Wissensbasierte Systeme als Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz

Der Umgang mit Wissen wird heutzutage stark mit den neuen technologischen Möglichkeiten, wie der Künstlichen Intelligenz in Verbindung gebracht. Dabei spielen wissensbasierte Systeme als Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz eine zentrale Rolle. Doch was macht so ein wissensbasiertes System aus? Dazu habe ich in einem aktuellen Glossar folgendes gefunden:

“Der Wesenskern wissensbasierter Systeme ist, dass sie eine explizite Repräsentation von Wissen besitzen, und dieses Wissen maßgeblich für das Verhalten des Systems ist. Dies wurde etwa im Jahr 1982 als sogenannte KR Hypothese (engl. knowlegde representation hypothesis) von Brian Smith formuliert (Smith 1982). Demnach beinhaltet ein (intelligentes) wissensbasiertes System eine Komponente, die das Wissen des Systems repräsentiert und Komponenten, in denen dieses Wissen das Verhalten des Systems maßgeblich beeinflusst. Wissensbasierte Systeme stellen ein Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz dar. Eine frühe, aber gute Darstellung von wissensbasierten Systemen findet sich in (Davis 1986). Eine aktuelle Übersicht über Methoden und Systeme geben (Beierle und Kern-Isberner 2019). Einer der Vorzüge wissensbasierter Systeme ist, dass eine einfache Übertragung eines Systems auf einen neuen Anwendungsfall oder eine neue Domäne möglich ist. Dazu muss lediglich das Wissen im alten System durch das Wissen der neuen Domäne ausgetauscht werden. Die restlichen Systemkomponenten können unverändert bleiben. Außerdem kann durch die explizite Repräsentation des Wissens oft einfacher eine Form der Erklärbarkeit hergestellt werden (Meske et al. 2022). Die ist auch angesichts der Datenschutzgrundverordnung (Goodman und Flaxman 2017) und der KI-Regulierung der EU von zunehmender Bedeutung” (Richter et al. (2024): Glossar Künstliche Intelligenz für die interdisziplinär vernetzte Arbeitsforschung).

Etwas stutzig macht mich hier, dass es bei wissensbasierten Systemen so einfach möglich sein soll, Wissen auf eine andere Domäne (auf einen anderen Kontext) zu übertragen. Wenn man allerdings Wissen auf explizites Wissen reduziert, wird dieser Umstand klarer, denn in diesem Fall sind wissensbasierte Systeme im Kern Softwaresysteme, die mit expliziten Wissen umgehen (Quelle).

Es stellt sich natürlich sofort die Frage, wie wissensbasierte Systeme als Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz mit impliziten Wissen (Tacit Knowledge) umgehen. Siehe dazu auch Implizites Wissen sollte in Organisationen stärker beachtet werden.

Projektmanagement: Bauchgefühl, Intelligenz und Erfahrung

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In mehreren Blogbeiträgen habe ich schon über das Phänomen des Bauchgefühls in komplexen Problemlösungsprozessen geschrieben. Siehe dazu beispielsweise Das “Bauchgefühl”: Eine unbewusste Intelligenz? oder auch Kann Intuition als Brücke zwischen impliziten und expliziten Wissen gesehen werden? Darüber hinaus habe ich auch etwas mit Verbindung zum Projektmanagement gefunden:

Bauchgefühle sind gewissermaßen Äußerungen unserer unbewussten Intelligenz. Das Unterbewusstsein ordnet unsere Einfälle, je nachdem wie erfolgreich sie in der Vergangenheit waren. Deshalb kommen Fachleuten die besten Ideen meist zuerst. Und auch deshalb ist es so wichtig, seinem Bauch nur zu trauen in Bereichen, in denen man Erfahrung hat. Beispielsweise beim Schachspielen, beim Sport – oder beim Projektmanagement beispielsweise. (… ) „Take the Best“-Faustregel schlägt komplexe Entscheidungsmethodik” (Interview mit Prof. Gerd Gigerenzer in projektmanagementaktuell 3/2008).

Mitarbeiter mit Erfahrungen werden auch als Experten bezeichnet, die in komplexen Problemlösungsprozessen Muster erkennen – oder auch erspüren – die andere einfach nicht sehen/erspüren. Diese Expertise in einem beruflichen Umfeld (einer beruflichen Domäne) scheint – zusammen mit einer inneren Intelligenz – komplexen Methoden zur Entscheidungsfindung überlegen zu sein. Gigerenzer klärt an dieser Stelle allerdings nicht, was er unter der inneren Intelligenz versteht. Ich gehe hier von Howard Gardner´s Theorie der Multiplen Intelligenzen aus.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen, Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in Agil (IHK), die wir an verschiedenen Standorten anbieten. Weitere Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Gedanken zum Begriff der “Domäne”

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Warum ist der Begriff der “Domäne” überhaupt relevant? Es kommt im beruflichen Alltag oft vor, dass Inhaltsbereiche (Fächer) unterschieden werden, die unterschiedliche Arten von Wissen enthalten. Diese Inhaltsbereiche sind berufliche Kontexte (Domänen), in denen Wissensarten für die oftmals komplexen Problemlösungen genutzt werden. Interessant ist hier bisher, das folgende “domain areas” wissenschaftlich untersucht wurden (vgl. Alexander 1992): Physik, Baseball, Medizinische Diagnostik, Schach, Programmieren, Restaurant-Bestellungen, Taxi fahren usw.

Der Begriff der ,,Domäne” findet sich in der Literatur vor allem in zwei Kontexten, nämlich in der Expertiseforschung (vgl. Gruber& Zieglet 1996)- hier oft als ,,Wissensdomäne” oder ,,Domänenwissen” – und in Theorien zur Domänenspezifizität des menschlichen Verstandes (vgl. Hirschfeld & Gelman 1994), die Domänen nicht auf der Basis von vorhandenen Wissensbeständen, sondern von – angeborenen oder erworbenen – kognitiven Kompetenzen konzipieren. Hirschfeld
und Gilman (1994) unterscheiden demzufolge zwischen ,,competence-based views” und ,,knowledge-based views” . (…) ,,Domäne” = Kompetenz operiert auf Referenzbereich und führt zu Wissen. Diese Konzeptualisierung erlaubt die Überwindung des von Hirschfeld und Gelman (Hischfeld & Gelman 1994) diagnostizierten Nebeneinanders von kompetenz- und wissensbasierten Ansätzen (Hoops 1999:50-51).

In meinem Buch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk gehe ich auf die domänenspezifischen komplexen Problemlösungen ein, die gerade in dem heute vorhandenen turbulenten Umfeld eine wichtige Rolle spielen. Dabei werden die beschriebenen kognitiven Kompetenzen zu multiplen Kompetenzen erweitert.

Warum sind Wissensarbeiter weniger austauschbar?

Viele Mitarbeiter in Organisationen arbeiten in fachbezogenen Leistungsbereichen (Domänen), die sich durch spezifische Anforderungssituationen charakterisieren lassen (vgl. Klieme et al. 2003). Die dazugehörenden Wissensgebiete werden auch als Wissensdomänen beschrieben, die gerade für das Geschäftsprozessorientierte Wissensmanagement von Bedeutung sind. Interessant dabei ist, dass das Domänenwissen darüber entscheidet, ob ein Mitarbeiter austauschbar (fungibel) ist.

Je wichtiger das Domänenwissen ist, desto weniger fungibel sind die Mitarbeiter. Das heißt, Sie können sie nicht in Stücke zerteilen. Und das heißt auch, Sie können sie nicht durch andere Leute ersetzen, wenn sie das Unternehmen verlassen. Am besten betrachten Sie Domänenwissen als unternehmerischen Vermögenswert. Er stellt eine finanzielle Investition dar, die sich im Kopf jedes Wissensarbeiters befindet und durch Investitionen der Firma in diesen Mitarbeiter dorthin gelangt ist. Verlässt der Mitarbeiter das Unternehmen nimmt er den Vermögenswert mit. Wenn Sie Ihr Humankapital buchhalterisch verwalten würden, müssten Sie bei jeder Kündigung eines Ihrer Mitarbeiter einen hohen Verlust ausweisen, um den Wert des entsprechenden Aktivpostens abzuschreiben (DeMarco 2001:36).

Domänenwissen ist in der industriellen Bilanzierung allerdings kaum als Investition, sondern eher als Kosten verbucht. Es ist daher spannend zu sehen, dass nach DeMarco Domänenwissen als unternehmerischer Vermögenswert betrachtet werden sollte. Mit Hilfe der Wissensbilanz – Made in Germany ist das möglich.

Leistungsverlust durch Wechsel der Aufgabe (Kontextwechsel)?

Durch das turbulente Umfeld kommt es häufig anders, als man es sich gedacht hatte. Im Privatleben kommt immer etwas dazwischen und im beruflichen Umfeld kommt es häufig vor, dass wir eine Aufgabe nicht in Ruhe bearbeiten können. In den Unternehmen ist es teilweise sogar “schick”, nie Zeit zu haben und immer wieder die Arbeitssituation zu wechseln. Andere sollen schon sehen, dass der Mitarbeiter gefragt und wohl auch gebraucht wird. Dass diese Arbeitsform so ihre Tücken hat, ist schon lange bekannt.

Anfang der 1990er-Jahre hat Gerald Weinberg in seinem Buch „Software Quality Management“ die These vertreten, dass durch jede Aufgabe, die wir parallel zu einer primären Aufgabe bearbeiten, 20 Prozent unser mentalen Leistung durch den Kontextwechsel verloren gehen – sozusagen durch „mentale Rüstkosten“ (Weinberg 1992). Wenn Sie also in drei Projekten gleichzeitig mitarbeiten, stehen jedem Projekt nicht – wie zunächst angenommen – 33 Prozent Ihrer Kreativität und Leistung zur Verfügung, sondern lediglich 20 Prozent. Der Rest wird durch mentale Rüstkosten verbraucht, ungefähr 20 Prozent pro zusätzlicher Aufgabe (Pfeffer 2019:181-18).

Gerade bei wissensbasierter Arbeit kommt es nicht selten vor, dass Mitarbeiter bei einem Wechsel z.B. in ein anderes Projekt erst einmal auf den Wissensstand des Team gebracht werden müssen. Dabei handelt es sich nicht immer nur um explizierbares Wissen, das dokumentiert und in IT-Systemen verfügbar gemacht werden kann. In Projekten ist es gerade das implizite Wissen, das geteilt und angewendet werden muss, allerdings nicht so leicht zu erschließen ist.

Es ist nun wenig erstaunlich, dass es Sinn macht, in kleinen Schritten vorzugehen (iterativ). Weiterhin wäre es gut, “in Ruhe” arbeiten zu können – zumindest über einen bestimmten Zeitraum hinweg – und damit die Komplexität ausschließt. Die agilen Ansätze wie KANBAN und SCRUM machen genau das. Zwar in unterschiedlicher Form, doch sind beide angesprochenen Punkte in dem jeweiligen Vorgehen enthalten.

Meines Erachtens sollten die agilen Ansätze stärker auch aus der Wissensperspektive diskutiert werden (Wissensmanagement). Immerhin wurde der Begriff SCRUM ursprünglich 1986 in einem Paper von Takeuchi und Nonaka benutzt, in dem beide das Erschließen von Wissen in der Produktentwicklung thematisierten …

Deklaratives Wissen (Faktenwissen) und Expertenwissen: Gibt es Unterschiede?

Um die Frage in der Überschrift gleich zu beantworten: Ja, es gibt sehr wohl Unterschiede (Siehe Steiner 2000:136ff.). Deklaratives Wissen ist im Allgemeinen Faktenwissen, das man sich aneignet, wenn man ein neues Wissensgebiet erschließen möchte. Wenden Sie dieses Wissen nicht an (Angewandtes Wissen), vergessen Sie davon recht schnell sehr viel… Was glauben Sie, in welche Kategortie gehört das Wissen, das Sie sich z.B. während des Studiums angeeignet haben. Genau: Faktenwissen. Erpertenwissen bedeutet nach Frensch/Sternberg (1989), dass Sie in einer bestimmten Domäne gute Leistungen erbringen. Dazu bedarf es nach Norman (1981) ca. 5.000 Stunden – beachtlich. Faktenwissen ist also eine wichtige Voraussetzung um dann angewandtes Wissen und letztendlich Expertenwissen zu konstruieren. Faktenwissen reicht also bei weitem nicht aus, um in einer bestimmten Domäne gute Leistungen zu erbringen. Siehe dazu auch Wissensmanagement und Wissensbilanz – Made in Germany