Fraunhofer Magazin 3/2024: Immer wieder spannend

Das Fraunhofer Magazin ist immer interessant und spannend, da es viele aktuelle und innovative Themen darstellt. Gerade der Anwendungsbezug ist beim Fraunhofer Institut ein besonderer Schwerpunkt. Besonders gefallen hat mir im Fraunhofer Magazin 3-24 (PDF) diesmal der Hinweis auf Aikido, einer KI-gestützten App zu Optimierung von Verwaltungsprozessen.

“Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die Service-Plattform Aikido entwickelt: eine KI-basierte Software, die Geschäftsdokumente wie Briefe und Rechnungen binnen weniger Sekunden analysiert, wichtige Informationen extrahiert und anschließend strukturiert. Auch wesentlich komplexere Dokumente wie etwa Gesetzestexte, medizinische Fachartikel oder Gutachten von Versicherungen sind für Aikido kein Problem” (ebd. S. 6).

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Hybridisierung von Kompetenzen als zentrale Herausforderung

In vielen Blogbeiträgen haben wir erläutert, wie wichtig der Begriff “Kompetenz” in einem turbulenten und komplexen Umfeld ist. Es ist für Organisationen daher wichtig, ihr Kompetenzmanagement auf den Ebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk zu entwickeln. Hinzu kommen heute und in Zukunft noch die Anforderungen zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz, die auch entsprechende Kompetenzen erfordern.

Je nachdem welche Historie ein Unternehmen hat, wird es daher entweder die KI-Dominanz oder auf der anderen Seite eher die menschliche Dominanz bei der Frage nach geeigneten Kompetenzen favorisieren. Wenn wir uns beide Extreme als Pole vorstellen wird klar, dass es dazwischen sehr viele Zwischenzustände gibt, bei denen technische (KI) und menschliche Kompetenzen zusammenwirken sollten. Eine solche Betrachtungsweise kann auch als Hybrides Kompetenzmanagement bezeichnet werden, das ein Kontinuum an Möglichkeiten bietet. Der folgende Text bezieht sich darauf, wie das im Rahmen von Künstlicher Intelligenz im Projektmanagement aussehen kann.

“Eine zentrale Herausforderung besteht darin, dass wir es mit einer Hybridisierung von Kompetenzen zu tun haben. Dieser Begriff bezieht sich auf die Verflechtung von technisch orientierten und menschlich orientierten Fähigkeiten. Im Kontext von KI bedeutet das, dass Mitarbeiter nicht nur technische Kenntnisse in Bereichen wie Datenanalyse oder KI-Programmierung haben müssen, sondern auch menschliche Kompetenzen, wie z. B. Kreativität, kritisches Denken oder zwischenmenschliche Fähigkeiten, um effektiv mit KI-Systemen zu interagieren und zu arbeiten. Darüber hinaus beinhaltet ein zukunftsweisendes Kompetenzmodell die Berücksichtigung von transversalen Kompetenzen. Transversale Kompetenzen sind solche, die über verschiedene Aufgabenbereiche und Themenfelder hinweg relevant sind. Sie sind nicht auf einen spezifischen Kontext beschränkt, sondern übertragen sich auf eine Vielzahl von Situationen und Herausforderungen. Dies könnte Kommunikation, Problemlösung oder strategisches Denken beinhalten” (Reinhardt, K.; Feseker, M. 2024).

Die Autoren haben ein entsprechendes Kompetenzmodell entwickelt, auf das ich in den nächsten Blogbeiträgen eingehen werde. Man kann allerdings hier schon erkennen, dass sich diese Betrachtung von hybriden Kompetenzen im Projektmanagement von den üblichen Kompetenzrahen wie der Individual Competence Baseline (ICB 4.0) unterscheidet.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen, die wir an verschiedenen Standorten anbieten. Weitere Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Jugaad: Eine indische Variante von Improvisation und Innovation

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Wir denken oft noch in den traditionellen Pfaden einer Welt, die sich allerdings turbulent wandelt. Traditionell gehen wir in vielen Bereichen unserer Gesellschaft davon aus, dass sich Infrastruktur, Energienetze, Kommunikationsnetze, Mobilitätsnetze, Soziale Netze usw. nur verwirklichen lassen, wenn die Politik und das ganz große Kapital solche Projekte umsetzen. Ein Beispiel auf globaler Ebene dafür ist die chinesische Belt and Road Initiative.

In Europa haben wir ähnliche Denkmuster (Top Down) entwickelt und verspielen möglicherweise die vielen Möglichkeiten von kleinen, persönlichen Verbesserungen und Innovationen (Bottom Up). Bezeichnend dafür ist, dass solche User Innovation gar nicht in den offiziellen Statistiken zu Innovationen auftauchen. Doch wie Eric von Hippel in vielen Studien aufgezeigt hat, gibt es diese Art von Verbesserungen und Innovationen in der Realität, im wirklichen Leben der Menschen. Siehe dazu beispielweise Eric von Hippel (2017): Free Innovation und Worin unterscheiden sich Business Innovation (formale Innovation) von Household Innovation (informelle Innovation)?

In einem anderen Kulturkreis, in Indien, wird die Improvisation im Alltäglichen als Jugaad bezeichnet. Dazu habe ich in einem aktuellen Artikel folgendes gefunden:

“Kaur (2016) informs that jugaad, a Punjabi word, popular across northern India, is a variation of the Hindi word jugat, itself derived from Sanskrit yukti, with roots in yog meaning union or joint. (…)

Jugaad is not limited to engagement of material infrastructure. It sits within the realm of the socio-cultural, with jugaadu people (improvisers) drawing on social, cultural, political and material resources to bend and twist unfavourable alignments into somewhat favourable ones. In many ways then, jugaad epitomises infrastructure: the subterranean, in the background and under the radar. (…)

Prabhu and Jain (2015), using several Indian examples like solar lighting solutions argue that jugaad leads to frugal, flexible and inclusive elements in ‘innovations’. They translate jugaad as frugal innovation. Radjou et al. (2012) frame this as jugaad Innovation.

Within the idea of jugaad, ‘formality/informality and legality/illegality work together’ (Narayanan, 2019, p. 13).”

Kumar, A. (2024): Jugaad Infrastructure: Minor infrastructure and the messy aesthetics of everyday life.

Der Autor verweist darauf, dass der Begriff “Jugaad Innovation” eher aus den einschlägigen Business Schools stammt, und wohl eher nicht den Kern von Jugaad im kulturellen Kontext beschreibt. Das ist deshalb interessant, da in den Erläuterungen zu Jugaad auf Wikipedia gerade der Bezug zu frugalen Innovationen und zu einer Art Managementtechnik hergestellt wird. Trifft der Wkipedia-Artikel hier möglicherweise nicht den Kern von Jugaad?

Dennoch kann ich mir vorstellen, dass aus Improvisation auch Innovationen entstehen können. Wichtig ist für beide, den Wert (Added Value) für den Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen. Was wäre, wenn alle Menschen ihre alltäglichen (intelligenten) Problemlösungen anderen Menschen kostenfrei zur Verfügung stellen würden? Über die vielen Open-Source – und Open-Content – Initiativen wird das ja durchaus schon gemacht.

Künstliche Intelligenz kann jetzt darüber hinaus auch Treiber für Open User Innovation sein. Siehe dazu auch Frugale, soziale, technische und nicht-technische Innovationen und Frugale Innovationen: Ergebnisse einer europäischen Studie.

Megatrend: Mass Personalization

Quelle: https://www.masspersonalization.de/

Leser unseres Blogs wissen, dass wir uns seit sehr vielen Jahren mit den Möglichkeiten von Mass Customization and Personalization (MCP) befassen (Konferenzen, Veröffentlichungen) und MCP Central Europe Award). Zu Beginn lag der Schwerpunkt auf Mass Customization, einer hybriden Wettbewerbsstrategie, in deren Mittelpunkt ein definierter Lösungsraum (fixed Solutionspace) steht, in dem mit Hilfe von Konfiguratoren Produkte (hauptsächlich) und Dienstleistungen an die Wünsche der Kunden angepasst werden konnten und können. Dabei sollten die Preise nicht wesentlich höher sein, als die von massenhaft produzierten Standardprodukten und Dienstleistungen. So weit so gut.

Verschiedene technologische und gesellschaftliche Entwicklungen führen nun zum Megatrend Mass Personalization. Das Leistungszentrum Mass Personalization (LZMP) des Fraunhofer Instituts befasst sich genau mit dieser Entwicklung und stellt praktische Umsetzungsformate vor. Dabei spielen natürlich die neuen technischen Möglichkeiten wie Künstliche Intelligenz, 3D-Druck (Additive Manufacturing) usw. eine bedeutende Rolle. Doch zunächst muss natürlich klar sein, was das LZMP unter dem Begriff “Mass Personalization” versteht. Dazu habe ich folgendes gefunden:

“Mass Personalization ist ein eigenständiges radikal nutzerzentriertes und dennoch nachhaltiges und ressourceneffizientes Konzept, das als Toolbox oder plattformtechnologische Anwendung in der Produktion von morgen fungieren kann” (Krieg/Groß/Bauernhansl (2024) (Hrsg.): Einstieg in die Mass Personalization. Perspektiven für Entscheider).

Personalisierung mit seiner Nutzerzentriertheit drückt sich dabei durch einen zusätzlichen Wert (Added Value) für Nutzer aus, der als funktionaler Nutzen, wirtschaftlicher Nutzen, prozessoraler Nutzen, emotionaler Nutzen und sozialer Nutzen auftritt.

Dabei stellt sich mir die Frage, ob stark wirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen Interesse daran haben, einen emotionalen oder sozialen Nutzen zu generieren. Werden Unternehmen auch diese Dimensionen beachten, oder stärker auf die anderen drei Dimensionen von Added Value fokussieren? Mein Eindruck: Gerade die Diskussionen um den Klimawandel und um Nachhaltigkeit werden die Unternehmen immer stärker dazu zwingen, sich mit allen Dimensionen des Added Value zu befassen.

4.000 Blogbeiträge seit dem 20.07.2006

Als wir am 20.07.2006 mit dem ersten Blogbeitrag begonnen haben, war sofort das Ziel, Wissen mit anderen zu teilen. Wir haben uns damals schon direkt für die Open Source App WORDPRESS entschiedenen, mit der wir sehr gute Erfahrungen gemacht haben.

Einige unserer Kollegen und Partner waren skeptisch, denn es ist ja in der Gesellschaft oft üblich, Wissen zurückzuhalten und (kostenfrei) auf das Wissen anderer zurückzugreifen – ohne Quellen anzugeben.

Uns war es daher von vornherein wichtig, dass alle genutzten Informationen mit Quellen versehen sind, und wir ohne Werbebanner arbeiten. Diese Prinzipien haben wir über die Jahre konsequent umgesetzt. Selbstverständlich teilen wir auch Beiträge zielgruppenspezifisch in LinkedIn, X (Twitter) und Facebook.

Blogbeitrag 4.000 am 04.10.2024.

Wir können behaupten, dass es sich lohnt, Wissen zu teilen: In den Jahren von 2006 bis heute können wir einen deutlichen Anstieg bei den Seitenaufrufen und bei der Anzahl der Benutzer verzeichnen. Auch können wir sehen, dass die Benutzer durchschnittlich mehr Seiten aufrufen.

Das freut uns natürlich sehr und motiviert, weitere Blogbeiträge zu verschiedenen Themen zu schreiben. Schauen Sie sich doch einmal um! Ganz im Sinne unserer Marke:

Entgrenzung des Project Management Office (PMO)

In unserem Blog habe ich schon oft über das Project Management Office (PMO) geschrieben. Es ging und geht dabei oft um eine eher interne Sicht auf diese Form viele Projekte im Unternehmen zu unterstützen. Es wundert daher nicht, dass in dem Artikel Braun et al. (2024): Die Entfesselung des Project Management Office?, in projektmanagementaktuell 4/2024 vorgeschlagen wird, verschiedene Typen zu unterscheiden. Ich kann an dieser Stelle nur Auszüge darstellen:

Typ 1 Vollständig intern: Das PMO agiert vollständig innerhalb der eigenen Organisationsgrenzen und beschäftigt sich ausschließlich mit den Projekten im eigenen Betrieb.

Typ 2 Vorsichtige Experimente: Das PMO handelt exklusiv im Auftrag einer einzelnen Organisation, erkennt jedoch das Potenzial, den Schritt über die eigene Grenze hinauszuwagen.

Typ 3 PMO mit einzelnen organisationsübergreifenden Aktivitäten: Das PMO ist weiterhin innerhalb einer Organisation angesiedelt, fördert und standardisiert jedoch vermehrt Kooperation und interorganisationalen Austausch.

Typ 4 Interorganisationales PMO: Das PMO ist keiner einzelnen Organisation vollständig zugeordnet, es setzt sich zusammen aus Akteuren verschiedener Organisationen.

Die Autoren weisen darauf hin, dass diese Typisierung keine Rangfolge angibt. Weiterhin habe ich in meiner Überschrift zu diesem Blogbeitrag den im Artikel verwendeten Begriff der “Entfesselung” bewusst durch “Entgrenzung” ersetzt. Der Grund sit, dass der Begriff der “Entgrenzung” eine bessere Passung zur Reflexiven Modernisierung hat.

Siehe zum Thema “PMO” auch:

Wie grenzen sich Project Management Office (PMO) und Project Office (PO) voneinander ab?,

Projektmanagement-Office (PMO): Neue Aufgaben durch Künstliche Intelligenz (KI)

Projektmanagement Office (PMO): Organisatorische Einbindung und inhaltliche Möglichkeiten

Mögliche Aufgaben des Project Management Office (PMO)

Das PMO als agiles Kompetenzzentrum?

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen, die wir an verschiedenen Standorten anbieten. Weitere Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Spirituelle Kompetenz – ohne esoterisch zu werden

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Heute geht es oft um die täglich zu bewältigenden Aufgaben, die immer komplexer werden. Darüber hinaus geht es allerdings auch um die “großen Fragen”, wie die zur menschlichen Entwicklung, zu ethischen Herausforderungen usw. Diese Themen sind oft “weit weg” von der täglichen Praxis und auch schwer fassbar,. Dennoch ist es wichtig, sich mit den “großen Fragen” zu befassen, und ein für sich angemessenes Handeln daraus abzuleiten. Diese Form der Kompetenz ist Bestandteil einer Selbstkompetenz, die als Spirituelle Kompetenz bezeichnet werden kann.

Spirituelle Kompetenz, diese im Kontext der realistischen Wenden beinahe in Vergessenheit geratene und in die Esoterik abgedrängte Dimension der Selbstkompetenz, ist der eigentliche Kern jeglicher Persönlichkeitsbildung. Die „innere Entwicklung“ der Lernenden transformiert die Wertvorstellungen und ethischen Maßstäbe sowie Möglichkeiten ihres Handelns. In Ihnen wird sichtbar, welche besondere Bedeutung die Lernenden mit ihrem Leben ausdrücken wollen. Spirituelle Kompetenz ist die Fähigkeit, sich selbst und die Welt im Bewusstsein der „großen Fragen“ zu deuten und entsprechend zu handeln (vgl. Astin/Astin/Lindholm 2011).” (Arnold 2017).

Interessant ist darüber hinaus, dass es in der Multiple Intelligenzen Theorie von Howard Gardner auch die Spirituelle Intelligenz gibt. In dem Zusammenhang ist es wichtig, Ähnlichkeiten und Unterschiede der verschiedenen Begriffe herauszustellen. Siehe dazu auch

Kompetenz und Intelligenz – eine Gegenüberstellung

Anmerkungen zu Growth Mindset, Intelligenz und Kompetenz

Kompetenzen, Regeln, Intelligenz, Werte und Normen – Wie passt das alles zusammen?

Business Agility und Organizational Agility

Top view of multiracial young creative people in modern office. Group of young business people are working together with laptop, tablet, smart phone, notebook. Successful hipster team in coworking. Freelancers.

Es ist in der Zwischenzeit unstrittig, dass sich Organisationen an das veränderte Umfeld dynamisch anpassen müssen. Wenn es um Strukturen, Prozesse und Technologien geht, wird das oft als Business Agility bezeichnet.

Eine Organizational Agility oder Systemic Agility geht darüber hinaus. Hier steht “(…) ein menschenzentrierter Ansatz im Mittelpunkt, der die Selbstorganisation der Mitarbeitenden und Teams fördert” (Tuczek et al. 2024, in projektmanagementaktuell 04/2024).

“Das Wachstum der Organisation basiert auf dem Wachstum der Individuen in der Organisation und der Entwicklung einer „Kollektiven Intelligenz“. Zukünftig wird auch die Künstliche Intelligenz Teil dieser Collective Intelligence werden und neue Potenziale eröffnen” (Tuczek et al. 2024, in projektmanagementaktuell 04/2024).

Interessant ist hier der Hinweis auf die Selbstorganisation der Mitarbeitenden und Teams, die aus meiner Sicht noch auf die Ebenen Organisation und Netzwerk erweitert werden müsste. Weiterhin wird der Begriff der “Kollektive Intelligenz” in diesem Zusammenhang verwendet, allerdings ohne zu erwähnen, was darunter gerade im Zusammenspiel zwischen einer Menschlichen Intelligenz und einer Künstlicher Intelligenz gemeint ist.

In meiner Veröffentlichung Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk bin ich solchen Fragen auf Basis der Multiple Intelligenzen Theorie nachgegangen.

Siehe dazu auch Freund, R. (2016): Cognitive Computing and Managing Complexity in Open Innovation Model. Bellemare, J., Carrier, S., Piller, F. T. (Eds.): Managing Complexity. Proceedings of the 8th World Conference on Mass Customization, Personalization, and Co-Creation (MCPC 2015), Montreal, Canada, October 20th-22th, 2015, pp. 249-262 | Springer

Wissenskompetenz als die eigentliche Schlüsselfähigkeit der modernen Wissensgesellschaften?

Der neue Wissensbegriff deutet an, dass viele verschiedene Wissensfragmente zusammengeführt, und kontextspezifisch (domänenspezifisch) bewertet werden müssen. Diese Kompetenz – verstanden als Selbstorganisationsdisposition (Erpenbeck/Heyse 2007 und Erpenbeck/von Rosenstiel 2007) – kann als Wissenskompetenz bezeichnet werden.

Wissenskompetenz schließlich umfasst die Fähigkeiten zur Recherche und Auswertung (Prüfung und Beurteilung) sowie zum Management, zur Einordnung und zum Mitteilen von Wissen und Informationen. Erst wer über diese Kompetenz verfügt, kann sich sicher und selbstlernend durch den Dschungel der Informationsflut und der sich beständig verändernden Wissensstände (insbesondere in der eigenen Domäne) bewegen. Die Wissenskompetenz kann als die eigentliche Schlüsselfähigkeit der modernen Wissensgesellschaften mit ihren sich extrem verkürzenden Halbwertzeiten des Wissens angesehen werden (vgl. Arbesman 2012)” (Arnold 2017:116).

In der Zwischenzeit zeigen uns die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz, dass viele Arbeiten von entsprechenden Apps übernommen werden können. Die sozialen Dimensionen in der jeweiligen beruflichen Domäne mit ihren Vernetzungen und emotionalen Zuständen müssen von Menschen zusätzlich mit beachtet. und somit mit bewertet werden.

Nicht nur auf der individuellen Ebene (Mensch) spielt das eine Rolle. Hinzu kommen noch die Ebenen Gruppe (Team), Organisation und Netzwerk. Siehe dazu auch Kompetenzmanagement.

OpenAI Model “o1” hat einen IQ von 120 – ein Kategorienfehler?

Lott, M. (2024): Massive breakthrough in AI intelligence: OpenAI passes IQ 120

Wenn wir von Intelligenz sprechen geht es oft um den Intelligenz-Quotienten (IQ) bei Menschen, dessen Ergebnisse in einer Normalverteilung dargestellt werden. Der Wert für den IQ kann dabei aus unterschiedlichen Testverfahren bestimmt werden. Der Mensa Norway IQ-Test ist dafür ein Beispiel.

Maxim Lott hat die dort gestellten Fragen von verschiedenen KI-Anwendungen beantworten lassen. Das Ergebnis ist in der Abbildung zusehen. Das neu vorgestellte Modell “o1” von OpenAI schneidet hier mit 120 Punkten am besten ab. Was bedeutet das?

Da in den IQ-Tests oftmals eher logisch-mathematische Attribute abgefragt werden, ist das Ergebnis wenig überraschend. Es stellt sich aus meiner Sicht eher die Frage, ob der Intelligenz-Quotient (IQ) mit seinen in den letzten über 100 Jahren entwickelten Messverfahren geeignet ist, menschliche Intelligenz abzubilden.

Wird das Verständnis von Intelligenz erweitert (entgrenzt), so kommen Dimensionen wie Emotionale Intelligenz, Soziale Intelligenz usw. hinzu, die von einer KI-App nicht, oder nur bedingt abgebildet werden können.

Aus meiner Sicht bedeutet das Ergebnis (Siehe Abbildung) also nicht, dass Künstliche Intelligenz genau so intelligent – oder intelligenter – als ein Mensch ist, sondern dass das zugrundeliegende Intelligenz-Konstrukt (IQ) möglicherweise nicht passt. In der von Howard Gardner vorgeschlagenen Theorie der Multiplen Intelligenzen ist Intelligenz beispielsweise wie folgt beschrieben:

„Ich verstehe eine Intelligenz als biopsychologisches Potenzial zur Verarbeitung von Informationen, das in einem kulturellen Umfeld aktiviert werden kann, um Probleme zu lösen oder geistige oder materielle Güter zu schaffen, die in einer Kultur hohe Wertschätzung genießen“ (Gardner 2002:46-47).

Der Hinweis auf ein “biopsychologisches Potenzial” deutet schon an, dass es für Howard Gardner bei dem Begriff “Intelligenz” für menschliche Intelligenz verwendet. Den Begriff “Künstliche Intelligenz” sieht Howard Gardner daher als Kategorienfehler. Siehe dazu auch Multiple Intelligenzen nach Howard Gardner: Ist eine Intelligenz der anderen überlegen?