In den letzten mehr als 100 Jahren wurden alle Bereiche der Gesellschaft (Unternehmen, Staatliche Strukturen, Schulen, etc.) arbeitsteilig im Sinne des Taylorismus organisiert, um massenhaft Standard-Produkte und Standard-Dienstleistungen herzustellen. In so einem Umfeld entsteht eine Geisteshaltung, die Wert auf das Trennende legt.
Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Wissen auf allen Ebenen zurückgehalten wird, und es zu einem mangelnden Engagement auf allen Ebenen kommt (Individuum, Gruppe, Organisation, Netzwerk). Dazu habe ich folgende Quelle gefunden:
„Das Zurückhalten von Wissen und mangelndes Engagement [wurden] von Industriesoziologen wiederholt als hervorstechende Merkmale aller Massenproduktionssysteme bezeichnet (…)“ (Womack 1994:58).
Wenn Unternehmen also den offeneren Umgang mit Wissen für die Anpassungen an das neue, turbulente Marktumfeld benötigen, reicht es nicht aus, an die Mitarbeiter zu appellieren. Es müssen sich auch etablierte Strukturen/Systeme verändern, damit es zu einer “Kultur des geteilten Wissens” kommt.
In der aktuellen Übergangsphase haben wir die Situation, dass gerade staatliche Strukturen mit ihren administrativen und rechtlichen Vorgaben, Schutzrechte (Urheberrechte) usw. noch im alten System verhaftet sind, die Realität allerdings andere/neue Systeme benötigt. In diesem Spannungsfeld ist ein Graubereich entstanden, der vielen, die auf “Wissen teilen” setzen, sogar schaden kann.
Anfang des 19. Jahrhunderts kam es dabei nicht nur zur stärkeren Industrialisierung, sondern “vor allem in der Umstellung vom religiösen und metaphysischen auf das positive (objektive) Wissen der Wissenschaft, dessen Krönung in seinen Augen die Soziologie darstellen sollte” (Knoblauch 2020). Dabei bezieht sich der Author auf den Begründer der Soziologie, Auguste Comte. Dieser Bezug von Wissensgesellschaft und Wissenschaft wird in dem folgenden Abschnitt noch deutlicher dargestellt.
“Die Wissensgesellschaft zeichnet sich zudem dadurch aus, dass sich immer mehr Leute um das Wissen anderer kümmern: Wissen als Wissen wird zum Gegenstand menschlicher Kommunikation, menschlicher Arbeit und damit auch zur Ware. Die Vorstellung der Wissensgesellschaft zehrt aber nicht nur von der Wissensvermittlung im Bildungssystem, sondern es spielt vielmehr die Produktion von Wissen als Wissen eine zentrale Rolle und damit auch die Wissenschaft. Wir können deswegen von einer Verwissenschaftlichung sprechen. Diese Verwissenschaftlichung ist erkennbar an der zunehmenden Durchdringung auch der nichtwissenschaftlichen gesellschaftlichen Funktionsbereiche (Wirtschaft, Politik, Religion, Medien, Sport etc.) mit wissenschaftlichem Wissen. Einige Autoren sehen in dieser Verwissenschaftlichung die Ursachen für deren allmähliche Transformation, etwa zur Wissensökonomie, zur Wissenspolitik etc. (z. B. Stehr 2002)” (Knoblauch H. (2020): Von der Wissensgesellschaft zur empirischen Wissenschaftstheorie, in: Horatschek, A. M. (Hrsg.) (2020): Competing Knowledges – Wissen im Widerstreit. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, Band 9).
Wenn wir über Wissen sprechen, geht es auch um die Frage, wie Wissen geschützt werden kann, bzw. frei verfügbar sein sollte. In der Industriegesellschaft war es (ist es immer noch) üblich, beispielsweise Wissen über Innovationen in Form von Schutzrechten zu sichern – siehe dazu ausführlich Deutsches Patent- und Markenamt. Interessant dabei ist, dass dort das Urheberrecht nicht thematisiert wird, obwohl das Urheberrecht in einer wissensbasierten Gesellschaft immer wichtiger wird. In einer dynamischen Umgebung verändern sich die Rahmenbedingungen so schnell, das manche Unternehmen ihre Innovationen gar nicht mehr schützen lassen. Zu dem Verhältnis zwischen Recht und Wissen habe ich folgendes gefunden:
“Das Verhältnis von Recht und Wissen ist kein gut entwickeltes Gebiet der Rechtstheorie und Rechtswissenschaft. Dies könnte ein Vermächtnis des methodischen Ansatzes der deutschen Rechtstheorie sein, der wenig Raum für einen Wechsel zur Analyse des Rechts als wissenserzeugendes Verfahren lässt. Die Anwendung des Rechts basiert auf gemeinsamen Konventionen und Bedeutungen, die einen Anschein von Stabilität vermitteln. Dieser Anschein erodiert in dynamischen Umgebungen. Anstatt auf das Alltagswissen zurückzugreifen, schafft und rahmt das Gesetz in solchen Situationen wissensgenerierende Verfahren und Infrastrukturen, um das notwendige Wissen zu sichern, beispielsweise für die Regulierung” (Trute, H.-H., (2020): On Knowledge and Law: The Role of Law in the Generation and Harmonisation of Knowledge, in: Horatschek, A. M. (Hrsg.) (2020): Competing Knowledges – Wissen im Widerstreit. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, Band 9).
In der Industriegesellschaft wird immer noch von dem Primat der Planbarkeit, der Vorhersehbarkeit und der Berechenbarkeit ausgegangen. Durch die weltweite Vernetzung von Menschen, Technologien und Strukturen befinden wir uns allerdings in einem turbulenten Umfeld – in einem komplexen sozialen/wirtschaftlichen System, das andere Rahmenbedingungen braucht, um Wissen für die Gesellschaft, bzw. für Organisationen/Unternehmen nutzbar zu machen. Siehe dazu ausführlicher Der Strukturbruch zwischen einfacher und reflexiver Modernisierung, oder auch die Diskussionen über die Nutzung von z.B. ChatGPT (Künstlicher Intelligenz).
Es wird Zeit, dass die aufgebauten Strukturen der Bürokratie und des damit verbundenen Rechtsstaats wieder mehr Freiraum für die Entfaltung von Wissen zulassen. Die aktuelle Situation, dass unser Rechtssystem noch in alten Strukturen befindet, die Realität sich allerdings dynamisch weiterentwickelt, führt zu Spannungen und Graubereichen. Wissen zu “stehlen” ist teilweise ein Massensport geworden. Möglicherweise sind diese Zeilen etwas überspitzt formuliert, doch ist es m.E. wichtig, auf die Zusammenhänge aufmerksam zu machen.
In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK) gehen wir auch auf diese Zusammenhänge ein, und verweisen auf die genutzten Quellen. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.
In verschiedenen Beiträgen habe ich aufgezeigt, dass die Projektifizierung der Gesellschaft in Deutschland fortschreitet. Dabei ist kein Bereich ausgenommen: Wirtschaft, Verwaltungen, Non-Profit-Organisationen usw. Diese wiederum initiieren und führen Projekte aus den unterschiedlichsten Gründen durch. Die folgende Übersicht zeigt einige Beispiele.
Projects start for many different reasons: • In response to a client request for a new product or service. • In response to a market demand or opportunity for a new product or service. • In response to a change in legislation or organisational needs. • In response to an audit which outlines improvements that should be made. • In response to a new product or service from a competitor. • To make use of a new technology. • To integrate processes in the light of the merger of two or more departments. • To update an existing process. • To relocate to new premises. • To raise awareness on a topic. • To provide a proof-of-concept. • To migrate information to a new document management system. • To improve an existing service. Quelle: European Commission Centre of Excellence in Project Management (CoEPM²) (2021:7): PM² Project Management Methodology Guide 3.0.1
Natürlich ist diese Liste nicht vollständig, doch zeigt sie deutlich auf, wie vielfältig Projektarbeit sein kann. Da wir es in der Industriegesellschaft gewohnt waren, eher Routinen zu managen und in Abteilungen zu arbeiten, müssen in der neuen Arbeitswelt neue, projektorientierte Arbeitsformen gelernt werden. Immer mehr (alle) Mitarbeiter in Organisationen sollten wissen, wie sie mit Projekten umgehen können – ob klassisch plangetrieben, agil oder hybrid.
In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK) gehen wir auf diese Vielfalt der Projektarbeit ein. Informationen zu den Lehrgängen und zu aktuellen Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.
“Die Industriegesellschaft (einfache Moderne) mit ihrem Denk- und Handlungsmuster hat dazu geführt, dass viele Konstrukte auf einen generellen Faktor zusammengeführt wurden. Möglicherweise benötigen Menschen in diesen turbulenten Zeiten eine Zahl als eine Art Anker: ´People want a number to be anchored on´ (Taleb 2007:276), da sie nicht recht wissen, wie sie sich in die-sen unsicheren Zeiten verhalten sollen. Beispielhaft dafür sei hier die Ausrichtung der Organisationen an Finanzgrößen wie dem Return on Investment (ROI) oder dem Shareholder-Value genannt, an denen sich gerade anglo-amerikanische, aber auch viele europäische Unternehmen orientieren. Möglicherweise kann man auch die Bestimmung des Intelligenz-Quotienten (IQ) dieser Denkhaltung zuordnen. Kritiker führen an, dass solche Kennzahlen ´eine risikoreiche Reduzierung der Komplexität´ darstellen (Malik (2004:189). Somit birgt nicht das Risiko die Gefahr, sondern die Reduzierung der Komplexität ist risikoreich. Welche Gefahren sich daraus ergeben können, hat nicht nur die Krise auf den Finanzmärkten Ende 2008 deutlich gezeigt. Auch die mit diesen Steuerungsmechanismen einhergehende Orientierung an Quartalsergebnissen haben negativen Einfluss auf Unternehmen, da dadurch deren nachhaltige und langfristige Entwicklung nur bedingt möglich ist.”
Der Bundesbericht Forschung und Innovation 2020 liegt nun vor, und kann als Gesamtdokumentation im PDF-Format heruntergeladen werden. Darüber hinaus stehen auf der Website auch verschiedene Auswertungen als Grafiken zur Verfügung. Der Bericht hat das Ziel, “forschungs- und bildungspolitische Ziele” darzustellen. Er hat also eine politische Perspektive, und erwähnt schon auf Seite 13: “Deutschland ist ein Innovationsland. Es gehört zu den führenden Innovationsnationen und attraktivsten Wirtschaftsstandorten weltweit”. Das war so, ist so, doch wird das auch in Zukunft so sein?
Möglicherweise sind wir in unserem Innovationsverständnis noch zu sehr in dem Mindset der Industriegesellschaft gefangen. Da der Begriff “Innovation” in seinen vielfältigen Facetten 1.508 mal vorkommt wäre es gut zu wissen, was, unter “Innovation” zu verstehen ist. Ich habe allerdings keine Beschreibung dazu gefunden.
Warum das wichtig sein kann, möchte ich kurz an einem Beispiel illustrieren: Wird Innovation nicht alleine auf Organisationen bezogen (wie es beispielsweise im Oslo Manual aus dem Jahr 2005, oder auch bei Chesbrough mit seiner Perspektive auf Open Innovation beschrieben wird), müssten auch Innovationen thematisiert werden, die Bottom-Up entstehen. Diese durch Eric von Hippel aufgezeigten Potenziale von Innovationen einzelner Personen werden in den einschlägigen Statistiken nicht berücksichtigt, obwohl sie signifikant zur Innovationsfähigkeit einer Nation beitragen. Ausführlich werden diese Zusammenhänge in Eric von Hippel (2005): Democratizing Innovation (PDF) erläutert.
Weiterhin möchte ich auf folgenden Satz im Vorwort eingehen: ” Wir brechen auf in eine Zeit der digitalen Souveränität für ein weiterhin starkes Deutschland und Europa”. Wenn wir erst jetzt in eine Zeit der digitalen Souveränität aufbrechen, ist es möglicherweise etwas spät, denn das “Öl der Zukunft sind Daten”. Diese Daten werden allerdings schon lange von Google, Amazon, Facebook, Microsoft abgegriffen. Ähnliche “Datenkraken” gibt es in China mit Alibaba, Tencent WeChat usw. In Europe schauen wir bewundernd zu, und unternehmen seit Jahren … wenig. Die bisherigen Initiativen beispielsweise für eine Europäische Cloud waren ernüchternd. Siehe dazu den Beitrag Die “europäische Cloud” ist eine Kopfgeburt, die nicht überleben wird (Gründerszene vom 31.10.2019).
Meines Erachtens gibt es in Deutschland mehr Innovationspreise von Bürgermeistern, Landräten, Ministerpräsidenten, Zeitschriften, Verbänden, Unternehmensberatungen, Branchen usw. als wirkliche Innovationen.
Die früher eher landwirtschaftlich geprägte Gesellschaft hat sich in den vergangenen 150 Jahren zu einer Industriegesellschaft gewandelt, in der die industrielle Arbeit mit ihren arbeitsteiligen Strukturen dominant war. Nun stehen wir wieder vor einem Übergang: Von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft. Doch was versteht man heute unter ´Wissensgesellschaft´? In dem Grünbuch Arbeit4.0 (2015) wird der Begriff wie folgt beschrieben:
In einer Wissensgesellschaft werden Wissen und dessen Organisation zur Grundlage des sozialen Zusammenlebens und zu einer herausragenden ökonomischen Ressource, die in hohem Maße über die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften entscheidet. Arbeit geschieht verstärkt in Form von Wissens- und Kopfarbeit. Dabei wird der Zugang zu Wissen und die Teilhabe an Wissen über Bildung eine zentrale soziale Frage.
Es ist daher für jeden einzelnen, aber auch für Organisationen wichtig, sich mit dem Thema “Umgang mit Wissen” zu befassen. Wir haben dazu den Blended Learning Lehrgang Wissensmanager (IHK) entwickelt, in dem Sie die entsprechenden Kompetenzen aneignen können. Informationen dazu finden Sie auf unserer Lernplattform.
Der Newsletter des Instituts für Soziologie an der TU Chemnitz (Prof. Voß) weist auf ein sehenswertes Video zum Thema Was ist Arbeit? hin. Das Video ist gut gemacht und regt zum Nachdenken an…
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