Dem Working Paper 09/15 Mitchell, S.; Streek, W. (2009): Complex, Historical, Self-reflexive: Expect the Unexpected! des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung ist einfach nur zuzustimmen – Zusammenfassung: “Die Gegenstandswelt der Sozialwissenschaften ist komplex, historisch und reflexiv. Sie unterliegt nicht-linearen Effekten, es gibt sie immer nur einmal, sie versteht die über sie entwickelten Theorien und reagiert auf sie mit eigenem Willen. Den emergenten, historisch kontingenten und selbstorganisierenden Charakter der sozialen Welt zu erkennen und Politikinstrumente zu finden, die ihrer Komplexität gerecht werden, erfordert ein verändertes Konzept von Wissenschaft im Allgemeinen und von Wirtschaftstheorie im Besonderen”. Es wird Zeit, dass Politiker, Manager und Wissenschaftler das merken… aber wer will das schon?
Kurtz, T.; Pfadenhauer, M. (Hrsg) (2010): Soziologie der Kompetenz
Das Buch Kurtz, T.; Pfadenhauer, M. (Hrsg.) (2010): Soziologie der Kompetenz greift einen interessanten Aspekt der Kompetenzdebatte auf, eben die Rolle des Kompetenzkonstrukts in der Soziologie. Auf der Website des Verlags für Sozialwissenschaften heisst es dazu: “Kompetenz ist als eigenständiges Thema in der Soziologie bisher nicht, jedenfalls nicht auffällig, in Erscheinung getreten. Wer im Rahmen der Sozialwissenschaften von Kompetenzforschung spricht, denkt vor allem an Disziplinen wie Psychologie und Pädagogik. Insbesondere in der Empirischen Bildungsforschung wird der Kompetenzbegriff seit einigen Jahren in das Zentrum vieler Untersuchungen gestellt. Ein Grund dafür, dass ‚Kompetenz’ bislang kaum in den Fokus von Soziologen geraten ist, dürfte darin bestehen, dass der Begriff in der Regel ausschließlich personengebunden und häufig kognitiv reduziert angewandt wird, während er in der Soziologie zumeist lediglich metaphorisch verwendet und mitunter gar gesamt- und teilgesellschaftlichen Institutionen und Organisationen zugeschrieben wird. Der Band versammelt theoretische und empirische Herangehensweisen an Kompetenz aus soziologischer Sicht. Die Beiträge klären dabei auch die Frage nach dem Sinn und Nutzen des Kompetenzbegriffs als soziologische Kategorie, um dergestalt den Boden zu bereiten für eine dezidiert soziologische Kompetenzforschung”. Dewe weist in seinem Beitrag auf Seite 116 z.B. auf folgenden wichtigen Punkt hin: “Kontextunspezifische bzw. sozialkontextfreie Kompetenzen kann es im Rahmen eines sozialwissenschaftlichen Verständnisses nicht geben. Wissen und der Kontext der Anwendung von Wissen sind nicht zu trennen. Es handelt sich vielmehr um emergente Prozesse, welche nicht nach einer seite hin zu bestimmen bzw. aufzulösen sind.” In meinem Promotionsvorhaben (Promotionsskizze) weise ich auf die Kontextabhängigkeit des Kompetenzkonstrukts hin und entwickle mit Hilfe des Konzepts der Multiplen Kompetenz einen ebenenübergreifenden Ansatz (Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk). Siehe dazu auch Kernkompetenzen als Emergenzphänomene.
Münker, S. (2009): Emergenz digitaler Öffentlichkeiten – Die Sozialen Medien im Web 2.0
Das Taschenbuch Münker, S. (2009): Emergenz digitaler Öffentlichkeiten. Die Sozialen Medien im Web 2.0 hat mich durch den Titel angesprochen, da mich emergente Phänomene interessieren (Komplexität). Der Autor stellt die Entwicklung der neuen Sozialen Medien gut dar, wobei er leider zu wenig auf die emergenten Phänomene eingeht. Die hinreichend bekannten Beispiele zu beschreiben reicht mir nicht aus. Ich hätte mir gewünscht, wenn auf die Entstehung emergenter Strukturen inteniver eingegangen worden wäre. Die Transformationsbewegungen von der Mikroebene zur Makro- und Mesoebene – die Übergänge – interessieren dabei am meisten. Welche Rolle spielen Kontexte in diesem Zusammenhang? Macht es Sinn zwischen der Emergenz digitaler Öffentlichkeiten und der Emergenz nicht-digitaler Öffentlichkeiten zu unterscheiden? Dennoch: Das Taschenbuch ist durchaus lesenswert, auch wenn die Überschrift einen anderen Schwerpunkt vermuten lässt. Möglicherweise habe ich auch zu viel in den Titel hineininterpretiert.
Führung 2.0? Was soll das bedeuten?
Für die ComTeam-Studie 2009: Führung 2.0 – Unternehmenswelt von morgen wurden insgesamt 4.000 Fach- und Führungskräfte befragt. Bei einer Rücklaufquote von 10% (Online-Fragebogen) ist das eine überschaubare Datenbasis. Auch sind die gestellten Fragen aus meiner Sicht eher tendenziell als wissenschaftlich fundiert. Abgeleitete, allgemeine Aussagen zu einem Trend sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden. Was die Befragung mit Führung 2.0 zu tun hat, erschließt sich nicht so richtig. In Anspielung auf das Web 2.0 soll wohl eine Veränderung des Führungsverhaltens abgeleitet werden. Lothar Lochmeier hat schon am 30.10.2007 in dem Artikel Führung 2.0 und der intelligente Schwarm (manager magazin) auf diesen Punkt hingeweisen. Dazu brauchte man nicht unbedingt eine weitere Studie. Wichtiger ist, die Veränderungen für die Führung ganzheitlicher zu betrachten. Siehe dazu auch Malik (2008): Wie Organisationen sich selbst organisieren, Mainzer (2008): Komplexität, Subjektivierung der Arbeit, Wissensarbeit

Dokumentation der bib-infonet-Konferenz zur Kompetenzerfassung online verfügbar
Im April 2009 fand in Österreich eine Konferenz zu folgenden Themen statt: “Informelles Lernen, Kompetenzen, Ansätze und Instrumente der Kompetenzerfassung, Validierung und Zertifizierung von Kompetenzen, Nationaler Qualifikationsrahmen für Österreich (NQR) und Europäischer Qualifikationsrahmen (EQR)”. Die jeweiligen Beitrag sind nun auf dieser Website online verfügbar. Der Profilpass wurde von Sabine Seidel vorgestellt. Wie Sie wissen, stehe ich einer Kompetenzbilanzierung kritisch gegenüber (Blogbeitrag), da diese Bilanzierung häufig out of context erfolgt. Ein wesentliches Merkmal von Kompetenzen ist allerdings, dass sie relational und kontextspezifisch sind. Siehe dazu auch Hartig/KLieme (2007) oder meine Anmerkungen zu Multiplen Kompetenzen.
Subjektivierung der Arbeit: Was versteht man darunter?
Die momentane Arbeitswelt steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Berufsbilder, die sich an stabilen Fähigkeitsstrukturen orientieren lösen sich auf. Auch dauerhafte Beschäftigung, stabile Arbeitszeiten usw. deuten auf eine Entgrenzung der Arbeit hin. Diese wiederum führt zu mehr Freiräumen, die von den Mitarbeitern selbstorganisiert genutzt werden sollen und müssen (Selbstorganisationsdisposition). Dabei bringen sie ihre Potenziale ein. Diese Subjektivierung der Arbeit muss ganz anders gesteuert werden, als es das Management traditioneller Arbeitsformen vorgab. Gerade Führungskräfte sollten sich mit diesen Aspekten der Veränderungen befassen.
Siehe dazu auch
– Bei der Arbeitssituationsanalyse rückt ´das Ganze der Arbeit´ in den Mittelpunkt.
– Die Entgrenzung des Lernens erfordert neue Konzepte der Personalentwicklung

Wandel ist nicht gleich Wandel: Sicherer Wandel, abschätzbarer Wandel, offener Wandel
Der Begriff Wandel ist in aller Munde, doch was versteht man darunter? Zahn/Dillerup (1995:38) unterscheiden den sicheren Wandel (Ruhige Umwelt), den abschätzbaren Wandel (Veränderliche Umwelt) und den offenen Wandel (Turbulente Umwelt). Selbstverständlich gibt es ein Kontinuum mit verschiedenen Zwischenzuständen (Stacey 1991). Nach Ackhoff (1994:175ff.) ist das Systemverständnis jeweils unterschiedlich. Im sicheren Wandel sind mechanistische Systeme üblich (Unternehmen als Maschine), beim abschätzbaren Wandel spricht man von organismischen Systemen (Unternehmen als Organismus) und beim offenen Wandel von sozialen Systemen (Unternehmen als soziales System). Diese Unterscheidung sollte man sich klar machen, denn zu den jeweiligen Metaphern gehören spezifische Managementziele. Beim sicheren Wandel geht es um Effizienz, beim abschätzbaren Wandel um kontinuierliche Verbesserungen und beim offenen Wandel um Erneuerung. Da wir uns in einem offenen, turbulenten Wandel befinden (Theorie der reflexiven Modernisierung) geht es in den Unternehmen darum, die Selbstorganisationspotenziale zu erschließen und zu nutzen. Siehe dazu auch Komplexität, Selbstorganisationsdisposition.
Schilderwald Deutschland und der Umgang mit Komplexität
Betrachtet man sich den Schilderwald in Deutschland einmal genauer, so fällt auf, dass dieser in den letzten Jahrzehnten immer größer geworden ist. Immerhin haben wir 20.000.000 Schilder in Deutschland – bezogen auf das Streckennetz bedeutet das statistisch alle 28m ein Schild. Beeindruckend. Findige Bürokraten versuchen mit immer mehr Regeln und entsprechenden Schildern, den Straßenverkehr “in den Griff” zu bekommen. Diese Vorgehensweise entspricht den Denk- und Handlungsmustern der einfachen Moderne (Reduktionismus). Dabei unterstellt man eine gewisse Rationalität, mit der man Komplexität einfach reduziert und regelt. Dass das in einer immer stärker vernetzten und globalisierten Welt keine angemessene Vorgensweise ist, hat schon die Krise in der Finanzwelt gezeigt. Wenn man nun laaaaaaangsam anfägt, Schilder abzumontieren und immer mehr Kreisverkehr-Lösungen umsetzt, so zeigt das grundsätzlich in die richtige Richtung: Selbstorganisation. Selbstorganisation ist Grundelement im Umgang mit Komplexität in der reflexiven Moderne. Der Übergang zur Selbstorganisationsdisposition (Kompetenz nach Erpenbeck/Heyse) ist dann nicht mehr weit. Aber wer will das schon?
Organisationen als Mülltonnen? Eine interessante Metapher
Für Organisationen werden immer wieder Metapher gesucht und gefunden. Organisationen, z.B. Unternehmen, werden oft als Maschine gesehen. Diese Metapher sollte heute allerdings nicht mehr genutzt werden. Unternehmen als lebende Organismen zu sehen, ist eine bessere Metapher. Nun habe ich bei Cohen/March/Olsen (1962) gesehen, dass diese Forscher vorschlagen, Organisationen als Mülltonnen zu sehen, in die man Probleme schmeißt. Weick (1995) ist diese Vorstellung gar nicht so unrecht, da sie darauf abziehlt, Organisationen als selbstorganisierendes System zu betrachten…. Interessant. Mir erscheint die scharfkanntige Abgrenzung durch die Metapher “Mülltonne” allerdings nicht angemessen, da sich Unternehmen heute doch stärker öffnen müssen – siehe z.B. Open Innovation.
Auf welchen Systemebenen laufen in Unternehmen Lernprozesse ab?
Lernprozesse in Unternehmen laufen nach Pawlowsky (2003) auf den Systemebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk ab. Diese Perspektive deckt sich mit dem Mehrebenenansatz in der Kompetenzdebatte (Wilkens 2004). Es wird deutlich, dass Lernen und damit verbunden die Kompetenzentwicklung auf den verschiedenen Ebenen in Zukunft immer wichtiger wird. Dabei stellen sich natürlich auch Fragen zum Umgang mit diesem komplexen (sozialen) System. Darüber hinaus ist im Unternehmensumfeld wichtig, dass man auf allen Ebenen zielgerichtet Handeln kann. Denn eins ist klar, die Existenzberechtigung der Unternehmen resultiuert aus der Fähigkeit Probleme zu lösen – und zwar komplexe Probleme. Diese Zusammenhänge arbeite ich gerade ein wenig in meiner Dissertation auf, in der ich der Frage nachgehe, ob das Konzept der Multiplen Kompetenz geeignet ist, ein entsprechendes Rahmenkonzept zu entwickeln…