Das Buch Kurtz, T.; Pfadenhauer, M. (Hrsg.) (2010): Soziologie der Kompetenz greift einen interessanten Aspekt der Kompetenzdebatte auf, eben die Rolle des Kompetenzkonstrukts in der Soziologie. Auf der Website des Verlags für Sozialwissenschaften heisst es dazu: “Kompetenz ist als eigenständiges Thema in der Soziologie bisher nicht, jedenfalls nicht auffällig, in Erscheinung getreten. Wer im Rahmen der Sozialwissenschaften von Kompetenzforschung spricht, denkt vor allem an Disziplinen wie Psychologie und Pädagogik. Insbesondere in der Empirischen Bildungsforschung wird der Kompetenzbegriff seit einigen Jahren in das Zentrum vieler Untersuchungen gestellt. Ein Grund dafür, dass ‚Kompetenz’ bislang kaum in den Fokus von Soziologen geraten ist, dürfte darin bestehen, dass der Begriff in der Regel ausschließlich personengebunden und häufig kognitiv reduziert angewandt wird, während er in der Soziologie zumeist lediglich metaphorisch verwendet und mitunter gar gesamt- und teilgesellschaftlichen Institutionen und Organisationen zugeschrieben wird. Der Band versammelt theoretische und empirische Herangehensweisen an Kompetenz aus soziologischer Sicht. Die Beiträge klären dabei auch die Frage nach dem Sinn und Nutzen des Kompetenzbegriffs als soziologische Kategorie, um dergestalt den Boden zu bereiten für eine dezidiert soziologische Kompetenzforschung”. Dewe weist in seinem Beitrag auf Seite 116 z.B. auf folgenden wichtigen Punkt hin: “Kontextunspezifische bzw. sozialkontextfreie Kompetenzen kann es im Rahmen eines sozialwissenschaftlichen Verständnisses nicht geben. Wissen und der Kontext der Anwendung von Wissen sind nicht zu trennen. Es handelt sich vielmehr um emergente Prozesse, welche nicht nach einer seite hin zu bestimmen bzw. aufzulösen sind.” In meinem Promotionsvorhaben (Promotionsskizze) weise ich auf die Kontextabhängigkeit des Kompetenzkonstrukts hin und entwickle mit Hilfe des Konzepts der Multiplen Kompetenz einen ebenenübergreifenden Ansatz (Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk). Siehe dazu auch Kernkompetenzen als Emergenzphänomene.
Münker, S. (2009): Emergenz digitaler Öffentlichkeiten – Die Sozialen Medien im Web 2.0
Das Taschenbuch Münker, S. (2009): Emergenz digitaler Öffentlichkeiten. Die Sozialen Medien im Web 2.0 hat mich durch den Titel angesprochen, da mich emergente Phänomene interessieren (Komplexität). Der Autor stellt die Entwicklung der neuen Sozialen Medien gut dar, wobei er leider zu wenig auf die emergenten Phänomene eingeht. Die hinreichend bekannten Beispiele zu beschreiben reicht mir nicht aus. Ich hätte mir gewünscht, wenn auf die Entstehung emergenter Strukturen inteniver eingegangen worden wäre. Die Transformationsbewegungen von der Mikroebene zur Makro- und Mesoebene – die Übergänge – interessieren dabei am meisten. Welche Rolle spielen Kontexte in diesem Zusammenhang? Macht es Sinn zwischen der Emergenz digitaler Öffentlichkeiten und der Emergenz nicht-digitaler Öffentlichkeiten zu unterscheiden? Dennoch: Das Taschenbuch ist durchaus lesenswert, auch wenn die Überschrift einen anderen Schwerpunkt vermuten lässt. Möglicherweise habe ich auch zu viel in den Titel hineininterpretiert.
Der Kunde hat immer Recht, oder?
Dazu gibt es von Joyce Martin (2001:287-298) eine interessante Antwort: “Diesem Satz fehlt noch das Ende: ´Der Kunde hat immer Recht mit dem, was er über das Produkt oder die Dienstleistung empfindet oder denkt´. Das heißt, die Wahrnehmung des Kunden kann sich auf eine andere Interpretation von Informationen stützen, weil er sie mit einer anderen Intelligenz beurteilt [Multiple Intelligenzen]. So ist das Produkt das beste der Welt oder eben gerade nicht. Darum geht es aber gar nicht. Wichtig ist, ob die Kundenansprüche an Qualität und Service befriedigt werden. Auch ein Kunde, der das beste Produkt zum besten Preis (mathematisches Kriterium) erhält, kann doch enttäuscht sein, weil Bedienungsanleitung oder Vertrag unklar sind (linguistisches Kriterium), oder verstimmt, weil das Design das Auge beleidigt (visuell-ästhetisches Kriterium) oder weil das Produkt zu laut ist (auditives Kriterium) etc. Nach Gardners Modell können Systeme entwickelt werden, mit denen sich nicht nur Produkt oder Dienstleistung selbst, sondern auch die Zufriedenheit der Kunden messen lassen, und zwar anhand ähnlicher Kriterien, wie sie in den Fragebögen zur Zufriedenheit der Beschäftigten mit Kommunikation und Weiterbildung aufgeführt sind.“
Mit dem Messen der Multiplen Intelligenzen ist es jedoch nicht so einfach, da diese nur im Kontext und auf intelligenzgerechte Weise bestimmt werden können. Dennoch: Joyce Martin gibt Hinweise darauf, wie man die Multiple Intelligenzen Theorie im Kundenkontakt nutzen kann.
Auf welchen Systemebenen laufen in Unternehmen Lernprozesse ab?
Lernprozesse in Unternehmen laufen nach Pawlowsky (2003) auf den Systemebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk ab. Diese Perspektive deckt sich mit dem Mehrebenenansatz in der Kompetenzdebatte (Wilkens 2004). Es wird deutlich, dass Lernen und damit verbunden die Kompetenzentwicklung auf den verschiedenen Ebenen in Zukunft immer wichtiger wird. Dabei stellen sich natürlich auch Fragen zum Umgang mit diesem komplexen (sozialen) System. Darüber hinaus ist im Unternehmensumfeld wichtig, dass man auf allen Ebenen zielgerichtet Handeln kann. Denn eins ist klar, die Existenzberechtigung der Unternehmen resultiuert aus der Fähigkeit Probleme zu lösen – und zwar komplexe Probleme. Diese Zusammenhänge arbeite ich gerade ein wenig in meiner Dissertation auf, in der ich der Frage nachgehe, ob das Konzept der Multiplen Kompetenz geeignet ist, ein entsprechendes Rahmenkonzept zu entwickeln…
Körperwissen (performed knowledge) – Was soll das denn sein?
Schon das Wort “Körperwissen” führt zu einem Kopfschütteln. Denn ist es nicht so, dass es entweder den Kopf mit dem dazugehörenden Wissen oder den Körper gibt? Hier Körper, da Geist. Hier Theorie, da Praxis. Diese Dichotomien könnte man fast endlos fortsetzen. Nur frage ich mich, stimmen diese scharfen Trennungen überhaupt noch? Nachdenklich machen mich neuere Forschungsergebnisse die zeigen, dass “Handlungssteuerung und Bewegungskoordination weder nur auf zuvor bewusst entworfenen Plänen noch auf zentral gespeicherten Steuerungsprogrammen, sondern auf dem Handlungsverlauf impliziten Rückkopplungsschleifen beruhen” (Alkemeyer 2009:192). Diese Rückkopplungsschleifen erinnern an die Theorie der reflexiven Modernisierung und den dort angesprochenen Strukturbruch zu einem eher einfachen Modernitätsverständnis. Verbindet man diesen Gedanken auch noch mit Ryle´s (1949) Hinweis, dass sich Intelligenz in der Handlung zeigt (Intellektualistische Legende), dann würde sich auch eine gewisse Körperlichkeit von Intelligenz ergeben… Siehe dazu auch Multiple Intelligenzen
Was ist das kritische Erfolgpotenzial in Organisationen?
“Das kritische Erfolgspotenzial in Organisationen stellt heute nicht mehr die Technik, sondern der Mensch dar. Somit muss die ökonomisch-technische Rationalität von einer ökonomisch-sozialhumanen abgelöst werden. Die Einsicht, dass das Ökonomische vom Sozialen getragen und bewegt wird, muss realisiert werden“ (Bleicher 1992:31). Ja sollen wir denn alle Sozialarbeiter werden? Nein, das ist nicht gemeint – ist ja auch schwer möglich. Doch: Viele sehr rational denkende Manager könnten von Sozialarbeitern durchaus einiges lernen…-doch wer will das schon? Was Bleicher meint ist, dass der Mensch in komplexen sozialen Systemen im Gegensatz zu technischen Systemen gut zurecht kommt. Unternehmen sehen allerdings Mitarbeiter immer noch als lästigen Kostenfaktor und weniger als Erfolgspotenzial. Mal sehen, ob sich das in Zukunft ein wenig ändern wird…
Chen/Moran/Gardner (Eds.) (2009): Multiple Intelligences around the world
Das neue Buch Chen/Moran/Gardner (Eds.): Multiple Intelligences around the world ist soeben veröffentlicht worden. In dem Buch erläutert Howard Gardner zunächst die Geschichte der Multiple Intelligenzen Theorie, wobei er auch auf die vorhandenen Fehlinterpretationen eingeht. Klicken Sie doch einfach auf den angegebenen Link und blättern Sie in den ersten Seiten des Buchs, Sie werden dort einige interessante Informationen finden. Die Multiple Intelligenzen Theorie ist weltweit beachtet und umgesetzt worden, dennoch: Da sie eine Erweiterung des vorherrschenden Intelligenz-Konstrukts “Intelligenz-Quotient” vorschlägt ist klar, dass aus dieser Ecke starke Kritik an der Multiplen Intelligenzen Theorie kommt. Entscheidend wird sein, welcher Ansatz eine bessere Passung zu allen anderen Debatten (Wissensdebatte, Kompetenzdebatte, usw.) bietet. In meiner Dissertation analysiere ich beispielsweise das Konzept der Multiplen Kompetenz, das sich auf die Multiple Intelligenzen Theorie stützt. Auch in dem von mir initiierten EU-Projekt MIapp (2004-2006) konnten wir zeigen, dass die Multiple Intelligenzen Theorie in Europa von vielen Schulen, aber auch von Unternehmen (Danfoss Universe) umgesetzt wird. In Deutschland zeigt die von mir angefangene MI-Map (Karte) verschiedenen Aktivitäten. Mal sehen, was sich in den kommenden Jahren noch so alles bewegen wird…
Kennen Sie Ihren Lernstil?
Lernen ist wichtig, doch wissen Sie, wie Sie lernen, bzw. welchen Lernstil Sie haben? Privat- personen, aber auch Unternehmen, wissen häufig nur, was gelernt wurde (werden sollte), allerdings nicht, wie gelernt wurde. Oftmals muss ich feststellen, dass Unternehmen hier Potential verschenken. Was wäre, wenn Führungskräfte wüssten, wie ihre Mitarbeiter lernen…? Kann man den Lernstil online testen? Prof. Röll ist der Meinung, dass es durchaus Sinn macht, seine Lernstilpräferenzen online zu analysieren: Lernstil-Test online. Dabei wird zwischen Typen unterschieden (Siehe Grafik). Ich stelle mir nur die Frage: Wenn lernen situiert ist, muss denn dann nicht auch der Kontext in dem der Lernenprozess abläuft berücksichtigt werden? Der Begriff des Stils bezeichnet nach Aissen-Crewett (1998) eine generelle Zugriffsweise, wobei Multiple Intelligenzen eher den Umgang mit spezifischen Inhalten meint – somit kontextspezifischer ist. Siehe dazu ausführlicher Multiple Intelligenzen und Fähigkeiten/Fertigkeiten, Lernstilen, Wissen, Kompetenz…
Kritik am Wertansatz der Kultur: Die Beziehung von Werten und Normen
Vor der Bundestagswahl, aber auch vor anderen Wahlen, kommen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Ecken Standpunkte zur Rolle der Kultur – manche sprechen sogar von einer Art “Leitkultur”. Dieser Ansatz unterstellt, dass Kultur handlungsleitend sein kann. Das klingt auch zunächst logisch und schlüssig… doch es gibt dagegen auch erhebliche Bedenken. Swidler (1986) führt dazu aus: “Das herrschende Modell, das benutzt wird, um die Wirkungen von Kultur auf das Handeln zu verstehen, ist grundlegend irreführend. Es nimmt an, daß Kultur das Handeln formt, indem sie höchste Ziele oder Werte, an denen sich das Handeln ausrichtet, zur Verfügung stellt, was die Werte zum zentralen, kausalen Element von Kultur macht”. In die gleiche Richtung argumentiert DiMaggio (1997) und ergänzt: “Wenn wir anerkennen, dass Kultur inkonsistent ist… wird es entscheidend, Einheiten für Kulturanalysen zu identifizieren und die Aufmerksamkeit auf die Beziehungen zwischen diesen zu richten. In der Folge sind unsere Ergebnisse nicht länger Indikatoren einer latenten Variable (Kultur)”. Beide Quellen argumentieren gegen eine Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen Kultur und einem Handeln, das auf Kultur zurückzuführen ist. Kultur ist wie so viele andere Begriffe auch ein Konstrukt, das gerne auf eine vereinfachende Formel gebracht wird, um Stammtische vor Wahlen zu bedienen. Dieser Reduktionismus der komplexen Zusammenhänge ist nicht förderlich, und sollte unterlassen werden (Komplexität) Genau so wie es unsinnig ist, Unternehmen auf eine Zahl zu reduzieren (Shareholder-Value) oder Intelligenz in einer Zahl zu beschreiben (Intelligenz-Quotient:IQ) ist es auch nicht mehr zeitgemäß Kultur auf eine handlungsleitende Dimension zu reduzieren. Konzentrieren wir uns in der Debatte um den Begriff Kultur darauf anzuerkennen (wie DiMaggio es nennt), “dass Kultur inkonsistent ist”. Daraus ergeben sich natürlich viele neue Perspektiven, die manchen Politikern nicht gefallen werden, allerdings der komplexen Wirklichkeit eher entsprechen, als dumpfe Stammtischparolen…
Gedanken zum Problemlösen
Probleme lösen zu können ist für uns persönlich, aber auch für Unternehmen wichtig. In letzter Zeit fällt allerdings auf, dass der Begriff “Problemlösen” unterschiedlich verwendet wird. Funke unterscheidet dazu das einfache Problemlösen (Simple Problem Solving) und das komplexe Problemlösen (complex problem solving). Beim einfachen Problemlösen sind Ist- und Soll-Zustand gut beschreibbar. Durch planbares Vorgehen ist der Soll-Zustand dann mehr oder weniger gut erreichbar. Komplexes Problemlösen ist anders, denn die Ausgangszustände sind nicht so eindeutig beschreibbar und auch der Weg zum Ziel ist vielfältig und schwierig. Bamberger/Wrona (2000:6) formulieren das so: “Sie stellen Entscheidungen unter Unsicherheit dar und werden auch als sog. Multi-Kontext-Probleme derart bezeichnet, dass sie in unterschiedlichen, jeweils aktorspezifischen Kontexten definiert bzw. expliziert werden“. Die Gesamtsituation kann man als komplex bezeichnen. Komplexität begegnet man mit Selsbtorganisation – die Fähigkeit zur Selbstorganisation ist somit ein Kernelement komplexen Problemlösens. Damit sind wir allerdings auch schon beim Begriff “Kompetenz”, den Erpenbeck als Selbstorganisationsdisposition beschreibt. Berücksichtigt man weiterhin, dass Problemlösen auch mit Intelligenz in Verbindung gebracht wird, so stellt sich die Frage, wie Intelligenz mit Problemlösen zusammenhängt. Ceci und Kollegen haben herausgefunden, dass es keine Korrelation zwischen dem komplexen Probelemlösen und dem IQ gibt (vgl. dazu auch Funke). Was es allerdings gibt, ist eine Verbindung zwischen Multiplen Intelligenzen und dem komplexen Problemlösen (Ceci, Funke). Es scheint so zu sein, dass die Multiple Intelligenzen Theorie eher in der Lage ist, komplexes Problemlösen zu ermöglichen und zu unterstützen. Diesen Gedanken greife ich in meiner Dissertation (Promotionsvorhaben) auf. Siehe dazu auch Intelligenz-Quotient (IQ) aus Sicht der Komplexitätsforschung oder Psychologie der Kreativität oder Alfred Binet – oder der erste Intelligenztest der Welt