Persönliche und soziale Kompetenzen von Projektmanagern und KI-Systeme

Es ist unzweifelhaft, dass Künstliche Intelligenz (KI) unsere Arbeitswelt immer stärker beeinflussen/durchdringen wird – auch das Projektmanagement. In dem Beitrag Projektmanager: Soziale Interaktionsprozesse und ihre Bedeutung für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) wurde schon deutlich, dass Projektmanager einen Großteil ihrer praktischen Projektarbeit mit sozialen Interaktionsprozessen zu tun haben. Um diesen praktischen und den eher theoretischen Teil der Projektarbeit bewältigen zu können, sind entsprechende Kompetenzen erforderlich. In der Individual Competence Baseline (ICB 4.0) der International Project Management Association (IPMA) sind unter “People” persönliche und soziale Kompetenzen genannt.

“Dies ist der Kompetenzbereich der persönlichen und sozialen Kompetenzen (im englischen kurz ‚People‘ genannt). Die in diesem Kompetenzbereich differenziert aufgeführten Einzelkompetenzen (Selbstreflexion und Selbstmanagement, Persönliche Integrität und Verlässlichkeit, Persönliche Kommunikation, Beziehungen und Engagement, Führung, Teamarbeit, Konflikte und Krisen, Vielseitigkeit, Verhandlungen, Ergebnisorientierung) schätzt die IPMA® als notwendige „People-Skills“ eines Projektmanagers ein. Dem sozialen Miteinander wird also für den Projekterfolg ein hoher Stellenwert zugesprochen. Betrachtet man in diesem Kontext die Art und Weise, in der die Interaktionsmöglichkeiten von KI-Systemen auf Algorithmen beruhen, so wird das beschränkte Potenzial der KI bzgl. der People-Skills deutlich” (Barth/Sarstedt 2024).

Es wird auch hier wieder deutlich, dass die heutigen KI-Systeme bei großer sozialer Komplexität noch ihre Grenzen haben. Es geht im modernen Projektmanagement nicht nur um die jeweiligen Vorgehensmodelle (plangetrieben, hybrid, agil), sondern verstärkt um das angemessene Zusammenspiel der Dimensionen soziale Komplexität, Vorgehensmodell, KI-System.

Dabei taucht wieder “Kompetenz” als Schlüsselbegriff für die Bewältigung heutiger komplexer Arbeitssituationen auf. Ich tendiere hier – abweichend vom Kompetenzverständnis der ICB 4.0 – zu einem Kompetenzverständnis das Kompetenz als Selbstorganisationsdisposition beschreibt – und zwar auf den Ebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

Siehe dazu auch  Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

Wissensmanagement: Aktuelle Begriffe aus den Normen auf der Online Browsing Platform (OBP) der ISO

Online Browsing Platform Startseite

Begriffe ändern sich mit der Zeit, sodass es hilfreich ist, auf der frei zugänglichen Seite Online Browsing Platform der ISO aktuell gültige Erläuterungen zu Begriffen beispielsweise aus dem Wissensmanagement (Knowledge Management) finden zu können.

In der Abbildung sehen Sie die Startseite der Online Browsing Platform mit der Auswahl “Terms & Definitions” und der Sucheingabe “Knowledge”. Die Suche ist international in Englisch voreingestellt. Das Ergebnis dieser Suche finden Sie in der folgenden Abbildung.

Online Browsing Platform mit Suchergebnis zu “Knowledge”

Insgesamt ergab die Suche also 142 Treffer, die den Begriff enthalten. Zu jedem Treffer gibt es noch eine Erläuterung mit der Angabe der jeweiligen Quelle(n)/Norm(en). Manchmal sind diese Erläuterungen auch noch mit weiteren Anmerkungen versehen, und in weiteren Sprachen verfügbar.

Insgesamt ist die Online Browsing Platform (OBP) der ISO einfach zu handhaben und eine Hilfe für die praktische Umsetzung von Wissensmanagement-Initiativen.

Gestaltungswissen als neue Wissensform

In der heutigen Zeit kommt es darauf an, Wissen angemessen zu interpretieren und sich mit neuen Wissensformen zu befassen. Siehe dazu beispielsweise Verfügbares Wissen: Vom Sicherheitslernen zum Unsicherheitslernen. In verschiedenen Blogbeiträgen hatte ich daher schon auf das “Google-Wissen“, das Kohärenzwissen und auf das “reflexive Wissen” hingewiesen. Nun kommt noch eine weitere neue Wissensform hinzu, das Gestaltungswissen.

“Das Gestaltungswissen schließlich ist ein aktives Wissen par excellence. Es zielt darauf, eigene Routinen zu verlassen und Lösungen bewirken zu können. Deshalb kann diese Art von Wissen auch nur in Kontexten wirksam angeeignet werden, die nicht vollständig solche des Selbstlernens sind. Die Entwicklung, Erprobung und Erklärung neuer Handlungsperspektiven benötigt das persönliche Feedback ebenso wie die Perspektivenverschränkung durch Interaktion und das Selbstwirksamsein-Können bei der beispielhaften Erprobung” (Arnold 2017).

Es wird deutlich, dass Gestaltungswissen gerade in innovativen Kontexten seine Wirkung entfalten kann. Alle genannten neuen Wissensformen können durch geeignete, und der Situation (dem Kontext) angepasste, Lernsettings angeeignet werden.

Souveränitätsscore: Zoom und BigBlueButton im Vergleich

Quelle: Prof. Wehnes https://digital-sovereignty.net/page-rating/video-conferencing
(Eigene farbige Hervorhebung)

Der in der Überschrift angesprochene Souveränitätsscore basiert auf der Überlegung einer Digitalen Souveränität von Staaten, Unternehmen/Organisationen und einzelnen Personen. Dazu muss natürlich erst einmal geklärt werden, was unter Digitaler Souveränität zu verstehen ist.

Digitale Souveränität beschreibt die Fähigkeiten und Möglichkeiten von Individuen und Institutionen, ihre Rolle(n) in der digitalen Welt selbstständig, selbstbestimmt und sicher ausüben zu können“ (Bundesministerium des Inneren (2020): Digitale Souveränität).

Daran anschließend sollten Kriterien festgelegt werden, anhand derer der Grad der Digitalen Souveränität bestimmt werden. Jäger, J. (2023) hat dazu Kriterien vorgeschlagen:

– Hat die Software eine Monopolstellung?
– Nutzt die Software eine quelloffene Lizenz?
– Werden offene, standardisierte Dateiformate unterstützt?
– Nutzt die Software offene APIs/Schnittstellen?
– Hat der Anbieter der Software seinen juristischen Hauptsitz in der EU?
– Kann die Software im eigenen Rechenzentrum betrieben werden?

Prof. Wehnes hat auf Basis dieser Überlegungen einen Souveränitätsscore ermittelt, der auf der Website https://digital-sovereignty.net bestimmt werden kann. In der Abbildung weiter oben sehen Sie beispielhaft den Souveränitätsscore von Zoom: 0,2 und den von BigBlueButton: 0,8.

Es ist deutlich zu erkennen, dass BigBlueButton die Anforderungen an die Digitale Souveränität erheblich besser erfüllt als Zoom.

Auf der genannten Website von Prof. Wehnes finden Sie noch weitere Vergleiche und ergänzende Informationen.

Wir nutzen auf unserer Kollaborationsplattform aus den ober erwähnten Gründen BigBlueButton und andere Open Source Anwendungen wie Moodle, Nextcloud, OpenProject, WordPress usw. – in Zukunft auch zusammen mit einer ethischen KI. Siehe dazu auch Künstliche Intelligenz: Vorteile von Open-Source-Modellen.


Massenproduktion und das Zurückhalten von Wissen

In den letzten mehr als 100 Jahren wurden alle Bereiche der Gesellschaft (Unternehmen, Staatliche Strukturen, Schulen, etc.) arbeitsteilig im Sinne des Taylorismus organisiert, um massenhaft Standard-Produkte und Standard-Dienstleistungen herzustellen. In so einem Umfeld entsteht eine Geisteshaltung, die Wert auf das Trennende legt.

Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Wissen auf allen Ebenen zurückgehalten wird, und es zu einem mangelnden Engagement auf allen Ebenen kommt (Individuum, Gruppe, Organisation, Netzwerk). Dazu habe ich folgende Quelle gefunden:

„Das Zurückhalten von Wissen und mangelndes Engagement [wurden] von Industriesoziologen wiederholt als hervorstechende Merkmale aller Massenproduktionssysteme bezeichnet (…)“ (Womack 1994:58).

Wenn Unternehmen also den offeneren Umgang mit Wissen für die Anpassungen an das neue, turbulente Marktumfeld benötigen, reicht es nicht aus, an die Mitarbeiter zu appellieren. Es müssen sich auch etablierte Strukturen/Systeme verändern, damit es zu einer “Kultur des geteilten Wissens” kommt.

In der aktuellen Übergangsphase haben wir die Situation, dass gerade staatliche Strukturen mit ihren administrativen und rechtlichen Vorgaben, Schutzrechte (Urheberrechte) usw. noch im alten System verhaftet sind, die Realität allerdings andere/neue Systeme benötigt. In diesem Spannungsfeld ist ein Graubereich entstanden, der vielen, die auf “Wissen teilen” setzen, sogar schaden kann.

Von der Taylor-Wanne zur VUCA-Wanne?

Eigene Darstellung in Anlehnung an Wohland/Wiemeyer (2012)

Die Taylor-Wanne thematisiert die Entwicklung von 1900 bis heute. Zunächst dominierte die Manufaktur, die individuelle Produkte dynamisch erstellen, und somit die Komplexität (Dynamik) der Kundenanforderungen abbilden konnte. Diese Organisationsform war allerdings wenig effizient.

Der Taylorismus mit seiner Arbeitsteilung auf allen Ebenen reduzierte die Dynamik (Komplexität), um die Effizienz bei der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen zu erzielen. Dabei ist allerdings eine gewissen Trägheit entstanden ist, die zu einer geringen Anpassungsfähigkeit führt(e). Konventionelle Unternehmen arbeiten heute immer noch so.

Moderne Unternehmen/Organisationen sind vernetzt, dynamisch und passen sich den turbulenten Umfeld (VUCA oder BANI) an. Diese Art noch dynamisch-vernetze Unternehmen/Organisationen werden oft als Agile Organisationen bezeichnet. Diese Organisationen verbinden Effizienz und Dynamik mit Hilfe der Digitalisierung.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK). Informationen dazu, und zu aktuellen Terminen, finden Sie auf unserer Lernplattform.

Reflexive Modernisierung und “reflexives Wissen” als neue Wissensform

Der Strukturbruch zwischen einfacher und reflexiver Modernisierung zeigt, dass die Reflexive Modernisierung mit ihren Merkmalen eines nachhaltigen Kontingenzzuwachses, dem Problem der Nebenfolgen sozialen Handelns, und einer Krise der Rationalitätsunterstellungen und Rationalisierbarkeitserwartungen zu veränderten Wissensformen führt. In den Beiträgen zum Google-Wissen und zu Kohärenz-Wissen hatte ich schon zwei der neuen Wissensformen erläutert. Hinzu kommt selbstverständlich das reflexive Wissen, was nun weiter erläutert werden soll.

“Das reflexive Wissen erwirbt man nicht für sich allein. Zwar kann man gerade über Wahrnehmungs- Erkenntnistheorie viel lesen und verstehen. Um jedoch mit diesen Einsichten selbst kompetent umgehen zu können, ist es hilfreich, zunächst in geschützten Lernräumen nach adäquaten Formen zu suchen. Wie geht man mit Wirklichkeit um, wenn sich uns diese bloß zu unseren eigenen – bevorzugten – Möglichkeiten zeigt? Sicherlich kann man sich „treu“ bleiben, sein Leben lang immer die gleichen Thesen wiederholen und die Einschätzungen der anderen als „widersinnig, unnötig, unkritisch„ (Pongratz 2014) bewerten und ausgrenzen. Die reflexive Kraft solcher Wiederholungen ist jedoch begrenzt, führt sie uns doch nicht zur Transformation eigener Denkmuster, sondern bloß zur Bestätigung des Bisherigen, ohne in einen „sokratischen Dialog“ einzutreten, dessen Sinn ja immer in der Selbstaufklärung liegt, nicht in der Rechthaberei” (Arnold 2017; Eigene Hervorhebungen).

Durch reflexives Wissen mit seiner enthaltenen Kritik können u.a. Routinen verlassen werden, sodass Neues entstehen kann (ebd.). Der von Arnold (2017) aufgezeigte Weg zu neuen Wissensformen ist erforderlich, da uns die etwas älteren Ansätze alleine nicht mehr weiterbringen.

Verfügbares Wissen: Vom Sicherheitslernen zum Unsicherheitslernen

Eigene Darstellung; Quelle: Arnold (2017)

Der Zusammenhang von Wissen und Lernen ist offensichtlich, denn Lernen ist der Prozess und Wissen das Ergebnis (Wilke 1998) Wenn also Lernen und Wissen so eng miteinander verbunden sind, und sich das verfügbare Wissen in den letzten Jahrhunderten massiv vergrößert hat, so sollte sich auch das Lernen mit verändern.

Das lange verbreitete Sicherheitslernen mit einer Pädagogik des Vorbereitens sollte durch ein Unsicherheitslernen abgelöst werden, das in seiner Pädagogik die Kompetenzstärkung in den Mittelpunkt stellt (vgl. Arnold 2017).

Lernen in einem eher unsicheren Umfeld mit einem starken anstieg des verfügbaren Wissen muss eher selbst gesteuert, selbst organisiert sein (Abbildung). Kompetenzstärkung, bzw. Kompetenzentwicklung bedeutet dann, die Selbstorganisationsdispositionen (Kompetenz) zu stärken – auf der individuellen Ebene, der Teamebene, der organisationalen Ebene und der Netzwerkebene – eben ein modernes Kompetenzmanagement.

Siehe dazu auch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

Kohärenzwissen als neue Wissensform

Die Entgrenzung des Wissens führt zu einem neuen Wissensbegriff und zu neuen Wissensformen, zu denen auch das “Google-Wissen” zählt. Darüber hinaus gibt es noch eine Wissensform, die sich eher in der Expertise zeigt, und sich daher von dem Google-Wissen unterscheidet.

“Dieses etabliert sich über seine Verankerung in überlieferten Wissensformen. Das Kohärenzwissen ist ein anknüpfendes Wissen. Es lebt von den vielfältigen Erklärungsversuchen, mit denen es sich vergleicht, denen es sich anschließt oder über die es hinausführt. Grundlegend ist die Vielfalt der Perspektiven, welche in dieses Wissen integriert sind und auch unauflösbare Widersprüche beinhaltet, die aufzulösen bislang nicht gelungen ist. Das Kohärenzwissen ist der Hort der Expertise. Es tritt in Fachbüchern, Lexika und Ausbildungs- oder Studienunterlagen zutage und ist dem Selbstlernen zugänglich. Um jedoch den Umgang mit Wiedersprüchen, Unsicherheiten oder gar Fehlern zu lernen, lohnt es sich Expertinnen und Experten bei solchem Umgang  zu beobachten und mit ihnen in Kontakt zu treten. Diese Begegnungen haben wenig mit Unterricht, viel aber mit Interaktion, Nachfrage und Begleitung zu tun” (Arnold 2017; Eigene Hervorhebungen).

Es ist in der heutigen Zeit wichtig, den Wissensbegriff, weitere Wissensformen und den jeweiligen Umgang mit den neuen Wissensformen zu thematisieren, denn letztendlich wird sich aus diesen Betrachtungen auch ein neues Wissensmanagement ableiten.

“Google-Wissen” als neue Wissensform

In der Vergangenheit wurden die Unterschiede zwischen Daten, Informationen und Wissen z.B. bei der erweiterten Wissenstreppe, bzw. bei dem noch besseren Verständnis der Wissenstreppe thematisiert.

Ein neuer Wissensbegriff führt heute jedoch zu neuen Wissensformen, zu denen auch das “Google-Wissen” zählt, das wir (alle?) in irgendeiner Form nutzen. Doch was macht dieses “Google-Wissen” aus? Dazu habe ich bei Arnold (2017) folgendes gefunden:

“Das sich verbreiternde Google-Wissen ist ein in hohem Maße dem Selbstlernen zugängliches Wissen. Es ermöglicht eine bislang unerreichte Aktualität im Detail (Stichwort „Evidenz“), ohne dass sich jedoch automatisch Expertise ergibt: Aus vielen Details resultiert keineswegs automatisch ein kohärentes Wissen, insbesondere, wenn es sich einem bloßen Surfen verdankt. Obgleich das Internet auch Zugänge zu Lernplattformen und anderen Selbstlernmöglichkeiten zunehmend offeriert, die durchaus auch eine Vertiefung von Expertise initiieren, anregen und gestalten können, darf doch andererseits nicht übersehen werden, dass aus solchen insularen Vertiefungen alleine wohl kaum ein professionell breit akzeptierter Status erwachsen kann” (Arnold 2017; eigene Hervorhebungen).

Die angesprochene Evidenz meint hier, dass das “Google-Wissen” für eine Sache geeignet erscheint – viabel ist, was der Autor noch weiter beschreibt/charakterisiert. Interessant dabei ist auch die am Ende erwähnte Kritik an den eher inselartigen Vertiefungen des Wissens.