Sollten wir zwischen Handlungs- und Ereigniskontingenz unterscheiden?

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Der Begriff “Kontingenz” kommt immer stärker in den Fokus, je deutlicher wir erkennen, dass unsere Lebenserfahrungen ungewiss und offen sind. Es kann also alles so kommen, oder ganz anders. Das macht es nicht einfacher, Entscheidungen zu fällen.

“Das zäumt die Sache sogleich pragmatisch auf, und mit Hermann Lübbe (1998:35) können wir dann ´kontingent´ Ereignisse oder Vorgänge nennen, ´sofern sie mit Handlungen handlungssinnunabhängig interferieren.´ Zwischen Unmöglichkeit und Notwendigkeit also liegt das Reich der Kontingenz. Mit Lübbes Bestimmung hat es allerdings eine Schwierigkeit, die ins Auge sticht, sobald man daran denkt, dass die Handlung selbst kontingent genannt werden kann, weil – insofern – sie selbst anders möglich ist/war. Kontingent ist dann alles, was dem Entscheidenden oder dem Handelnden anders möglich ist – vor dem Hintergrund dessen, was er (oder, aber das ist etwas anderes, ein Beobachter zweiter Ordnung) als notwendig oder unmöglich ansieht. Dann interferieren nicht externe Ereignisse handlungssinnunabhängig mit Handlungen, sondern Handlungen begründungssinnunabhängig mit ihren Begründungen. Zwingende Gründe, solche, die ein Handeln als notwendig begründen, gibt es nicht im Reich der Kontingenz. Diese Version der Kontingenz lässt sich in den Satz kleiden: Es könnte auch anders sein, und wir können anders. Lübbes Version lautet: Es könnte auch anders [17] sein, aber wir können es nicht ändern. Ich finde es zweckmäßig, jene Version Handlungskontingenz, die Version Lübbes aber Ereigniskontingenz zu nennen” (Ortmann 2009:17-18).

Ortmann weist darauf hin, dass Kontingenz einerseits immer in Bezug auf etwas gesehen werden musss – also in Bezug auf eine bestehende Ordnung. Andererseits gibt es kein Management ohne Kontingenz, wobei es sich um den Umgang mit Handlungskontingenz oder Ereigniskontingenz handeln kann (ebd. S. 23). Es sieht so aus, als ob die Unterscheidung für die praktische Anwendung von Management nützlich ist.

Hybrid Work is the New Normal

In Zeiten von Corona ist Remote Work, also das Arbeiten nicht am Arbeitsplatz, sondern z.B. auch im Home Office, beliebt geworden. Immerhin braucht ein Arbeitnehmer nicht zum Arbeitsplatz hin und zurück zu pendeln, und spart somit Lebenszeit. Der Arbeitgeber spart dadurch Bürofläche, was scheinbar für alle eine Win-Win-Situation darstellt.

In der Zwischenzeit melden sich allerdings auch immer stärker kritische Stimmen: 5 Dinge, die an Remote Work nerven. Letztendlich weist auch das Whitepaper Die Arbeit der Zukunft ist Remote (PDF) auf den Seiten 5ff. darauf hin, dass es nicht nur die beiden Pole “Arbeiten am Arbeitsplatz” oder “Remote arbeiten”, sondern viele verschiedene Mischformen gibt, die als Hybrides Arbeiten bezeichnet werden können.

In dem Artikel Hybrid Work Is the New Remote Work der Boston Consulting Group vom 22.09.2020 wird aufgezeigt, was das heisst: “Hybrid work models, done right, will allow organizations to better recruit talent, achieve innovation, and create value for all stakeholders. By acting boldly now, they can define a future of work that is more flexible, digital, and purposeful”.

Hybride Arbeitsmodelle ermöglichen es Personen, Teams, Organisationen und Netzwerke, Ungewissheit und Unsicherheit zu bewältigen. Analysieren Sie, welche Tätigkeiten gut remote, und welche eher kollaborativ im persönlichen Kontakt im Unternehmensumfeld bearbeitet werden können/sollten. Die Diskussion darüber wird wertvolle Ergebnisse bringen, und zu ihrem persönlichen Modell des hybriden Arbeitens führen. Dabei sollten immer wieder die neuen Arbeits-Anforderungen und die neuen technischen Möglichkeiten überprüft, und das hybride Arbeiten angepasst werden – möglichst in kurzen Zyklen und iterativ. Siehe dazu auch Von hybriden Produkten über hybride Wertschöpfung zur hybriden Wettbewerbsstrategie.

Warum sollten wir das In-Beziehungen-Denken neu lernen?

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Ein gutes Beispiel dafür, was in komplexen Systemen passiert ist das Gehirn, da es das das komplexeste und leistungsfähigste Organ ist, das wir kennen.

Und diese Leistungsfähigkeit liegt – nach allem, was wir bislang aus der Hirnforschung wissen – nicht zuletzt daran, dass die Verknüpfungen wichtiger als die Teile sind. Das Gehirn funktioniert, weil etwas zwischen den Neuronen passiert – elektrische und chemische, möglicherweise auch rhythmische Verbindungen, Vernetzungen, Beziehungen. Es existiert keine zentrale Instanz, (…) (Mutius 2004:27).

Es erscheint also in komplexen Systemen wie Gesellschaften, Märkten und Organisationen wichtig zu sein, auf „Muster, die verbinden“ (Gregory Bateson) zu achten. Neu zu lernen wäre also das In-Beziehungen-Denken (Mutius 2004:17), was uns nicht leicht fällt, da wir es seit dem 18. Jahrhindert gewohnt sind, von stetigem Fortschritt, Beherrschbarkeit der Natur usw. auszugehen (Einfache Modernisierung). Dieses Mindset zu ändern ist in der heutigen Reflexiven Modernisierung die Aufgabe in allen Bereichen unserer Gesellschaft.

Diese soziologisch seit Jahren gut beschriebene Situation mit ihren Auswirkungen der Kontingenz, der Entgrenzungen, der stärkeren Selbstorganisation usw. usw. wird von betriebswirtschaftlich ausgerichteten Marktteilnehmern oft genutzt, um Geschäfte zu machen. Dabei wird allerdings kaum – oder gar nicht – auf die vielfältigen Vorarbeiten aus der Soziologie eingegangen. Auch hier wäre ein In-Beziehungen-denken angebracht.

Schwarmintelligenz: Die Weisheit der vielen und das Wissen der Eliten

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Ende des 18. Jahrhunderts schließen sich Intellektuelle zusammen um das Wissen der Zeit zu sammeln. In Enzyklopädien wird erfasst, was wir heute immer noch oft unter “Wissen” verstehen. Die neuen technologischen Möglichkeiten zeigen nun, dass es auch andere Formen gibt, Wissen zu generieren und anderen zur Verfügung zu stellen. Das Projekt Wikipedia zeigt in kurzer Zeit, dass die Wissen nicht alleine von Experten sondern auch von vielen Amateuren generiert (produziert) werden kann. Insofern wandelt sich der Wissensbegriff über die Zeit.

Der Wissensbegriff allerdings, für den Wikipedia steht, hat mit dem Wissensbegriff, den wir alle als Kinder der wissenschaftlichen Neuzeit und der Aufklärung gelernt haben, wenig zu tun. Wenn der durch die veränderte Mediennutzung angeregte Trend stabil bleibt – und es spricht derzeit alles dafür und nichts dagegen -, dann stellen wir unsere Wissensfragen in Zukunft eben zunehmend weniger, wenn überhaupt, an die enzyklopädischen Elitemedien der Buchdruckkultur, sondern überantworten sie vielmehr der Schwarmintelligenz der digitalen Netzkultur und ihrer Effekte. Unser Begriff des Wissens aber ist dann nicht länger durch den Bezug auf eine relativ kleine Klasse von ausgewiesenen Experten geprägt; Wissen ist dann vielmehr zu verstehen als Resultat der vernetzten Kollaboration eines zunehmend großen Kreis von engagierten Amateuren, deren weitgehende Anonymität jegliche Rückschlüsse auf ihre Kompetenz verbietet. Der amerikanische Soziologe und Journalist James Surowiecki hat das Prinzip der kollektiven Intelligenz auf die Formel „Weisheit der vielen“ gebracht. Wer zwischen der kollaborativen Wissensproduktion im Netz und dem Expertenwissen der Bücher einen klaren Gegensatz sieht, für den gilt: Die Weisheit der vielen triumphiert im Web 2.0 über das Wissen der Eliten (Münker 2009:98-101).

In diesem Absatz kommen allerdings sehr viele Begriffe vor, die nicht eindeutig bestimmt sind. Neben “Wissen” sind das auch noch “Intelligenz” und “Weisheit”. Bei dem Konstrukt “Intelligenz” ist es hier wichtig zu klären, ob es sich um die Intelligenz im Sinne des Intelligenz-Quotienten (IQ), oder eher um eine diversifizierte Intelligenz im Sinne der Theorie der Multiplen Intelligenzen handelt.

Growth Mindset, Agilität und Multiple Intelligenzen

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Im Zusammenhang mit der Transformation/Transitionen von traditionellen Organisationen zu Agilen Organisationen wird immer wieder das “Agile Mindset” hervorgehoben. Hans-Gerd Serevatius hat 2018 dazu Wege zu einem agilen Mindset beschrieben. Darin definiert er das agile Mindset als “bewegliche Denkweise eines Menschen, die auch sein Verhalten prägt.”. Diese Denkweise kann als relativ stabil oder als veränderbar angenommen werden.

Carol Dweck (2006) beschreibt diese Zusammenhänge als Fixed Mindset oder Growth Mindset. Ein Fixed Mindset geht davon aus, dass Kreativität, Intelligenz und Talent unveränderbar sind.

Wie wichtig es ist, dass die an der Förderung des Lernens Beteiligten nicht an die Konstanz, sondern stattdessen an die Veränderbarkeit der Intelligenz glaubten, hat Carol Dweck (1986, 1990) in zahlreichen Untersuchungen überzeugend belegt (Mietzel 2003:253).

Gerade in einem VUCA-Umfeld ist es wichtig, von einem Growth Mindset auszugehen, bei dem Kreativität, Intelligenz und Talent veränderbar sind. Interessant ist in diesem Zusammehnag, dass In dem Artikel Bokas, A.; Rock, R. (2016): Changing the Mindset of Education: Every Learner is Unique wird ein Zusammenhang hergestellt, zwischen dem Growth Mindset und der Theorie der Multiplen Intelligenzen von Howard Gardner.

Emotionale Intelligenz: Ursprung und der Bezug zu Multiplen Intelligenzen

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Wenn es um Emotionale Intelligenz geht, wird häufig Daniel Goleman genannt, der dieses Konstrukt bekannt gemacht hat. Dabei geht leider oft verloren, dass es John D. Mayer und Peter Salovey waren, die schon 1990 beschrieben haben, was sie unter Emotionaler Intelligenz verstehen.

“Emotional intelligence is a type of sociali ntelligence that involves the ability to monitor one’s own and others’ emotions to discriminate among them, and to use the information to guide one’s thinking and actions (Salovey & Mayer 1990)”, zitiert in Mayer/Salovay 1993, p. 433.

Interessant dabei ist, dass beide Autoren erwähnen, dass sie statt Emotional Intelligence auch Emotional Competence hätten wählen können, doch haben sie sich bewusst für Emotional Intelligence entschiedenen, da sich Emotional Intelligence “overlaps with Gardner´s (1983) ´(intra) personal intelligence´ (ebd. p. 433).

The core capacity at work here is access to one’s own feeling life – one’s range of affects or emotions; the capacity instantly to effect discriminations amongt these feelings and eventually, to label them, to enmesh them in symbolic codes, to draw upon them as a means of undentanding and guiding one’s behavior. In its most primitive form, the intrapenonal intelligence amounts to little more than the capacity to distinguish a feeling of pleasure from one of pain (…). At its most advanced level, intrapersonal knowledge allows one to detect and to symbolize complex and highly differentiated set of feelings (…) to attain a deep knowledge of (…) feeling life (ebd. p. 239).

Die Anlehnung an Gardner´s Theorie der Multiplen Intelligenzen ist bemerkenswert, und auch der Bezug zum Begriff “Competence”. Beide Perspektiven habe ich in meinem Buch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe und Organisation weiter analysiert und in ein Gesamtkonzept überführt.

Was sind eigentlich mögliche Aufgabengebiete der Künstlichen Intelligenz?

Group of people with devices in hands working together as symbol of networking and communication

Die Geburtsstunde von “Künstlicher Intelligenz” geht auf einen Konferenzbeitrag von McCarthy im Jahr 1955 zurück. In der Zwischenzeit gibt es durch die vielen neuen technischen Möglichkeiten zwar immer wieder Definitionsversuche, doch immer noch keine einheitliche und anerkannte Definition. Was allerdings klar erscheint sind die verschiedenen Aufgabengebiete, die für eine Künstliche Intelligenz geeignet erscheinen. Russell und Norvig unterscheiden hier acht Aufgabengebiete (vgl. Russell und Norvig 2012; Peissner et al. 2019), zitiert in Fraunhofer IAO 2020:11-12):

  • Lernen
  • Problemlösung durch Suchen
  • Planen
  • Robotik
  • Entscheidung
  • Wissensrepräsentation
  • Wahrnehmung
  • Spracherkennung

Anhand dieser Auflistung wird deutlich, dass Künstliche Intelligenz viele Tätigkeiten in unserem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben beeinflussen kann. Es geht hier allerdings nicht immer um komplette Jobs, die infrage gestellt werden, sondern auch um Tätigkeitsportfolios, die in einzelnen Jobs oder in Prozessketten von KI profitieren können. Hier ein Beispiel:

Populär wurden in jüngster Zeit Anwendungen wie beispielsweise KI-gestützte »Chatbots«. Dies sind Programme, die eine Konversation mit Nutzern führen können. Social Chatbots agieren in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter (vgl. Edwards 2016). Anwendungsgebiete sind u.a. Bestellungen (z.B. Pizza-Service), Antworten auf Kundenanfragen zu Prozessen (Paketdienste) und Bearbeitung von Beschwerden (Fraunhofer IAO 2020:13).

Intelligente Organisation oder Organisationale Intelligenz? Was soll das sein?

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Wenn wir über Intelligenz oder Dummheit sprechen, geht es oft einerseits um intelligente Menschen und anderseits um intelligente maschinelle Systeme wie maschinelles Lernen oder Künstliche Intelligenz. In Unternehmen/Organisationen oder weiter gefasst, in Systemen geht es allerdings auch darum, die verschiedenen Facetten der Intelligenz zu fördern und für Werte zu nutzen. Bei Organisationen kommen die beiden Perspektiven “Intelligent Organization” und “Organizational Intelligence” ins Spiel.

Within this field two major research communities can be found. The first on has been established around the annual Hawai International Conference on System Sciences (HICSS), starting from a tutorial on “Intelligent Organizations” presented by G. P. Huber in 1987. The second has its roots in Japan, where T. Matsuda is developing towards a holistic approach of what he calls “Organizational Intelligence” (…). In contrast of others he [Matsuda 1988, 1991, 1992] stresses that machine learning is an integral part of the intelligence of an organization (vgl. Kirn 1996:141).

Die Organisationale Intelligence nach Matsuda integriert menschliche Intelligenz und (heute) Künstliche Intelligenz. Ich würde dabei noch ergänzen, dass dies nicht nur auf der organisationalen Ebene, sondern auch auf der individuellen Ebene, bei Teams und in Netzwerken außerhalb der Organisation eine Rolle spielt. In Meinem Buch Freund, R. (2011): das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Ebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk habe ich diesen Ansatz auch mit Hilfe der Theorie der Multiplen Intelligenzen beschrieben.

Gedanken zum Kommunikationsbegriff in sozialen Systemen

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Immer wieder wird in Interaktionen deutlich, dass der Kommunikation eine wichtige Rolle zukommt. Doch was verstehen wir unter Kommunikation? Eine Sichtweise kann aus der Systemtheorie abgeleitet werden. Luhmanns Systemtheorie “begreift Kommunikationen als Operationen sozialer Systeme und Erwartungen als Strukturen, die kommunikative Ereignisse miteinander verknüpfen. Erwartungen werden dabei als Verdichtungen von Sinn bestimmt” (Schneider 2008:129). Dabei ist Sinn definiert “durch die Unterscheidung von Aktualität und Möglichkeit” (ebd. S. 141). Weiterhin ist interessant, dass der Kommunikationsbegriff über die Entscheidung mit Konsens und Konflikt zusammenhängt.

Über die drei Selektionen Mitteilungen, Information und Verstehen hinaus, die zusammen den Kommunikationsbegriff definieren, ist eine vierte Selektion für den weiteren Verlauf der Kommunikation von zentraler Bedeutung, die mit jeder Anschlußäußerung aufgerufen ist: die Entscheidung zwischen der Annahme und der Ablehnung der vorausgehenden Mitteilung. Diese Entscheidung markiert einen Verzweigungspunkt in Richtung Konsens und Konflikt (Schneider 2008:138).