von Organisationen

Quelle: AdobeStock_650993865

Innovationen sind für eine Gesellschaft, und hier speziell für marktorientierte Organisationen wichtig, um sich an ein verändertes Umfeld anzupassen (inkrementelle Innovationen), bzw. etwas ganz Neues auf den Markt zu bringen (disruptive Innovationen).

Organisationen können solche Innovationen in einem eher geschlossenen Innovationsprozess (Closed Innovation) oder in einem eher offenen Innovationsprozess (Open Innovation) entwickeln.

Darüber hinaus können die Innovationen von Menschen (People Driven) oder/und von Technologie (Data Driven) getrieben sein. Aktuell geht es in vielen Diskussionen darum, wie Künstliche Intelligenz (AI: Artificial Intelligence) und die damit verbundenen Trainingsdaten (LLM: Large Language Models) im Innovationsprozess genutzt werden können.

Im einfachsten Fall würde sich eine Organisation den Innovationsprozess ansehen, und in jedem Prozessschritt ein Standard-KI-Modell wie ChatGpt, Gemini, Bart usw. nutzen. Die folgende Tabelle stellt das grob für einen einfachen Innovationsprozess nach Rogers (2003) dar:

Opportunity identification and idea generationIdea evaluation and selectionConcept and solution developmentCommercialization launch phase
e.g. identifying user needs, scouting promising technologies, generating ideas;e.g. idea assessment, evaluatione.g. prototyping, concept testinge.g. marketing, sales, pricing
ChatGPT, Gemeni, etc.ChatGPT, Gemini, etc.ChatGPT, Gemini, etc.ChatGPT, Gemini, etc.
Eigene Darstellung

Dieser Ansatz könnte als One Size fits all interpretiert werden: Eine Standard-KI für alle Prozessschritte.

Dafür sprechen verschiedene Vorteile:
– Viele Mitarbeiter haben sich schon privat oder auch beruflich mit solchen Standard-KI-Modelle beschäftigt, wodurch eine relativ einfache Kompetenzentwicklung möglich ist.
– Die kommerziellen Anbieter treiben AI-Innovationen schnell voran, wodurch es fast “täglich” zu neuen Anwendungsmöglichkeiten kommt.
– Kommerzielle Anbieter vernetzen KI-Apps mit ihren anderen Systemen, wodurch es zu verbesserten integrierten Lösungen kommt.

Es gibt allerdings auch erhebliche Nachteile:
– Möglicherweise werden auch andere Organisationen/Wettbewerber so einen Ansatz wählen, sodass kaum ein grundlegendes Alleinstellungsmerkmal erzielt werden kann.
– Kritisch ist auch heute noch, ob es sich bei den verwendeten Trainingsdaten (Large Language Models) nicht um Urheberrechtsverletzungen handelt. Etliche Klagen sind anhängig.
– Weiterhin können die für Innovationen formulierte Prompts und Dateien durchaus auch als Trainingsdaten verwendet werden.
– Die LLM sind nicht transparent und für alle zugänglich, also sie sind keine Open Source AI, auch wenn das von den kommerziell betriebenen KI-Modellen immer wieder suggeriert wird.
– Organisationen sind anhängig von den Innovationsschritten der kommerziellen Anbieter.
– Die Trainingsdatenbanken (Large Language Models) werden immer größer und damit natürlich auch teurer.
– Nicht zuletzt ist unklar, wie sich die Kosten für die kommerzielle Nutzung der KI-Apps in Zukunft entwickeln werden – eine gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht zu unterschätzende Komponente.

Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollten die genannten Vorteile und Nachteile abwägen und überlegen, wie sie Künstliche Intelligenz in ihrem Innovationsprozess nutzen wollen.

In unserem Blog werde ich in der nächsten Zeit weitere Möglichkeiten aufzeigen.

Henry Chesbrough über die Zukunft von Open Innovation

Wenn es um Open Innovation geht, wird meistens die Veröffentlichung von Henry Chesbrough aus dem Jahr 2003 genannt: Open Innovation: The New Imperative for Creating and Profiting from Technology.

Dabei stellt Chesbrough dar, wie sich der bisher geschlossene Innovationsprozess (Closed Innovation) immer mehr öffnet. indem Organisationen für den dazugehörenden Wissensfluss (neue) technologische Möglichkeiten einsetzen (Abbildung). Darüber hinaus hatte Chesbrough bei seiner Veröffentlichung seinen Fokus auf Großunternehmen gelegt, und entsprechende Beispiele beschrieben. Nach mehr als 20 Jahren hat Henry Chesbrough nun einen sehr lesenswerten Artikel veröffentlicht:

Chesbrogh, H. (2024): Open Innovation: Accomplishments and Prospects for the Next 20 Years, in: California Management Review, Volume 67, Issue 1, November 2024, Pages 164-180 | Link

Der Beitrag zeichnet die Entwicklungslinien von Open Innovation für Organisationen noch einmal nach, und ordnet diese ein. Ich habe hier absichtlich “für Organisationen” ergänzt, da das Verständnis von Open Innovation nach Chesbrough auf ein offeneres Business Model von Organisationen abzielt.

Dieser Hinweis ist deshalb wichtig, da es auch eine andere Perspektive auf Open Innovation gibt, und zwar die von Eric von Hippel. Siehe dazu von Hippel, E. (2005): Democratizing Innovation und von Hippel, E. (2017): Free Innovation. Dieser Blick ist eher Bottom-Up gerichtet, da er davon ausgeht, dass jeder Mensch in seinem täglichen Umfeld Möglichkeiten sieht, innovativ zu sein. Mit Hilfe neuer Technologien wird es fast jedem möglich sein, Innovationen zu entwickeln und anzubieten – entweder kommerziell oder frei nutzbar für andere Menschen.

Abschließend möchte ich Open Innovation auch noch mit den größeren gesellschaftlichen Entwicklungen der Modernisierung in Verbindung bringen. ein Ergebnis von Entgrenzungstendenzen, die sich aus der Reflexiven Modernisierung ergeben haben. Dabei handelt es sich um einen Strukturbruch zwischen einfacher und reflexiver Modernisierung.

Siehe dazu auch meine verschiedenen Veröffentlichungen zu Open Innovation, beispielsweise

Freund, R. (2016): Cognitive Computing and Managing Complexity in Open Innovation Model. Bellemare, J., Carrier, S., Piller, F. T. (Eds.): Managing Complexity. Proceedings of the 8th World Conference on Mass Customization, Personalization, and Co-Creation (MCPC 2015), Montreal, Canada, October 20th-22th, 2015, pp. 249-262 | Springer

Technologie-Grid Deutschland: Relative Bedeutung von Innovationsfeldern und Zeit bis zum kommerziellen Durchbruch

Quelle: Weber, T.; Süssenguth, S. (Hrsg.) (2024): Innovationsfähigkeit in der Zeitenwende, acatech IMPULS vom 27.11.2024 | Website

Über die Innovationsfähigkeit Deutschlands habe ich in den letzten Jahren verschiedene Beiträge geschrieben. Es war schon lange abzusehen, dass Deutschland (Europa) den Anschluss an die USA und an China bei den wichtigsten Innovationsfeldern verloren hat. Von der Politik wird allerdings immer noch versucht, Innovation auf allen Ebenen Top-Down zu planen, und zu fördern/steuern. Dadurch werden sehr viele Ressourcen im gesamten Innovations-Ökosystem verschwendet, und ein Bottom-Up-Ansatz vernachlässigt. Um es etwas drastisch auszudrücken: Es gibt mehr Innovations-Preise als wirkliche Innovationen (Siehe beispielhaft meinen Blogbeitrag aus dem Jahr 2010).

Wenn wir uns der Zukunft zuwenden ist es interessant sich klarzumachen, wie sich wichtige Innovationsfelder entwickeln. Dabei sollte die jeweilige Bedeutung und das zeitliche Eintreten beachtet werden. Genau das wurde mit Hilfe von Hintergrundgesprächen und der Sichtung verschiedener Quellen gemacht, und in ein Technologie-Grid überführt (Abbildung), das durchaus interessante Ergebnisse liefert.

Deutlich zu erkennen ist beispielsweise, dass viele der Pfeile nach links zeigen, was bedeutet, dass die jeweilige Technologie früher als noch in 2021 erwartet ihren Durchbruch erzielen soll. Weiterhin ist zu erkennen, dass Cybersecurity, von seiner Bedeutung in 2021 eher “mittel”, nun als “sehr hoch” eingestuft wird.

Es lohnt sich, diesen Teil der Veröffentlichung genauer zu analysieren um zu erkennen, welche Möglichkeiten – welche Innovationsprojekte – sich aus diesen Entwicklungen für die eigene Organisation ableiten lassen.

Quelle: Weber, T.; Süssenguth, S. (Hrsg.) (2024): Innovationsfähigkeit in der Zeitenwende, acatech IMPULS vom 27.11.2024 | Website.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in Agil (IHK), die wir an verschiedenen Standorten anbieten. Weitere Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Lückenanalyse: Gibt es genug Innovationsprojekte?

IHK Bayern (2013:20)

Die Abbildung zeigt was mit dem Gewinn einer Organisation passiert, wenn keine weiteren Innovation auf den Markt gebracht werden, bzw. Innovationen zur Gewinnsteigerung beitragen sollen (Lückenanalyse).

Als Ergebnis der Ideenfindung, z.B. durch den Einsatz von Kreativitätstechniken, liegen in der Regel viele Innovationsideen (50 bis mehrere 100) dokumentiert vor. Da nicht alle Ideen Substanz aufweisen und umsetzbar sind, sowie die Ressourcen in Organisationen begrenzt sind, können nur wenige Ideen in neue Produkte/Dienstleistungen umgesetzt werden. Ideen sollten daher in Potentialniveaus eingeteilt werden (CEN/TS 16555-6:2014).

Es gilt, in einem Bewertungs- und Auswahlprozess effizient die aussichtsreichsten Ideen herauszufiltern. Berücksichtigt man beispielsweise die beiden Dimensionen Budget/Kosten und Nutzen, so ergibt sich das ein priorisiertes Portfolio.

Projekte im Sektor „Quick Wins“ sind schnell umsetzbar, da ihr Nutzen hoch ist und die benötigten Kosten niedrig sind. Weiterhin ergeben sich noch „KVPs“ (Kontinuierliche Verbesserungen), „Strategische Themen“ (Projekte mit strategischer Relevanz) und „Question Marks“ (Wirkung fraglich). 

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in Agil (IHK), die wir an verschiedenen Standorten anbieten. Weitere Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Innovationsökosysteme können von einem starren Qualitätsmanagement behindert werden

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Die Zertifizierung nach ISO 9001 bedeutet, dass alle Prozesse einer Organisation dokumentiert und wirksam eingeführt wurden (Qualitätsmanagementsystem). Es ist also ein Mindestmaß an Management-Qualität dokumentiert. Prozesse wie Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen oder auch der Ablauf im Vertragswesen usw. sind beschrieben, und die Mitarbeiter halten sich möglichst daran. Für Abweichungen von den Prozessen, oder bei Verbesserungen (KVP) gibt es weitere Prozessbeschreibungen.

Solche Managementsysteme sind gut bei einem relativ stabilen Umfeld, bei dem die Prozesse marginal, kontinuierlich verbessert werden. Das führt dann auch immer wieder zu inkrementellen Innovationen, die allerdings heute alleine nicht mehr ausreichen. Das turbulente Umfeld erwartet in Innovationsökosystemen viele – und immer schneller – Innovationen, die eher disruptiv sind. In so einem beschleunigten Umfeld kommen Organisationen mit ihrem Qualitätsmanagementsystem oftmals gar nicht mehr hinterher. Bernhard Lingens fasst das wie folgt zusammen:

“Bei Innovationsökosystemen geht es darum, mit Partnern zusammen Innovationen zu realisieren. Dies erfordert Koordination und Geschwindigkeit. Verträge sind schwierig, weil alle Partner auf Augenhöhe arbeiten. Schnelligkeit und der schnelle Marktstart sind entscheidend. Ein starres Qualitätsmanagement könnte diesen Prozess behindern. Versuche, komplexe Liefergegenstände vertraglich zu definieren, sind hier oft zum Scheitern verurteilt. Ein Minimum Viable Product (MVP) ist oft wichtiger als Perfektion, um schnell Feedback zu erhalten und iterativ zu verbessern” (Interview mit Prof. Dr. Bernhard Lingens, in: qz-online vom 07.11.2024).

Die Stärken traditioneller Managementsysteme des Scientific Managements haben den eher auf Routine ausgerichteten Organisationen eine Struktur gegeben, die jahrzehntelang zum Erfolg ganzer Branchen, oder auch der Verwaltungen, beigetragen haben.

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Umfeld durch die Vernetzung von allem erheblich beschleunigt, sodass die neuen komplexen Probleme mit diesen Ansätzen immer weniger zeitnah gelöst werden können. Das wird in der Zwischenzeit allen klar. Doch ist es immer wieder Erstaunlich, wie lange sich Systeme gegen eine Veränderung streuben – bis es dann gar nicht mehr geht. Der Volkswagen-Konzern, und auch staatliche Strukturen, sind hier Negativ-Beispiele. Dort galt und gilt (?) immer noch das Credo: Wer sich zuerst bewegt, verliert…

Society 5.0 und Mass Customization

Über Society 5.0 habe ich hier schon mehrfach geschrieben. Zu beachten ist, dass Society 5.0 sich von dem im deutschsprachigen Raum geläufigen Industry 4.0 oder Industry 5.0 unterscheidet. Siehe dazu Worin unterscheiden sich Industry 5.0 und Society 5.0?

Bei Society 5.0 steht der Mensch im Mittelpunkt, wobei die technologischen Möglichkeiten helfen sollen, die vielfältigen / multiplen komplexen Probleme zu lösen.

Das Konzept Society 5.0 wurde 2016 in Japan grob skizziert und 2019 konzeptionell veröffentlicht. Es ist erstaunlich, dass sich auch die Europäische Union daran orientieren will. Ein wichtiger Bestandteil der Society 5.0 ist auch Mass Customization, ein Konzept, das vor mehr als 30 Jahren von B. Joseph Pine skizziert wurde. Siehe dazu auch Freund, R. (2009): Kundenindividuelle Massenproduktion (PDF).

Ich finde es deshalb erstaunlich, da Mass Customization auf den jeweiligen Konferenzen immer wieder als Lösungsansatz dargestellt wurde, allerdings in vielen Bereichen nicht wirklich zu einem Durchbruch geführt hat. Die Hybride Wettbewerbsstrategie hat sich über die vielfältigen Konfiguratoren nur indirekt durchgesetzt. Was Mass Customization and Personalization im Kern bedeutet, ist vielen Organisationen immer noch nicht so ganz klar. Das sollte es aber, denn Mass Customization ist ein Eckpfeiler von Society 5.0:

Japan’s National Institute of Advanced Industrial Science and Technology report lists the following six topics as basic technologies for realizing Society 5.0:
– Technology for enhancing human capabilities, fostering sensitivity, and enabling control within Cyber-Physical Systems (CPS).
– AI hardware technology and AI application systems.
– Self-developing security technology for AI applications.
– Highly efficient network technology along with advanced information input and output devices.
– Next-generation manufacturing system technology designed to facilitate mass customization.
– New measurement technology tailored for digital manufacturing processes.
Quelle: Wikipedia

EU IP Helpdesk (2024): Open Innovation

Quelle: https://intellectual-property-helpdesk.ec.europa.eu/document/download/7d8d109e-263f-4676-9239-7d4fa3f8233c_en (PDF)

Die früher eher geschlossenen Innovationsprozesse (Closed Innovation) werden in Organisationen immer mehr gegenüber externen Partnern geöffnet. Diese Entgrenzung des Innovationsprozesses hat Henry Chesbrough (2003) konzeptionell als Open Innovation zusammengefasst. In der Zwischenzeit gibt es viel große, aber auch immer mehr Kleine und Mittelständische Unternehmen (KMU), die den Vorteil in externer Wissensintegration und in entsprechenden externen Kollaborationen sehen.

Aus dieser Entwicklung entsteht zwangsläufig die Frage, wie mit geistigen Eigentum bei Open Innovation umgegangen werden soll, denn das “übliche” Schutzrecht bezieht sich auf die traditionell geschlossenen Innovationsprozesse mit ihren klaren Abgrenzungen.

Das European IP Helpdesk befasst sich grundsätzlich mit den Fragen der Rechte an Geistigen Eigentums (Intellectual Property Rights) und hat in seiner Ausgabe 8 im Oktober eine entsprechendes Bulletin veröffentlicht: European IP Helpdesk (2024): Open Innovation. Es ist gut, wenn auf europäischer Ebene auf Open innovation und auf die damit verbundenen Herausforderungen hin einer Veröffentlichung hingewiesen wird.

Darüber hinaus hätte ich mir gewünscht, dass sich das European IP Helpdesk auch mit der Frage befasst, wie geistiges Eigentum in Open User Innovation auf europäischer Ebene betrachtet werden sollte. Dieser Blick auf Innovation geht nicht von Organisationen, sondern von einzelnen Bürgern aus, die innovativ sind. Auch hier stellt sich die Frage nach den geistigen Eigentumsrechten. Siehe dazu auch Innovationsmanagement.

Open Innovation: Anmerkungen zu einer Capgemini-Studie

Capgemini Research Institute (2023): The power of open minds

Seit Henry Chexbrough (2023) darauf hingewiesen hat, dass es für Organisationen Sinn macht, ihren Innovationsprozess zu öffnen (Open Innovation), gibt es immer wieder auch Studie dazu. Die Veröffentlichung Capgemini Research Institute (2023): The power of open minds. How open innovation offers benefits for all (PDF) ist eine davon. Insgesamt ist der Tenor, dass Organisationen davon profitieren, ihren Innovationsprozess zu öffnen. Allerings soll es dabei noch Verbesserungspotenzial geben.

Es ist lobenswert, wenn das Capgemini Research Institute die Erfahrungen von Organisationen mit Open Innovation darstellt, und auch Potenziale für Verbesserungen aufzeigt. Dabei ist natürlich zu beachten, dass die Autoren ausnahmslos von Capgemini sind und Capgemini ein Beratungsunternehmen ist, das möglicherweise mit der studie eigene Ziele verfolgt. Honi soit qui mal y pense.

Die Autoren gehen auch nicht tiefer darauf ein, wie es zu dem Trend zu mehr Open Innovation überhaupt kommt. Das Phänomen “Open Innovation” kann beispielsweise aus der Reflexiven Modernisierung mit ihren Entgrenzungstendenzen, also aus sozialwissenschaftlichen Betrachtungen angeleitet werden.

Weiterhin ist das Öffnen des Innovationsprozesses nicht immer gut für Organisationen. Wie Schäper et al. (2023) dargestellt haben, ähnelt die finanzielle Performance von Open Innovation eher einer S-Kurve – und weiter: “that firms are not well-advised to open up their innovation processes as far as possible”. Siehe dazu ausführlicher Open Innovation und die finanzielle Performance von Unternehmen.

Abschließend fehlt mir auch noch der Hinweis darauf, dass man Open Innovation auch noch anders interpretieren kann. Genau das hat Eric von Hippel gemacht, indem er nicht von Organisationen ausgeht. Der Ansatz von Eric von Hippel ist, dass jeder Einzelne innovativ sein kann. Diese Innovationen findet man allerdings nicht in den offiziellen Statistiken zu Innovationen von Ländern. Open Innovation ist hier ein Open User Innovation, das Innovation demokratisiert. Siehe dazu von Democratizing Innovation zu Free Innovation.