Der Artikel Rauner, F. (2007): Praktisches Wissen und berufliche Handlungskompetenz (Europäische Zeitschrift für Berufsbildung Nr. 40 – 2007/1): “Die arbeitsorientierte Wende in der Didaktik beruflicher Bildung hebt die ´bedeutsamen´ beruflichen Arbeitssituationen und das darauf bezogene Arbeitsprozesswissen als Dreh- und Angelpunkt für die Gestaltung beruflicher Bildungsgänge und -prozesse hervor. Die Dramatik dieses Perspektivwechsels besteht nicht nur in der Abkehr von einer fach- und wissenschaftssystematischen Didaktik, sondern in der entwicklungstheoretisch begründeten Ausarbeitung einer beruflichen Didaktik für die Berufsbildungspraxis und die Berufsbildungsplanung. Für die gestaltungsorientierte Didaktik beruflicher Bildung, die diese Wende frühzeitig vollzogen hat, geht es in diesem Zusammenhang um eine Ausdifferenzierung der Wissenskategorie, vor allem unter dem Aspekt des praktischen Wissens und der praktischen Begriffe und auch als Grundlage für eine domänenspezifische Berufsbildungsforschung”. Rauner verweist auf Seite 10 dabei auf domänenspezifischen Kompetenzen in Zusammenhang mit der Multiple Intelligenzen Theorie von Howard Gardner. Siehe dazu auch Multiple Kompetenzen.
Fisher (2007): Howard Gardner Does Good Work
In dem Beitrag Fisher, L. M (2007): Howard Gardner Does Good Work (Strategy + Business, 47/2007) beschreibt der Autor den Zusammenhang zwischen der Multiple Intelligenzen Theorie und dem Geschäftsleben (Business). Howard Gardner ist im Bildungsbereich bekannt und wird in den letzten Jahren verstärkt auch in der Wirtschaft thematisiert. “His [Howard Gardners] reputation as a business author is based on his studies of the relationship between cognitive development and leadership ability, and the roots of the ability to influence others. (…) In the end, however, Gardner is right about at least one thing: The most valuable resource that any company has is the minds of the people who work there, and those minds return the most value when they are encouraged to grow in multiple directions, and to interact in unpredictable ways.” Siehe dazu auch Was macht eine Intelligente Organisation aus?, Multiple Intelligenzen in Unternehmen?, Multiple Intelligences and Leadership, Andriessen (2005): On the metaphorical nature of intellectual capital
Sind Intelligenzen erfolgreich förderbar?
Die Veröffentlichung Jaeggi/Buschkühl/Jonides/Perrig (2008): Improving fluid intelligence with training on working memory stellt traditionelle Auffassungen zu Intelligenz infrage, denn es wird behauptet, dass man die Fluide Intelligenz (Cattell) verbessern könne. Diese Erkenntnis leiten die Autoren aus einer Versuchsreihe ab. Die traditionelle Auffassung von Intelligenz besagt allerdings, dass Intelligenz genetisch bedingt ist und sich nicht ändert (g, IQ). Die aufgeregten Stellungnahmen zu der Veröffentlichung in der New York Times vom 29.04.2008 oder der Beitrag Fluide Intelligenz lässt sich doch steigern (Telepolis, Matthias Martin Becker, 14.06.2008) zeigen, dass Intelligenz in unserem Leben eine bedeutende Rolle spielt. Änderungen an der herrschenden Meinung führen zu Konsequenzen, die nicht jedem gefallen… Wie Sie als Leser meines Blog wissen, deutet auch die Multiple Intelligenzen Theorie von Howard Gardner darauf hin, dass Intelligenzen veränderbar (und somit förderbar) sind. Es ist spannend, die aktuelle Intelligenzdebatte weiter zu beobachten.
Multiple Intelligenzen: Wieder ein ungenauer Artikel
Um es vorweg zu sagen: Ich freue mich, wenn Zeitschriften ein schwieriges Thema aufnehmen, um es dem Leser näher zu bringen. Wenn sich der Beitrag allerdings zu weit von der aktuellen Forschung entfernt, sollte man etwas dazu schreiben. In der Zeitschrift GEOkompakt Nr. 15 06/08 – Wie wir denken geht es u.a. um das Thema “Intelligenz”. In dem Artikel Was ist Intelligenz? geht der Autor Martin Paesch auf die historische Entwicklung des IQ und auch auf die Multiple Intelligenzen Theorie ein – letzteres allerdings wenig professionell. Auf Seite 4 der Onlineausgabe liest man folgendes:
Als Gegenentwurf zum IQ-Modell hat Gardner daher eine „Theorie der multiplen Intelligenzen“ entwickelt. Danach gibt es acht voneinander unabhängige Intelligenzen: eine sprachliche, eine musikalische, eine logisch-mathematische sowie eine räumliche (die etwa Architekten auszeichne), eine körperlich-kinästhetische (unter Sportlern und Tänzern verbreitet), eine naturkundliche. Zudem erleichtere eine interpersonale Intelligenz die Arbeit mit Mitmenschen und befähige eine intrapersonale zur Selbstreflexion.
Dazu kann ich nur antworten:
- Die Multiple Intelligenzen Theorie ist kein “Gegenentwurf” zu g (IQ), sondern erweitert das Konstrukt “Intelligenz”. Siehe dazu auch Über den Unsinn von Intelligenztests
- Hinweise auf “Multiple Intelligenzen” gibt es auch bei Sternberg (Triarchisches Modell, Salovay/Meyer (Emotional Intelligence), und besonders bei Ceci usw.
- Es fehlt in dem Beitrag, was Gardner unter “Intelligenz” versteht: “Ich verstehe eine Intelligenz als biopsychologisches Potential zur Verarbeitung von Informationen, das in einem kulturellen Umfeld aktiviert werden kann, um Probleme zu lösen oder geistige oder materielle Güter zu schaffen, die in einer Kultur hohe Wertschätzung genießen“ (Gardner 2002:46-47). Darin geht ausdrücklich der wichtige Kontextbezug von Intelligenz hervor. Siehe dazu auch die Hinweise von Aissen-Crewett 1998.
- In einer (beruflichen) Domäne wirken verschiedene Intelligenzen…. aus diesem Grund spricht Rauner (2004) auch von einem Konzept der Multiplen Kompetenz, das Erkenntnisse aus der Intelligenz-, Wissensdebatte und Expertiseforschung aufnimmt. Siehe dazu auch mein Promotionsskizze.
Weitere Hinweise zu den angesprochenen Punkten finden sie in den Kategorien Multiple Intelligenzen oder auch Kompetenzmanagement.
Multiple Intelligenzen in Schulen
Das Lehrbuch Mietzel,G. (2003): Pädagogische Psychologie des Lernens und Lehrens hat sich mittlerweile als Standardwerk in der Ausbildung von Studierenden der Pädagogischen Psychologie, der Pädagogik und des Lehramtes etabliert. Prof. Gerd Mietzel ist an der Universität Duisburg-Essen tätig. In der 7. Auflage des Lehrbuchs (September 2003) findet man auf der Seite 257 folgenden Hinweis: “Gardners Beitrag ist bedeutsam für die schulische Arbeit, weil er die – auch aus gesellschaftlicher Sicht begründbare – Notwendigkeit herausstellt, sich in der Schule nicht nur auf die Förderung logisch-mathematischer und sprachlicher Intelligenzen zu konzentrieren, sondern darüber hinaus weitere ´Intelligenzen´ anzuerkennen.” Prof. Mietzel weist in seinem Lehrbuch deutlich darauf hin, wie wertvoll die Multiple Intelligenzen Theorie von Gardner für Schulen sein kann.
Multiple Intelligenzen in Unternehmen?
In dem Buch Simon, Hermann (2004:96): Think! findet man dazu folgenden Hinweis: “Was bewirkt das Geisteskapital im Unternehmen? Es ersetzt im Wesentlichen andere Produktionsfaktoren. Bei der Automatisierung wird manuelle Arbeit durch geistige Vorleistung in Verbindung mit Kapitalinvestitionen substituiert. Forschung dient in weiten Teilen dazu, Rohstoffe einzusparen; so braucht man in der Telekommunikation heute statt einer Tonne Kupfer nur noch 100 g Glasfasern. Doch der Geisteseinsatz macht keineswegs bei den materiellen Faktoren halt. Expertensysteme übernehmen bisherige »White Collar-Arbeit«. Die steigende Bedeutung des Geisteskapitals erwächst nicht nur aus höherer technischer Komplexität, sondern gleichermaßen aus organisatorischen Veränderungen wie Dezentralisierung und Delegation der Verantwortung nach unten. Trotz dieser immer kritischeren Rolle steht die Brainpower eines Unternehmens in keiner Bilanz. Kaum jemand verfügt über aussagekräftige Zahlen und Konkurrenzvergleiche. Es wird deshalb Zeit, dass wir einen Intelligenzquotienten (IQ) für Unternehmen entwickeln, der das gesamte Geisteskapital einer Firma misst. Ähnlich wie in der Literatur (etwa in Howard Gardners Multiple Intelligences) sollte man hierbei einen breiten Intelligenzbegriff verwenden.” Nicht nur Hermann Simon weist auf einen direkten Zusammenhang zwischen Unternehmensbilanz, Kompexität und Multiple Intelligenzen Theorie hin. Auch Andriessen und Joyce Martin (um nur zwei zu nennen) haben schon auf diesen Zusammenhang verwiesen. Es lohnt sich also auch für Unternmehmen, sich mit der Multiple Intelligenzen Theorie zu befassen.
Muss der HAWIK-IV wirklich sein? – Die armen Schüler …
In der Welt am Sonntag habe ich gestern wieder einmal etwas über IQ-Tests lesen müssen: Und wie intelligent sind Sie? Der Autor verweist darin auf den “Hamburg-Wechsler-Intelligenztest”, der in dieser Woche in seiner vierten Fassung auf den Markt kommt: HAWIK-IV. Der ursprünglich amerikanische Test WISC-IV wurde in dreijähriger Arbeit an der Universität Bremen auf deutsche Verhältnisse übertragen und soll bei Kindern im Alter zwischen 6 und 16 Jahren angewandt werden. Dabei wurde der Referenzwert 100 anhand einer Stichprobe bei 1600 Schülern ermittelt. Wenn Sie sich den oben erwähnten Artikel durchlesen, werden Sie merken, dass sogar dem Autor Zweifel an dem Test kommen. Sicherlich gibt es wieder einen Run auf die ca. 1000 EUR teueren Tests, und dann? Was soll so ein Test beweisen? Dass Schüler mit einem so gemessenen IQ besser in der Schule und später im Leben besser zurecht kommen? Nicht nur ich bezweifle das. Wie Sie als Leser meines Weblogs wissen, stehe ich diesen IQ-Tests sehr kritisch gegenüber (Multiple Intelligenzen). In meinem Weblog Multiple Intelligenzen finden Sie viele Hinweise darauf. An dieser Stelle möchte ich nur Siebert et al. (2000:48) zitieren: “Howard Gardner ist ein amerikanischer Psychologe, der die Existenz einer allgemeinen geistigen Fähigkeit infrage stellt. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen über verschiedene, voneinander relativ unabhängige kognitive Fähigkeiten verfügen. Gardner entwickelt eine Theorie multipler Intelligenzen. Die Behauptung eines universellen IQ ist nicht nur wissenschaftlich fragwürdig, sondern hat auch zu sozialen Ungerechtigkeiten geführt. In Schulen und Universitäten werden die Leistungen der Intelligenztests überbewertet und andere Fähigkeiten unterbewertet. Zwar sind schriftliche Kompetenzen und logisch-mathematisches Denken lebenswichtig, aber die Intelligenzforschung hat andere Fähigkeiten unterbewertet oder ignoriert. Mit seinem multiplen, vielfältigen Konzept versucht Gardner zusätzliche beruflich relevante alltagspraktische Fähigkeiten zu berücksichtigen“. Bitte lesen Sie dazu auch Freund, R. (2006): Multiple Intelligenzen und Neue Studie: IQ ist kein Garant für Wohlstand.
Gardner, H. (2007): Future Minds (Video)
In diesem Vortrag (60 min.) vom 10. Juli spricht Howard Gardner nicht direkt über die Multiple Intelligenzen Theorie, sondern über Five Minds For The Future. Dennoch ist es interessant Howard Gardner zu sehen und ihm zuzuhören: “In this lecture series, filmed at the RSA in London, Harvard professor Howard Gardener examines the mental capacities needed for the future in a globalised world. The kinds of minds he suggests should be cultivated are three cognitive ones: the disciplined mind, the synthesizing mind and the creating mind, and two that deal with the human sphere: the respectful mind and the ethical mind. Gardener discusses how these can be best nurtured, and points out some of the inevitable tensions created between them. After the lecture a group of teachers discuss how these ideas are used in practice in the classroom today.”
Gardner, H. (2007): Five Minds For The Future
Das neue Buch von Howard Gardner ist im April 2007 erschienen und befasst sich mit “the specific cognitive abilities that will be sought and cultivated by leaders in the years ahead.” Es ist also nicht zu verwechseln mit den Multiplen Intelligenzen. Unter der Überschrift Mental building blocks for the next century hat die Finacial Times am 28. März über das Buch berichtet. Aus meiner Sicht ist interessant, dass Gardner sich in seinen letzten Büchern immer mehr mit Fragen befasst, die für Manager in Unternehmen von Bedeutung sind, bzw. sein sollten. Die Überlegungen zu Gardner´s Multiple Intelligenzen Theorie wurden zunächst im Bildungssektor erfolgreich angewendet. Nun zeigt sich immer deutlicher, dass auch die Wirtschaft davon profitieren kann. Aus meiner Sicht eine logische Konsequenz aus der Konvergenz der beiden scheinbar so unterschiedlichen Bereiche. Siehe dazu auch Wirtschaft und Bildung – Lernen im Zentrum der Überlegungen.
Multiple Intelligenzen und Multiple Kompetenzen
Rauner hat 2004 von einem Konzept der Multiplen Kompetenz gesprochen, das sich auf die Ergebnisse der Multiplen Intelligenzen bezieht. Recherchiert man im Internet nach “Multiple Kompetenz” oder auch “Multiple Kompetenzen” so wird man zwar fündig, allerdings beziehen sich die dort gemachten Erläuterungen kaum explizit auf die Multiple Intelligenzen Theorie von Gardner.
Nun gibt es allerdings eine Ausnahme. In dem Beitrag von Edingard Fuchs (2004): Zukunftsaspekte der Erziehung findet man folgende Passage: “Howard Gardner spricht von multiplen Intelligenzen und hat in der Welt der Erziehung darauf aufmerksam gemacht, dass es neben den kognitiven Fähigkeiten noch eine Anzahl anderer gibt, die auch wissenschaftlicher Nachprüfbarkeit standhalten. Ich selbst ziehe den Begriff multiple Kompetenzen dem Begriff multiple Intelligenzen vor. Jedenfalls in den USA haben Howard Gardners Erkenntnisse auch in der Praxis positive Wirkungen gezeigt.”
Es ist bestätigend, wenn auch andere den Zusammenhang von Intelligenz und Kompetenz im Sinne von Multiplen Intelligenzen und Multiplen Kompetenzen erörtern.