Emotionale Intelligenz: Salovay/Mayer haben sich schon 1993 direkt auf die Multiple Intelligenzen Theorie bezogen

Bei den Recherchen für meine Dissertation bin ich natürlich auch auf den Begriff Emotionale Intelligenz gestoßen. Bekannt wurde Emotionale Intelligenz durch Goleman, der in den 90er Jahren die ersten Bestseller dazu auf den Markt gebracht hat.

Emotionale Intelligenz geht allerdings auf Salovay/Mayer 1990 zurück, die Emotionale Intelligenz als Teil der von Thorndike/Stein 1937 zuerst erwähnten Sozialen Intelligenz gesehen haben. 

Einem Paper von Mayer/Salovay aus dem Jahr 1993 ist zu entnehmen, dass beide ganz bewusst von Emotionaler Intelligenz (und nicht von Emotionaler Kompetenz) gesprochen haben, um den direkten Bezug zu Gardners Multiple Intelligenzen Theorie aufzuzeigen: “

Emotional intelligence could have been labeled ´emotional competence´, but we chose intelligence in order to link our framework to a historical literature on intelligence, our concept overlaps with Gardner´s (1983) [intra]personal intelligence”.

Taylor, F. W. (1911): The Principles of Scientific Management

Sie sind es gewohnt, relativ aktuelle Informationen von mir zu erhalten und fragen sich jetzt bestimmt, warum ich einen Beitrag zu Taylor, F. W. (1911): The Principles of Scientific Management (PDF) schreibe.

Der Grund ist ein aktueller: Die Auseinandersetzung mit dem Scientific Management ist in Zeiten von Lernenden Organisationen und Wissensmanagement wichtig, doch es machen sich wenige die Mühe, den Originaltext von Taylor zu lesen. Was hat Frederick Winslow Taylor unter Scientific Management wirklich verstanden?

  • Gibt es möglicherweise tendenzielle Texte, die sich auf Taylor beziehen, allerdings nicht genau zitieren?
  • Können wir von Taylors Ideen möglicherweise mehr profitieren als gedacht?

Es ist immer gut, wenn man sich nicht mit Sekundärliteratur zufrieden gibt, und das Original liest. Probieren Sie es aus. 

Lernende Organisation oder Organisationales Lernen?

Die Frage Lernende Organisation oder Organisationales Lernen? ist natürlich nicht so einfach zu beantworten. Wie häufig, ist die Antwort kein eindeutiges entweder-oder, sondern ein sowohl-als-auch. Kluge und Schilling (2004) schlagen vor, „Organisationales Lernen“ (OL) als kooperatives Lernen in einem sozialen System zu verstehen und „Lernende Organisation“ (LO) als das formale Regelwerk dazu, das kontinuierliches Lernen ermöglichen soll. Konzepte zu OL/LO und empirische Forschung sind nach Kluge/Schilling (2004) zusammengestellt in Barthel/Zawacki-Richter/Hasebrook (2006:350-355). Kluge und Schilling (2004) kommen in ihrer Übersichtsarbeit zu den folgenden Schlussfolgerungen – zitiert in Barthel/Zawacki-Richter/Hasebrook (2006:356):

  1. Organisationales Lernen im Sinne einer Veränderung und Angleichung der „mentalen Modelle“ der Organisationsmitglieder findet vor allem durch direkte, meist informelle Interaktion statt. Informationstechnologie spielt eine untergeordnete Rolle bei der Informationsaufnahme und -bewertung, sondern ist eher als Speicher und Transportmittel wichtig.
  2. Es gibt Organisationsprozesse und Produkt- bzw. Produktionsmerkmale, die Informationsverarbeitung und -transfer verbessern, zum Beispiel Lernorientierung, Lernen aus Fehlern, Teamarbeit und Standardisierung.
  3. Ein Gleichgewicht aus Beständigkeit und Fluktuation ist essentiell, da sich schon nach wenigen Monaten eine Stabilisierung von sozialen Beziehungen ergibt, die die Organisation stützen, aber gleichzeitig Innovationen verhindern; lernen kann eine Organisation nur durch von Bekanntem abweichendes Wissen.

Aus meiner Sicht sind dabei folgende Punkte interessant: Im Punkt 1 wird von mentalen Modellen gesprochen, die gerade durch die Multiple Intelligenzen Theorie beeinflusst werden können. In diesem Paper (Veröffentlichungen) habe ich den Zusammenhang genutzt. Siehe dazu auch Gardner: Changing Minds. Weiterhin ist hervorzuheben, dass Organisationales Lernen vor allem durch informelle Kontakte der Menschen entsteht und weniger durch IKT. In Punkt 3 wird erwähnt, wie wichtig abweichendes Wissen für die Organisation ist. Siehe dazu auch Theorie der Pfadabhängigkeit.

 

Intelligenz-Quotient (IQ) aus Sicht der Komplexitätsforschung

Mainzer (2008:28) kritisiert, dass die klassische Sicht des Reduktionismus (Grenzwertansatz und Normalverteilung) „untypisch für komplexe Systeme [ist], in denen sich Ordnungen und Strukturen selbst organisieren. Normalverteilungen setzen nämlich völlig unabhängige Ereignisse voraus. Daher können sie keine Korrelationen und Synergieeffekte von zusammenwirkenden Ereignissen berücksichtigen, die erst zu neuen Formen und Strukturen in Natur und Gesellschaft führen.“ In einer äußerst komplexen Umwelt reichen die reduktionistischen Verfahren nicht mehr aus (Siehe dazu auch Komplexität, Emergenz). Der Intelligenz-Quotient (IQ) stützt sich auf die Normalverteilung, was aus der Sicht der Komplexitätsforschung somit eher kritisch zu sehen ist. Funke (2006) hat einen ausführlichen Beitrag zum ersten Intelligenztest geschrieben und führt auf Seite 38 dazu aus: “Inhaltlich hat sich das Intelligenzkonzept in den letzten 100 Jahren ausdifferenziert (vgl. Funke u. Vatterodt-Plünnecke 2004): An der Stelle einer einzigen Intelligenzdimension (´general intelligence´, g-Faktor) ist heute die Konzeption multipler Intelligenzen im Sinne unterschiedlicher Teilkompetenzen (z.B. logisches Schlussfolgern, verbale Intelligenz, kreatives Problemlösen, emotionale Kompetenz, Körperbeherrschung) getreten, für die jeweils andere Erfassungsinstrumente benötigt werden.” Siehe dazu auch Über den Unsinn von Intelligenztests, Muss der HAWIK-IV wirklich sein?

Rauner, F. (2007): Praktisches Wissen und berufliche Handlungskompetenz

Der Artikel Rauner, F. (2007): Praktisches Wissen und berufliche Handlungskompetenz (Europäische Zeitschrift für Berufsbildung Nr. 40 – 2007/1): “Die arbeitsorientierte Wende in der Didaktik beruflicher Bildung hebt die ´bedeutsamen´ beruflichen Arbeitssituationen und das darauf bezogene Arbeitsprozesswissen als Dreh- und Angelpunkt für die Gestaltung beruflicher Bildungsgänge und -prozesse hervor. Die Dramatik dieses Perspektivwechsels besteht nicht nur in der Abkehr von einer fach- und wissenschaftssystematischen Didaktik, sondern in der entwicklungstheoretisch begründeten Ausarbeitung einer beruflichen Didaktik für die Berufsbildungspraxis und die Berufsbildungsplanung. Für die gestaltungsorientierte Didaktik beruflicher Bildung, die diese Wende frühzeitig vollzogen hat, geht es in diesem Zusammenhang um eine Ausdifferenzierung der Wissenskategorie, vor allem unter dem Aspekt des praktischen Wissens und der praktischen Begriffe und auch als Grundlage für eine domänenspezifische Berufsbildungsforschung”. Rauner verweist auf Seite 10 dabei auf domänenspezifischen Kompetenzen in Zusammenhang mit der Multiple Intelligenzen Theorie von Howard Gardner. Siehe dazu auch Multiple Kompetenzen.

Gesundheitsreport 2009 der DAK und wissensbasierte Arbeit

Dem Gesundheitsreport 2009 der DAK (erschienen im Februar 2009) kann man folgendes entnehmen (S. 104): “Unterschiedliche Krankheiten und Gesundheitsrisiken, sowie geänderte Gesundheitseinstellungen und -verhaltensweisen können nicht losgelöst betrachtet werden vom Wandel in der Arbeitswelt. Die Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft stellt neue Anforderungen an Arbeitnehmer. Damit hängt die berufliche Leistungsfähigkeit nicht nur von den körperlichen, sondern sehr deutlich auch von den kognitiven und psychischen Ressourcen ab wie z.B. Auffassungsgabe, Erinnerungsvermögen sowei Ausdauer und Stressresistenz.” Der zu beobachtende Trend zum “Doping am Arbeitsplatz” ist keine gute Entwicklung. Die zu schnell verschriebenen Psychopharmaka können zu Abhängigkeiten führen und merzen die Ursachen nicht aus. Arbeitsplätze können durchaus an die kognitiven und körperlichen Leistungsfähigkeiten angepasst werden, sodass es zu eher ausgewogenen Belastungen kommt. Arbeitsplätze aus der Sicht der Multiple Intelligenzen Theorie beurteilt (Siehe Martin 2001) ermöglichen es Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Über-, aber auch Unterforderungen (physische und psychische) zu erkennen und Maßnahmen abzuleiten. “Doping am Arbeitsplatz” ist keine Lösung, sondern verschlimmert die Situation nur noch.

Was passieren kann, wenn man die Potenziale der Menschen erschließt…

Wir grenzen Menschen gerne aus: Die einen sind reich, die anderen arm. Die einen intelligent (IQ) und die anderen dumm. Die einen arbeiten und bekommen dafür Geld, die anderen gehen Tätigkeiten nach, für die es kein Geld gibt. Ist es wirklich so einfach, oder doch etwas komplexer? Zu welchen Leistungen sind Menschen, die scheinbar ausgegrenzt wurden, fähig? Eine gute Antwort auf die Frage habe ich bei Beck (Hrsg.) (1998:55): Perspektiven der Weltgeschichte gefunden:

 

“Gib´ mir Deine Müden, Deine Armen,
Deine hinausgedrängten Massen,
die danach streben, frei zu atmen,
den elenden Abfall Deines wimmelnden Landes,
schick´ diese, die Heimatlosen, Sturmgeschüttelten zu mir,
ich hebe meine Leuchte neben dem golden Tor!”
(Emma Lazarus, Inschrift im Sockel der Freiheitsstatue von New York)

Immerhin sind durch diese Menschen die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) entstanden, eines der mächtigsten Länder der Erde. Gut, diese Stellung ist durch die letzten Jahre geschwächt und nicht mehr so unangefochten, dennoch ist es erstaunlich, was geschehen kann, wenn man es den Menschen in einem Land ermöglicht, ihre Potenziale zu erschließen. Aber: Wer will das schon?

Catt orientiert sich an der Multiple Intelligenzen Theorie, allerdings …

Das Projekt Catt: Chancen für alle Temperamente und Talente ist im Oktober 2008 gestartet, wird u.a. von Gesamtmetall gefördert und orientiert sich an der Multiple Intelligenzen Theorie. Zielgruppe sind Lehrer, die ihren Unterricht anhand der vorbereiteten Materialien gestalten sollen. Die Unterlagen sind schön aufgearbeitet, die Texte auf der Website sind allerdings teilweise unklar. So wird nicht beschrieben, was man unter Multiple Intelligenzen versteht, wie sich diese von den genannten Denk-Stilen (oder Lernstilen?) abgrenzen. Siehe dazu z.B. die Anmerkungen von Aissen-Crewett. Bei der Darstellung der Multiplen Intelligenzen werden Personen den einzelnen Multiplen Intelligenzen zugeordnet, wobei die Gefahr besteht, dass der Kern der Multiple Intelligenzen Theorie undeutlich wird. Multiple Intelligenzen zeigen sich in einem bestimmten Kontext (Domäne). Der Kontextbezug ist in Howard Gardners Beschreibung der Multiplen Intelligenzen  wichtig. Auch ein Test – out of context – ist daher für die Visualisierung der Multiple Intelligenzen nicht angemessen. Darüber hinaus, sollte man die Kritik zur Intellektualistischen Legende berücksichtigen, um keine falschen Schlüsse aus der Multiple Intelligenzen Theorie zu ziehen. In dem von mir initiierten EU-Projekt MIapp haben wir immer wieder feststellen können, dass die Multiple Intelligenzen Theorie wie der IQ gesehen und angewendet wird. Das hat zu teilweise berechtigter Kritik an der Umsetzung der Erkenntnisse aus der Multiple Intelligenzen Theorie geführt. Es ist erforderlich, dass die Multiple Intelligenzen Theorie mit ihren verschiedenen Facetten gründlich verstanden wird, um sie für Lehrpläne oder auch in Unternehmen nutzbar zu machen. Es würde mich freuen, wenn das Projekt Catt diese Hinweise berücksichtigt. Siehe dazu auch MI-Karte.

Google Map: Multiple Intelligenzen

Wer befasst sich eigentlich noch mit dem Thema Multiple Intelligenzen? Es sind zunächst einmal Kindergarten und Schulen, aber auch immer wieder Unternehmen wie Danfoss in Dänemark, oder Forscher wie Andriessen (Multiple Intelligenzen und Intellektuelles Kapital) die die Vorteile der Multiple Intelligenzen Theorie nutzen. Einige Beispiele habe ich in einer Google Map zu Multiple Intelligenzen dargestellt, weitere Informationen finden Sie natürlich in der Kategorie Multiple Intelligenzen. Dennoch ist es manchmal gut, sich einen Überblick zu verschaffen. Diese Übersicht werde ich in 2009 immer weiter ergänzen.


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Wirtschaftswissenschaften beachten zu wenig die weichen, psychologischen Faktoren

Vier Ökonomen der US-Notenbank haben analysiert, wie es zu der Finanzmarktkrise kommen konnte. In dem Artikel Warum hat niemand die Krise kommen sehen? (Olaf Sorbeck, Handelsblatt vom 19.01.2009) steht am Ende (für manche) Erstaunliches: “Alles in allem stützt die Studie die Sicht des Yale-Ökonomen Robert Shiller. Dieser macht im Kern psychologische Faktoren wie überzogenen Optimismus für die Krise verantwortlich. ´Die Hauptursache ist die menschliche Natur´, sagt Shiller. ´Wir haben uns von den steigenden Immobilienpreisen einfach davontragen lassen.´ In der traditionellen Wirtschaftswissenschaft werden solche ´weichen´, psychologischen Faktoren kaum beachtet. Die ökonomische Unfallermittlung zeigt: Das war ein fataler Fehler.” Es wird also Zeit, dass die weichen, psychologischen Faktoren in den Wirtschaftswissenschaften beachtet werden: Das Bild des Homo Oeconomicus hat ausgedient. Ich gehe in meinem Promotionsvorhaben der Frage nach, ob das Konzept der Multiple Kompetenz (Multiple Intelligenzen) dazu einen Beitrag leisten kann.