Mit Künstlicher Intelligenz und Online-Daten von Verbrauchern können (auch eigene) Produkte direkt entwickelt werden

Mit Hilfe der hybriden Wettbewerbsstrategie Mass Customization (PDF) ist es Unternehmen möglich, Produkte zu individualisieren, ohne dass der Preis höher ist, als bei massenhaft hergestellten Produkten. Kernelement ist dabei ein Konfigurator, mit dem der Kunde selbst in einem definierten Lösungsraum (fixed solution space) vielfältige Möglichkeiten zusammenstellen kann. In der Zwischenzeit gibt es allerdings mit Künstlicher Intelligenz noch ganz andere Optionen für Mass Customization.

Künstliche Intelligenz kann für einen Verbraucher Produkte und Dienstleistungen entwickeln und anbieten, nur auf Basis der vom Konsumenten generierten Daten – sogar ohne die aktive Mitwirkung des Konsumenten. Damit bringt Künstliche Intelligenz Mass Customization auf ein neues Level: Smart Customization.

“But this is one area where AI can take mass customization to a new level: The growth of AI and machine learning can allow us to use all the data traces consumers leave online to design a perfect product for an individual consumer, without their active involvement. AI can evolve into the ability to perfectly customize a product for a consumer, without the
need for a conscious process of elicitation from the consumer. As a consumer, I could specify what I want for aesthetics, while for functional parameters, it could be the system that senses what I want and desire. An algorithm reading your Instagram profile might know better than you do about your dream shirt or dress. I see a lot of opportunity to use the data that’s out there for what I call smart customization” (Piller, Frank T. and Euchner, James, Mass Customization in the Age of AI (June 07, 2024). Research-Technology Management, volume 67, issue 4, 2024 [10.1080/08956308.2024.2350919], Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4887846).

Dieser Ansatz ist natürlich für Unternehmen interessant, da sie die umständlichen und teuren Befragungen von Verbraucher nicht mehr – oder etwas weniger – benötigen, um angemessene Produkte anzubieten.

Es gibt allerdings auch noch eine andere Perspektive: Was ist, wenn die Verbraucher ihre eigenen Daten mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz selbst nutzen, um eigene Produkte zu entwickeln? Im Extremfall – und mit Hilfe von modernen Technologien wie z.B. den 3D-Druck (Additive Manufacturing) – können sich die Verbraucher innovative Produkte selbst herstellen. Diese Option klingt etwas futuristisch, da wir es gewohnt sind, Innovationen mit Unternehmen in Verbindung zu bringen. Doch hat Eric von Hippel gezeigt, dass es immer mehr von diesen Open User Innovation gibt, die gar nicht in den üblichen Statistiken zu Innovation auftauchen. Siehe dazu auch

Eric von Hippel (2005): Democratizing Innovation

Free Innovation: Was wäre, wenn wir Innovationen stärker Bottom-Up denken und fördern würden?

Eric von Hippel (2017): Free Innovation

Unternehmen und Kunden: Points of Interaction

Traditionell bieten Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen in einem Markt an. Dabei werden Unternehmen, Markt und Konsumenten als separate Einheiten gesehen. Dieser Markt wird segmentiert und entstehen Zielgruppen, denen dann diese Produkte und Dienstleistungen angeboten werden. In einem noch stärker segmentierten Markt kommt es zu einem “segment-of-one” (Mass Customization), das heißt, die Wertschöpfung entsteht an den jeweils verschiedenen “point of interaction”.

Es stellen sich hier gleich folgende Fragen:
(1) Warum wird der Begriff “Markt” immer noch als drohendes oder heilendes Mantra in Politik und Wirtschaft verwendet, wenn es “den klassischen Markt” gar nicht mehr gibt?
(2) Wie sieht die Wertschöpfung zwischen Unternehmen und Konsumenten/Kunden aus, und wie kann sich jeder darauf einstellen?

Prahalad und Ramaswamy haben dazu folgenden Vorschlag (2004:111-112): “In the emerging concept of a market, the focus is on customer-company interactions – the role of the company and the consumer converge. The firm and the consumer are both collaborators and competitors – collaborators in co-creating value and competitors for the extraction of economic value. The market as a whole becomes inseparable from the value creation process.”

Der Markt ist in diesem Zusammenhang nicht mehr ein von dem Unternehmen und den Konsumenten separates Element im wirtschaftlichen Austausch, sondern zentraler Bestandteil im direkten Wertschöpfungsprozess. Das entspricht durchaus dem Entgrenzungsansatz, der aus den Sozialwissenschaften bekannt ist (Beck: Reflexive Modernisierung), und der Konvergenzthese, die in der Diskussion zu Kompetenzen (Betriebswirtschaftlich – Pädagogisch) auf den verschiedenen Ebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk betrachtet wird.

Gartner’s 2015 Hype Cycle for Emerging Technologies

emerging-tech-hc.png;wa0131df2b233dcd17Neue Technologien unterliegen einen Zyklus. Der im August veröffentlichte Gartner 2015 Hype Cycle for Emerging Technologies zeigt sehr schön, dass z.B. Enterprise 3D-Printing bald schon die Ebene der Produktivität erreichen wird. Demgegenüber ist mit Consumer 3D-Printing in Kürze wohl noch nicht zu rechnen. Ob diese Prognosen allerdings wirklich so eintreffen werden, wird sich noch zeigen. Dennoch ist die Grafik immer wieder interessant. In dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Innovationsmanager (IHK) gehen wir natürlich auch darauf ein. Informationen zu den Lehrgängen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Wie werden Kunden zu Erschaffer neuer Produkte und Dienstleistungen?

Ich möchte anhand des lesenswerten Artikels von Joseph Flaherty Cover Songs for Mass Customization (20.06.2009) aufzeigen, wie Abnehmer zum Kunden und zum Prosumer geworden sind und was diese Veränderungen für Unternehmen bedeuten. In dem Video erläutert Prof. Mitchell vom MIT Mass Customization (Siehe dazu auch MCPC2007).  Früher produzierten Unternehmen massenhaft Standardprodukte und versandten diese dann an ihre Abnehmer. Aufgrund veränderter Produktions- und Marktbedingungen wandelte sich diese Sicht hin zum Kunden (Massenproduktion und Lean Production). Jeder und alles war nun ein Kunde und die Kundenzufriedenheit wurde zum Mantra der Unternehmen. Sogar in der “heiß geliebten” ISO 9000:2000 des Qualitätsmanagements wurde festgelegt, dass jedes Unternehmen ein Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit haben sollte. In letzter Zeit gibt es eine weitere Veränderung der Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Kunden: Der Kunde wird selbst zum Produzenten, eben zum Prosumer. Neue Technologien wie Rapid Prototyping oder auch das Internet ermöglichen es, individuelle Produkte und Dienstleistungen zu ganz “normalen” Preisen eines Standardprodukts herzustellen. Diese Wettbewerbsstrategie nennt man Mass Customization (Siehe dazu auch Die vier Ebenen von Mass Customization). Durch die Modularisierung der Produkte und Dienstleistungen können sich Interessenten ihre individuellen Produkte/Dienstleistungen selbst konfigurieren. Der Konfigurator ist bei Mass Customization auf die Möglichkeiten des Unternehmen begrenzt (Fixed Solution Space). Open Innovation erweitert diesen Solution Space mit Hilfe von User Toolkits und erweitert somit den Ermöglichungsraum. Kenner der Thematik werden schon an dem Begriff “Ermöglichungsraum” erkennen, dass es einen deutlichen Zusammenhang mit dem Trend zur Ermöglichungsdidaktik in der Erwachsenenbildung gibt. Mit den User Toolkits ermöglicht es das Unternehmen den Interssenten, selbstorganisiert individuelle Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Nicht jeder Interessent ist allerdings in der Lage dazu. Unternehmen kann daher nur geraten werden, sich auf dem Weg zu Mass Customization und Open Innovation an den Erkenntnissen moderner Lerntheorien zu orientieren. Einfach ein Tool zu entwickeln reicht nicht aus.