Massenproduktion und das Zurückhalten von Wissen

In den letzten mehr als 100 Jahren wurden alle Bereiche der Gesellschaft (Unternehmen, Staatliche Strukturen, Schulen, etc.) arbeitsteilig im Sinne des Taylorismus organisiert, um massenhaft Standard-Produkte und Standard-Dienstleistungen herzustellen. In so einem Umfeld entsteht eine Geisteshaltung, die Wert auf das Trennende legt.

Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Wissen auf allen Ebenen zurückgehalten wird, und es zu einem mangelnden Engagement auf allen Ebenen kommt (Individuum, Gruppe, Organisation, Netzwerk). Dazu habe ich folgende Quelle gefunden:

„Das Zurückhalten von Wissen und mangelndes Engagement [wurden] von Industriesoziologen wiederholt als hervorstechende Merkmale aller Massenproduktionssysteme bezeichnet (…)“ (Womack 1994:58).

Wenn Unternehmen also den offeneren Umgang mit Wissen für die Anpassungen an das neue, turbulente Marktumfeld benötigen, reicht es nicht aus, an die Mitarbeiter zu appellieren. Es müssen sich auch etablierte Strukturen/Systeme verändern, damit es zu einer “Kultur des geteilten Wissens” kommt.

In der aktuellen Übergangsphase haben wir die Situation, dass gerade staatliche Strukturen mit ihren administrativen und rechtlichen Vorgaben, Schutzrechte (Urheberrechte) usw. noch im alten System verhaftet sind, die Realität allerdings andere/neue Systeme benötigt. In diesem Spannungsfeld ist ein Graubereich entstanden, der vielen, die auf “Wissen teilen” setzen, sogar schaden kann.

Von der Taylor-Wanne zur VUCA-Wanne?

Eigene Darstellung in Anlehnung an Wohland/Wiemeyer (2012)

Die Taylor-Wanne thematisiert die Entwicklung von 1900 bis heute. Zunächst dominierte die Manufaktur, die individuelle Produkte dynamisch erstellen, und somit die Komplexität (Dynamik) der Kundenanforderungen abbilden konnte. Diese Organisationsform war allerdings wenig effizient.

Der Taylorismus mit seiner Arbeitsteilung auf allen Ebenen reduzierte die Dynamik (Komplexität), um die Effizienz bei der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen zu erzielen. Dabei ist allerdings eine gewissen Trägheit entstanden ist, die zu einer geringen Anpassungsfähigkeit führt(e). Konventionelle Unternehmen arbeiten heute immer noch so.

Moderne Unternehmen/Organisationen sind vernetzt, dynamisch und passen sich den turbulenten Umfeld (VUCA oder BANI) an. Diese Art noch dynamisch-vernetze Unternehmen/Organisationen werden oft als Agile Organisationen bezeichnet. Diese Organisationen verbinden Effizienz und Dynamik mit Hilfe der Digitalisierung.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK). Informationen dazu, und zu aktuellen Terminen, finden Sie auf unserer Lernplattform.

Reflexive Modernisierung und “reflexives Wissen” als neue Wissensform

Der Strukturbruch zwischen einfacher und reflexiver Modernisierung zeigt, dass die Reflexive Modernisierung mit ihren Merkmalen eines nachhaltigen Kontingenzzuwachses, dem Problem der Nebenfolgen sozialen Handelns, und einer Krise der Rationalitätsunterstellungen und Rationalisierbarkeitserwartungen zu veränderten Wissensformen führt. In den Beiträgen zum Google-Wissen und zu Kohärenz-Wissen hatte ich schon zwei der neuen Wissensformen erläutert. Hinzu kommt selbstverständlich das reflexive Wissen, was nun weiter erläutert werden soll.

“Das reflexive Wissen erwirbt man nicht für sich allein. Zwar kann man gerade über Wahrnehmungs- Erkenntnistheorie viel lesen und verstehen. Um jedoch mit diesen Einsichten selbst kompetent umgehen zu können, ist es hilfreich, zunächst in geschützten Lernräumen nach adäquaten Formen zu suchen. Wie geht man mit Wirklichkeit um, wenn sich uns diese bloß zu unseren eigenen – bevorzugten – Möglichkeiten zeigt? Sicherlich kann man sich „treu“ bleiben, sein Leben lang immer die gleichen Thesen wiederholen und die Einschätzungen der anderen als „widersinnig, unnötig, unkritisch„ (Pongratz 2014) bewerten und ausgrenzen. Die reflexive Kraft solcher Wiederholungen ist jedoch begrenzt, führt sie uns doch nicht zur Transformation eigener Denkmuster, sondern bloß zur Bestätigung des Bisherigen, ohne in einen „sokratischen Dialog“ einzutreten, dessen Sinn ja immer in der Selbstaufklärung liegt, nicht in der Rechthaberei” (Arnold 2017; Eigene Hervorhebungen).

Durch reflexives Wissen mit seiner enthaltenen Kritik können u.a. Routinen verlassen werden, sodass Neues entstehen kann (ebd.). Der von Arnold (2017) aufgezeigte Weg zu neuen Wissensformen ist erforderlich, da uns die etwas älteren Ansätze alleine nicht mehr weiterbringen.

Verfügbares Wissen: Vom Sicherheitslernen zum Unsicherheitslernen

Eigene Darstellung; Quelle: Arnold (2017)

Der Zusammenhang von Wissen und Lernen ist offensichtlich, denn Lernen ist der Prozess und Wissen das Ergebnis (Wilke 1998) Wenn also Lernen und Wissen so eng miteinander verbunden sind, und sich das verfügbare Wissen in den letzten Jahrhunderten massiv vergrößert hat, so sollte sich auch das Lernen mit verändern.

Das lange verbreitete Sicherheitslernen mit einer Pädagogik des Vorbereitens sollte durch ein Unsicherheitslernen abgelöst werden, das in seiner Pädagogik die Kompetenzstärkung in den Mittelpunkt stellt (vgl. Arnold 2017).

Lernen in einem eher unsicheren Umfeld mit einem starken anstieg des verfügbaren Wissen muss eher selbst gesteuert, selbst organisiert sein (Abbildung). Kompetenzstärkung, bzw. Kompetenzentwicklung bedeutet dann, die Selbstorganisationsdispositionen (Kompetenz) zu stärken – auf der individuellen Ebene, der Teamebene, der organisationalen Ebene und der Netzwerkebene – eben ein modernes Kompetenzmanagement.

Siehe dazu auch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

Kohärenzwissen als neue Wissensform

Die Entgrenzung des Wissens führt zu einem neuen Wissensbegriff und zu neuen Wissensformen, zu denen auch das “Google-Wissen” zählt. Darüber hinaus gibt es noch eine Wissensform, die sich eher in der Expertise zeigt, und sich daher von dem Google-Wissen unterscheidet.

“Dieses etabliert sich über seine Verankerung in überlieferten Wissensformen. Das Kohärenzwissen ist ein anknüpfendes Wissen. Es lebt von den vielfältigen Erklärungsversuchen, mit denen es sich vergleicht, denen es sich anschließt oder über die es hinausführt. Grundlegend ist die Vielfalt der Perspektiven, welche in dieses Wissen integriert sind und auch unauflösbare Widersprüche beinhaltet, die aufzulösen bislang nicht gelungen ist. Das Kohärenzwissen ist der Hort der Expertise. Es tritt in Fachbüchern, Lexika und Ausbildungs- oder Studienunterlagen zutage und ist dem Selbstlernen zugänglich. Um jedoch den Umgang mit Wiedersprüchen, Unsicherheiten oder gar Fehlern zu lernen, lohnt es sich Expertinnen und Experten bei solchem Umgang  zu beobachten und mit ihnen in Kontakt zu treten. Diese Begegnungen haben wenig mit Unterricht, viel aber mit Interaktion, Nachfrage und Begleitung zu tun” (Arnold 2017; Eigene Hervorhebungen).

Es ist in der heutigen Zeit wichtig, den Wissensbegriff, weitere Wissensformen und den jeweiligen Umgang mit den neuen Wissensformen zu thematisieren, denn letztendlich wird sich aus diesen Betrachtungen auch ein neues Wissensmanagement ableiten.

“Google-Wissen” als neue Wissensform

In der Vergangenheit wurden die Unterschiede zwischen Daten, Informationen und Wissen z.B. bei der erweiterten Wissenstreppe, bzw. bei dem noch besseren Verständnis der Wissenstreppe thematisiert.

Ein neuer Wissensbegriff führt heute jedoch zu neuen Wissensformen, zu denen auch das “Google-Wissen” zählt, das wir (alle?) in irgendeiner Form nutzen. Doch was macht dieses “Google-Wissen” aus? Dazu habe ich bei Arnold (2017) folgendes gefunden:

“Das sich verbreiternde Google-Wissen ist ein in hohem Maße dem Selbstlernen zugängliches Wissen. Es ermöglicht eine bislang unerreichte Aktualität im Detail (Stichwort „Evidenz“), ohne dass sich jedoch automatisch Expertise ergibt: Aus vielen Details resultiert keineswegs automatisch ein kohärentes Wissen, insbesondere, wenn es sich einem bloßen Surfen verdankt. Obgleich das Internet auch Zugänge zu Lernplattformen und anderen Selbstlernmöglichkeiten zunehmend offeriert, die durchaus auch eine Vertiefung von Expertise initiieren, anregen und gestalten können, darf doch andererseits nicht übersehen werden, dass aus solchen insularen Vertiefungen alleine wohl kaum ein professionell breit akzeptierter Status erwachsen kann” (Arnold 2017; eigene Hervorhebungen).

Die angesprochene Evidenz meint hier, dass das “Google-Wissen” für eine Sache geeignet erscheint – viabel ist, was der Autor noch weiter beschreibt/charakterisiert. Interessant dabei ist auch die am Ende erwähnte Kritik an den eher inselartigen Vertiefungen des Wissens.

Der “reflexible Mensch” und der Umgang mit Wissen

In den vergangenen Jahrzehnten der Industriegesellschaft wurde es zunächst immer wichtiger flexibel zu sein (Der flexible Mensch), um sich den Veränderungen im Umfeld anzupassen. Der Strukturbruch zwischen Einfacher und Reflexiver Modernisierung hat gezeigt, dass Flexibilität nicht ausreicht, um das turbulente Umfeld zu bewältigen. Bei der Reflexiven Modernisierung geht es um Kontingenzzuwachs, um die Nebenfolgen sozialen Handelns, und um die Krise der Realitätsunterstellungen und Rationalisierbarkeitserwartungen. Der reflexive Mensch muss daher auch sein Verständnis von Lernen und Wissen den neuen Gegebenheiten anpassen. In Arnold, R. (2017) geht man noch einen Schritt weiter und verbindet den flexiblen Menschen und den reflexiven Menschen zum reflexiblen Menschen.

Der reflexible Mensch lernt dabei nicht nur „etwas“, sondern erweitert seine persönlichen Fähigkeiten
– zur Erschließung von Wissensquellen,
– zum Umgang mit Neuem,
– zur Planung und Gestaltung eigener Lernprojekte,
– sowie zur Veränderung vertrauter Sichtweisen und Routinen” (ebd.).

Dabei spielen die neuen technologischen Möglichkeiten wie z.B. Künstliche Intelligenz eine bedeutende Rolle, da sie ganz neue Lernmöglichkeiten und Wissenskonstruktionen ermöglichen.

Projektmanager: Soziale Interaktionsprozesse und ihre Bedeutung für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI)

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Die Rolle eines Projektmanagers, einer Projektmanagerin, ist vielschichtig. In der Theorie gibt es viele Themen die abgedeckt werden sollen. Dazu zählen planerische, kontrollierende und steuernde Tätigkeiten, Kommunikation und Organisation. Darüber hinaus gehören auch Führungsaufgaben, Weisungen und Entscheidungen zum Arbeitsfeld. Zu all den genannten Punkten gibt es in der Literatur viele Hinweise zur möglichen Umsetzung, doch kommen in der Praxis viele soziale Interaktionen hinzu.

Eigene Darstellung – Quelle: Barth/Sarstedt (2024)

“Ohne soziales Miteinander und soziale Interaktionsprozesse ist kein Projekt zielführend zum Abschluss zu bringen. Der Begriff sozial ist aus dem lat. „sozialis“ abgeleitet, was so viel wie gesellschaftlich, gemeinnützig bzw. hilfsbereit bedeuten kann. Die soziale Interaktion sollte demnach auch innerhalb von einem Projekt von gemeinschaftlichem und sich unterstützendem Handeln geprägt sein” (Barth/Sarstedt 2024).

Betrachten wir die Prozesse in der Realität (Abbildung) so wird deutlich, dass neben den technischen auch viele sozialen Interaktionsprozesse für den Erfolg von Projekten nötig sind. Beispielsweise zählen kognitive und menschliche Sensorik zu einzusetzen, Mensch zu sein (z.B. Emotionen zu zeigen) oder auch Verantwortung zu tragen. zu den jeweiligen Punkten sind in der Abbildung weitere Unterpunkte genannt, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte.

Die gesamten sozialen Interaktionsprozesse können durch “kognitive Empathie und Fingerspitzengefühl” (ebd.) erschlossen werden. An dieser Stelle führt das zu der Frage, inwieweit Künstliche Intelligenz (KI) solche Bereiche abdecken kann. Aktuelle sieht es so aus, dass der Nutzen von Künstlicher Intelligenz (KI) zunächst auf den Punkten liegt, die auf der Seite “Theorie” stehen. Auf der Seite “Praxis” stehen allerdings viele Punkte, die von Künstlicher Intelligenz (aktuell noch) nicht abgedeckt werden. Es wird als Projektmanager daher darauf ankommen, beide Potentiale für das Projektmanagement sinnvoll und angemessen zu nutzen. Siehe dazu auch Mensch und Künstliche Intelligenz: Engineering bottlenecks und die fehlende Mitte.

Informationen zu den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in Agil (IHK), die wir an verschiedenen Standorten anbieten, finden Sie auf unserer Lernplattform.

Ein neuer Wissensbegriff

Der Begriff “Wissen” hat sich n der Vergangenheit immer wieder verändert, und wird dies auch in Zukunft tun. In dem Beitrag Vom Wissen als Besitz zum Wissen als Prozess wird diese Transformation deutlich. Zusammen mit den neuen Technologien, wie das WWW oder auch Künstliche Intelligenz, entsteht ein neuer Wissensbegriff.

„Wissen begründet sich in der gegenwärtigen Gesellschaft in dem Zusammenspiel vieler Wissensfragmente, die unter anderem im world wide web (www) technisch zusammengeführt werden und dort als gemeinsam verfügbares Wissen auftauchen, das durch Prozesse der Wissensbegründung in einer Erfahrungsgemeinschaft konstituiert wird. Dieser Wissensbegriff ist neu (vgl. Neusser 2013, zitiert in Arnold 2017:88).

Diese Entwicklung wirft zugleich Fragen zum Umgang mit diesem neuen Wissensbegriff auf. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für ein modernes Wissensmanagement?

Warum kann es keine “endgültige” Problemlösung geben?

Wenn es um Probleme und deren Lösung geht, wünschen wir uns oft eine Art “endgültige” Lösung. Immerhin haben wir ja genug Probleme zu lösen und möchte, dass eines dann wenigstens erledigt ist. Doch in einer auf vielen Ebenen vernetzten Welt ist es nicht mehr so einfach in Ursache und Wirkung aufzuteilen, denn die Wirkung ist nicht abgeschlossen, sondern wiederum Ursache für den nächsten Problemlösungsprozess unter Unsicherheit.

“Da wir – wie uns  die Systemforschung lehrt – die Wirkungen einer Intervention grundsätzlich nicht auf gewünschte Wirkungen eingrenzen können, ist jede erreichte ´Problemlösung´ meist der Startschuss für das Aufkommen neuer Probleme. Die mühevoll erreichte Wirkung ist zugleich Ursache für neuartige systemische Störungen und neue Prozesse des Sich-Einpendelns und -Einschwingens der Gesamtlage. Ein Denken in endgültigen Lösungen ist deshalb unrealistisch, weil unsystemisch” (Arnold 2017).

Das ist für viele nicht einfach zu verarbeiten, und deshalb sind manche Menschen auch durch einfache Regeln oder auch Stammtischparolen beeinflussbar. Diese einfachen Parolen bieten allerdings nur vordergründig eine Art “Lösung” an, da dabei die Vernetzung mit anderen Problembereichen ignoriert wird – was nicht der Lebenswirklichkeit entspricht. Siehe dazu auch Ambiguität/Ambivalenz: Bewältigung von Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeit.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK). Informationen dazu, und zu aktuellen Terminen, finden Sie auf unserer Lernplattform.