Innovation als Kontinuum zwischen Closed Innovation und Open Innovation

In der Innovationsdebatte gibt es aktuell erbitterte Beiträge um die Deutungshoheit. Die einen favorisieren eher einen geschlossenen Innovationsprozess (Closed Innovation), die anderen natürlich genau das Gegenteil: Open Innovation.

Betrachten wir Innovation als Kontinuum (Siehe Abbildung – Quelle: Roth 2008), so können die verschiedenen Diskussionsstränge durchaus eingefangen werden. Es geht nicht um ein “entweder-oder”, sondern um ein “sowohl-als-auch”. Manchen Organisationen ist noch gar nicht bewusst, dass Sie Ihren Innovationsprozess schon behutsam geöffnet haben, indem sie mit Partnern gemeinsam neue Produkte/Dienstleistungen entwickeln, oder sogar in Cluster mitarbeiten.

Entscheidend für Organisationen ist, den richtigen Mix zu finden und dafür dann auch die innerbetriebliche Struktur zu entwickeln, mit den neuen Anforderungen zurecht zu kommen (Personalentwicklung, Unternehmenskultur usw.).

Was macht eigentlich ein Innovationsmanager, bzw. eine Innovationsmanagerin?

Die Antwort zu dieser kleinen Befragung ist vielschichtig. Für mich wenig überraschend, dass die Tätigkeitsbereiche eines Innovationsmanagers (einer Innovationsmanagerin) so unterschiedlich sind. Im Innovationsprozess (Closed InnovationOpen Innovation) werden verschiedene Kompetenzen gefordert, die sogar je nach Branche und Unternehmen variieren. In dem von mir entwickelten Blended Learning Lehrgang Innovationsmanager (IHK) gehen wir auf diese Anforderungen konkret ein. Siehe dazu z.B. auch Handlungsleitfaden “I M P R O V E” und Termine.

Balance zwischen Open Innovation und Closed Innovation finden

In dem Artikel Plädoyer für mehr Offenheit (Stefanie Bilen, Harvard Business Manager 3/2011) wird Open Innovation kurz thematisiert und auf Henry Chesbrough verwiesen. Am Ende werden auch kritische Stimmen zu Open Innovation erwähnt, was den ambivalenten Charakter von Open Innovation unterstreicht. Die Entgrenzung von Arbeit (Reflexive Modernisierung) macht auch vor dem Innovationsprozess nicht halt. Organisationen sollten daher abwägen, welchen “Öffnungsgrad” sie ihrem Unternehmen und ihren Mitarbeitern zutrauen können, ohne die in vielen Bereichen von Kunden gewünschte Partizipation an den Wertschöpfungsprozessen zu vernachlässigen. Das ist eine durchaus anspruchsvolle und komplexe Aufgabe für das Management. Siehe dazu auch Navigieren in der Komplexität der neuen WeltDer Kunde als Knecht?, Vom König zum Knecht.

Wähler als Intellektuelles Kapital einer Partei. Was ist damit wohl gemeint?

In dem Kommentar Stellt die K-Frage dem Wähler! (Christian Bangel, Die Zeit vom 15.05.2011) findet sich folgende Stelle: “Wer Entscheidungen für solche öffnet, die nur ad hoc interessiert sind – etwa weil ihnen ein Kanzlerkandidat gefällt – schwächt damit automatisch ihr wichtiges intellektuelles Kapital, die Mitglieder. Das kann auch schiefgehen. Parteien verwässern, wenn sie ihre Richtungsentscheidungen nur danach fällen, was am besten ankommt”. Der Autor ist also der Meinung, Wähler sind Intellektuelles Kapital… Sind sie nun Humankapital, Strukturkapital oder Beziehungskapital (Dimensionen des Intellektuellen Kapitals) einer Partei? Diese Antwort bliebt uns der Artikel schuldig. Doch kommen einem auch noch weitere Gedanken: Wie sähe eine Wissensbilanz – Made in Germany für eine Partei aus? Das Ergebnis könnte Aussagen dazu treffen, welche Einflussfaktoren entwickelt werden müssten, um die Partei ihren Zielen (Macht oder das Wohl der Bürger?) näher zu bringen. Aber: Wer will das schon wissen? Und wenn wir schon dabei sind: Wie könnten die Parteien innovativer werden? Möglicherweise durch die Öffnung des Innovationsprozesses (Open Innovation), der bisher wohl nur im stillen Kämmerlein stattfindet, sodass es keiner mitbekommt (Closed Innovation).

Warum kommen “User Innovation” in den offiziellen Statistiken nicht vor?

Innovationen sind wichtig, daher stürzen sich auch alle auf die vielen Statistiken zum Thema (FuE-Investitionen, Patentanmeldungen, Innovationsraten usw.). Doch stimmen diese Statistiken überhaupt? Zweifel sind angebracht, da sich die Statistiken auf Closed Innovation beziehen und Open Innovation kaum berücksichtigen. Diese Erkenntnis ist nun in einem Paper belegt worden. Gault,F. (2011): User innovation and the market . Auf Seite 13 ist folgendes zu lesen:

As an individual is a consumer, but not a producer, the discussion of process innovation is not relevant. The individual consumer can only produce a new or significantly improved product, initially for own use. For this activity to be seen in official statistics, the consumer would have to transfer the knowledge to a firm that produces such products, or start a firm. In either case, the activity of innovation will be found in a business survey, not a social survey. Giving the knowledge to a peer group of individual consumers, or a community of practice, would not be seen in existing social surveys and were it seen, it would not be recognized as innovation.

Nutzerinnovationen, Lead User und Open Innovation

Der Artikel Wie Unternehmen von innovativen Kunden profitieren (Daniel Roman Jung, ZEIT ONLINE vom 01.07.2010) thematisiert die große Rolle der Nutzer im Innovationsprozess. Eine besondere Spezies sind dabei die Lead User, die Produkte und Dienstleistungen in ihrem Umfeld einsetzen und auch verändern (wollen). Immer mehr Unternehmen/Organisationen erkennen die großen Möglichkeiten, den Innovationsprozess zu öffnen und orientieren sich an Open Innovation. Es stellen sich allerdings auch kritische Fragen: Wenn der Kunde alles selbst macht (z.B. bei Open Source Projekten), wozu benötigt man denn dann noch Unternehmen? Mit der bekannten Transaktionskostentheorie kann man hier nicht mehr kommen. Wo liegt also der ausgewogene Ansatz, Open Innovation für die Kunden, für das Unternehmen und nicht zuletzt für die Gesellschaft zu nutzen? Auf diese Frage kann es aus meiner Sicht keine pauschale Antwort geben, da es sich um branchen-, bzw. unternehmensspezifische Kontexte handelt. Bei der Beachtung der verschiedenen Dimensionen von Open Innovation, können auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) von den Entwicklungen profitieren. Ich habe allerdings den Eindruck, dass gerade KMU sich immer noch zu sehr an den traditionellen Innovationsprozessen orientieren (Closed Innovation) und manche dadurch die Chancen verpassen. Siehe dazu auch Lead User und Open Innovation und Lohmann/Depner (2010): Open Innovation – Kundenwissen für neue Produkte nutzen.

Inflation der Innovationspreise?

Der Deutsche Innovationspreis 2010 ist einer von sehr vielen Innovationspreisen, die an Unternehmen in verschiedenen Kategorien vergeben werden. Gibt man bei Google “Innovationspreis 2010” ein, so findet man auch den Innovationspreis-IT 2010, den NRW Innovationspreis 2010, den BAUMA Innovationspreis 2010, den Innovationspreis 2010 des Landkreises Göttigen, den Innovationspreis 2010 Thüringen, den IHK Forschungs- und Innovationspreis 2010 usw.

Es ist grundsätzlich erfreulich, wenn Innovationen hervorgehoben und ausgezeichnet werden und somit auf die besondere Bedeutung von Innovationen für Deutschland hingewiesen wird. Man fragt sich allerdings, ob alle von dem gleichen Konstrukt Innovation sprechen, oder ob der eine oder andere eher Ideen (Kreativität) bzw. Erfindungen (Inventionen) beurteilt. Eine Innovation ist es erst, wenn diese auch (erfolgreich) im Markt eingeführt wird.

Darüber hinaus weist Stefan Scholtissek (Die Welt wird zum Labor, Harvard Business Manager vom 08.04.2010), auf folgenden Umstand hin: “Der Innovationsprozess fehlt in allen Unternehmen”. Wenn Innovationen also für Unternehmen existenziell sind, warum fehlt dann der dafür erforderliche Prozess? Weiter liest man: “Wer Open Innovation nicht beherrscht, dem gehen schlicht die Ideen aus”. Dem kann ich nur zustimmen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Unternehmen zwar einen Innovationsprozess haben sollten, dieser bisher geschlossenen Prozess (Closed Innovation) allerdings auch geöffnet werden sollte: Open Innovation.

Forum “Open Innovation” am 29.09.2009 am Fraunhofer IAO in Stuttgart

“Über 80 Teilnehmer diskutieren am 29. September 2009 am Fraunhofer IAO unter dem Titel »Open Innovation – Vernetzt zum Erfolg« in Stuttgart Chancen und Potenziale neuer, kooperativer und dezentraler Modelle der Wertschöpfung. Der Vodcast zeigt in einer kurzen Zusammenfassung einige Kernaussagen der Praxisvorträge von Vertretern führender Unternehmen und Ausschnitte aus der Paneldiskussion” Der entsprechende Blogbeitrag Von Closed zu Open Innovation: Verändern die neuen Spielregeln unser Innovationsmanagement? gibt weitere Hinweise zu Open Innovation. Da ich zu dieser Zeit schon auf dem Weg nach Helsinki zur Weltkonferenz MCPC2009 war (über Vilnius, Riga und Tallinn), konnte ich an der Veranstaltung leider nicht teilnehmen. Möglicherweise ist allerdings der Schritt von Closed Innovation zu Open Innovation für viele mittelständische Unternehmen zu groß. Betrachtet man die Entwicklung in den Unternehmen von der Massenproduktion zu Lean Production/Management (KAIZEN, KVP, QM, TQM …) könnte der nächste Schritt Mass Customization sein. Durch die Öffnung des bei Mass Customization noch begrenzten Lösungsraums (Solution Space Ebene) kommt ein Unternehmen zu Open Innovation. Eine solche Entwicklung würde den Veränderungsprozess (Change Management) und die damit verbundene Änderung der Unternehmenskultur, der Kompetenzen usw. nicht überfordern. Siehe dazu auch Mass Customization und Open Innovation in Mittel- und Osteuropa oder auch Konferenzen und Veröffentlichungen.

Open Innovation wird immer stärker beachtet

Dass Open Innovation nicht nur in Forscherkreisen, sondern immer mehr auch von einer breiten Öffentlichkeit beachtet wird, zeigen verschiedene Zeitungsartikel. Im Handelsblatt vom 03.06.2009 beispielsweise berichtet Hans Schürmann in dem Artikel Open Innovation – Gemeinsam zu neuen Technologien darüber, wie Unternehmen Open Innovation erfolgreich umsetzen. Als Ergänzung zur klassischen Innovationsstrategie (Closed Innovation) öffnet ein Unternehmen bei Open Innovation seinen Innovationsprozess und nutzt das Wissen externer Partner. Eine besondere Rolle spielt dabei das Kundenwissen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Kundenwissen nicht einfach mit Kundendaten, bzw. -informationen verwechselt wird. Weiterhin ist bei Open Innovation das kontextbezogene Anwendungswissen der Kunden von Bedeutung für den Wertschöpfungsprozess. Unternehmen, die Open Innovation umsetzen wollen, sollten sich auch über die organistorischen Voraussetzungen informieren, denn Open Innovation ist ein durchaus anspruchsvoller Ansatz mit Konsequenzen für die organisationalen und individuellen Kompetenzen.

Zerfaß, A. (2007): Innovationskommunikation als Erfolgsfaktor

kommunikation06.jpgProf. Zerfaß ist in seinem Vortrag Innovationskommunikation als Erfolgsfaktor (25. PR-Pulse am 14.06.2007 in Frankfurt) auf die Herausforderungen Open Innovation und Mass Collaboration eingegangen. Dabei wird klar, dass der Übergang von Closed Innovation zu Open Innovation mit einem veränderten Kommunikationsverhalten einher gehen muss. Das haben nach Prof. Zerfaß noch nicht so viele PR-Verantwortliche berücksichtigt. Der Kritik lässt Prof. Zerfaß aber auch gute Beispiele für gelungene Open Communication folgen. Ein interessanter Vortrag.