Münker, S. (2009): Emergenz digitaler Öffentlichkeiten – Die Sozialen Medien im Web 2.0

Das Taschenbuch Münker, S. (2009): Emergenz digitaler Öffentlichkeiten. Die Sozialen Medien im Web 2.0 hat mich durch den Titel angesprochen, da mich emergente Phänomene interessieren (Komplexität). Der Autor stellt die Entwicklung der neuen Sozialen Medien gut dar, wobei er leider zu wenig auf die emergenten Phänomene eingeht. Die hinreichend bekannten Beispiele zu beschreiben reicht mir nicht aus. Ich hätte mir gewünscht, wenn auf die Entstehung emergenter Strukturen inteniver eingegangen worden wäre. Die Transformationsbewegungen von der Mikroebene zur Makro- und Mesoebene – die Übergänge – interessieren dabei am meisten. Welche Rolle spielen Kontexte in diesem Zusammenhang? Macht es Sinn zwischen der Emergenz digitaler Öffentlichkeiten und der Emergenz nicht-digitaler Öffentlichkeiten zu unterscheiden? Dennoch: Das Taschenbuch ist durchaus lesenswert, auch wenn die Überschrift einen anderen Schwerpunkt vermuten lässt. Möglicherweise habe ich auch zu viel in den Titel hineininterpretiert.

Führung 2.0? Was soll das bedeuten?

Für die ComTeam-Studie 2009: Führung 2.0 – Unternehmenswelt von morgen wurden insgesamt 4.000 Fach- und Führungskräfte befragt. Bei einer Rücklaufquote von 10% (Online-Fragebogen) ist das eine überschaubare Datenbasis. Auch sind die gestellten Fragen aus meiner Sicht eher tendenziell als wissenschaftlich fundiert. Abgeleitete, allgemeine Aussagen zu einem Trend sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden. Was die Befragung mit Führung 2.0 zu tun hat, erschließt sich nicht so richtig. In Anspielung auf das Web 2.0 soll wohl eine Veränderung des Führungsverhaltens abgeleitet werden. Lothar Lochmeier hat schon am 30.10.2007 in dem Artikel Führung 2.0 und der intelligente Schwarm (manager magazin) auf diesen Punkt hingeweisen. Dazu brauchte man nicht unbedingt eine weitere Studie. Wichtiger ist, die Veränderungen für die Führung ganzheitlicher zu betrachten. Siehe dazu auch Malik (2008): Wie Organisationen sich selbst organisieren, Mainzer (2008): Komplexität, Subjektivierung der Arbeit, Wissensarbeit

Dokumentation der bib-infonet-Konferenz zur Kompetenzerfassung online verfügbar

Im April 2009 fand in Österreich eine Konferenz zu folgenden Themen statt: “Informelles Lernen, Kompetenzen, Ansätze und Instrumente der Kompetenzerfassung, Validierung und Zertifizierung von Kompetenzen, Nationaler Qualifikationsrahmen für Österreich (NQR) und Europäischer Qualifikationsrahmen (EQR)”. Die jeweiligen Beitrag sind nun auf dieser Website online verfügbar. Der Profilpass wurde von Sabine Seidel vorgestellt. Wie Sie wissen, stehe ich einer Kompetenzbilanzierung kritisch gegenüber (Blogbeitrag), da diese Bilanzierung häufig out of context erfolgt. Ein wesentliches Merkmal von Kompetenzen ist allerdings, dass sie relational und kontextspezifisch sind. Siehe dazu auch Hartig/KLieme (2007) oder meine Anmerkungen zu Multiplen Kompetenzen.

Subjektivierung der Arbeit: Was versteht man darunter?

Die momentane Arbeitswelt steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Berufsbilder, die sich an stabilen Fähigkeitsstrukturen orientieren lösen sich auf. Auch dauerhafte Beschäftigung, stabile Arbeitszeiten usw. deuten auf eine Entgrenzung der Arbeit hin. Diese wiederum führt zu mehr Freiräumen, die von den Mitarbeitern selbstorganisiert genutzt werden sollen und müssen (Selbstorganisationsdisposition). Dabei bringen sie ihre Potenziale ein. Diese Subjektivierung der Arbeit muss ganz anders gesteuert werden, als es das Management traditioneller Arbeitsformen vorgab. Gerade Führungskräfte sollten sich mit diesen Aspekten der Veränderungen befassen.

Siehe dazu auch
Bei der Arbeitssituationsanalyse rückt ´das Ganze der Arbeit´ in den Mittelpunkt.
Die Entgrenzung des Lernens erfordert neue Konzepte der Personalentwicklung

Wandel ist nicht gleich Wandel: Sicherer Wandel, abschätzbarer Wandel, offener Wandel

Der Begriff Wandel ist in aller Munde, doch was versteht man darunter? Zahn/Dillerup (1995:38) unterscheiden den sicheren Wandel (Ruhige Umwelt), den abschätzbaren Wandel (Veränderliche Umwelt) und den offenen Wandel (Turbulente Umwelt). Selbstverständlich gibt es ein Kontinuum mit verschiedenen Zwischenzuständen (Stacey 1991). Nach Ackhoff (1994:175ff.) ist das Systemverständnis jeweils unterschiedlich. Im sicheren Wandel sind mechanistische Systeme üblich (Unternehmen als Maschine), beim abschätzbaren Wandel spricht man von organismischen Systemen (Unternehmen als Organismus) und beim offenen Wandel von sozialen Systemen (Unternehmen als soziales System). Diese Unterscheidung sollte man sich klar machen, denn zu den jeweiligen Metaphern gehören spezifische Managementziele. Beim sicheren Wandel geht es um Effizienz, beim abschätzbaren Wandel um kontinuierliche Verbesserungen und beim offenen Wandel um Erneuerung. Da wir uns in einem offenen, turbulenten Wandel befinden (Theorie der reflexiven Modernisierung) geht es in den Unternehmen darum, die Selbstorganisationspotenziale zu erschließen und zu nutzen. Siehe dazu auch Komplexität, Selbstorganisationsdisposition.

Schilderwald Deutschland und der Umgang mit Komplexität

Betrachtet man sich den Schilderwald in Deutschland einmal genauer, so fällt auf, dass dieser in den letzten Jahrzehnten immer größer geworden ist. Immerhin haben wir 20.000.000 Schilder in Deutschland – bezogen auf das Streckennetz bedeutet das statistisch alle 28m ein Schild. Beeindruckend. Findige Bürokraten versuchen mit immer mehr Regeln und entsprechenden Schildern, den Straßenverkehr “in den Griff” zu bekommen. Diese Vorgehensweise entspricht den Denk- und Handlungsmustern der einfachen Moderne (Reduktionismus). Dabei unterstellt man eine gewisse Rationalität, mit der man Komplexität einfach reduziert und regelt. Dass das in einer immer stärker vernetzten und globalisierten Welt keine angemessene Vorgensweise ist, hat schon die Krise in der Finanzwelt gezeigt. Wenn man nun laaaaaaangsam anfägt, Schilder abzumontieren und immer mehr Kreisverkehr-Lösungen umsetzt, so zeigt das grundsätzlich in die richtige Richtung: Selbstorganisation. Selbstorganisation ist Grundelement im Umgang mit Komplexität in der reflexiven Moderne. Der Übergang zur Selbstorganisationsdisposition (Kompetenz nach Erpenbeck/Heyse) ist dann nicht mehr weit. Aber wer will das schon?

Organisationen als Mülltonnen? Eine interessante Metapher

Für Organisationen werden immer wieder Metapher gesucht und gefunden. Organisationen, z.B. Unternehmen, werden oft als Maschine gesehen. Diese Metapher sollte heute allerdings nicht mehr genutzt werden. Unternehmen als lebende Organismen zu sehen, ist eine bessere Metapher. Nun habe ich bei Cohen/March/Olsen (1962) gesehen, dass diese Forscher vorschlagen, Organisationen als Mülltonnen zu sehen, in die man Probleme schmeißt. Weick (1995) ist diese Vorstellung gar nicht so unrecht, da sie darauf abziehlt, Organisationen als selbstorganisierendes System zu betrachten…. Interessant. Mir erscheint die scharfkanntige Abgrenzung durch die Metapher “Mülltonne” allerdings nicht angemessen, da sich Unternehmen heute doch stärker öffnen müssen – siehe z.B. Open Innovation.

Auf welchen Systemebenen laufen in Unternehmen Lernprozesse ab?

Lernprozesse in Unternehmen laufen nach Pawlowsky (2003) auf den Systemebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk ab. Diese Perspektive deckt sich mit dem Mehrebenenansatz in der Kompetenzdebatte (Wilkens 2004). Es wird deutlich, dass Lernen und damit verbunden die Kompetenzentwicklung auf den verschiedenen Ebenen in Zukunft immer wichtiger wird. Dabei stellen sich natürlich auch Fragen zum Umgang mit diesem komplexen (sozialen) System. Darüber hinaus ist im Unternehmensumfeld wichtig, dass man auf allen Ebenen zielgerichtet Handeln kann. Denn eins ist klar, die Existenzberechtigung der Unternehmen resultiuert aus der Fähigkeit Probleme zu lösen – und zwar komplexe Probleme. Diese Zusammenhänge arbeite ich gerade ein wenig in meiner Dissertation auf, in der ich der Frage nachgehe, ob das Konzept der Multiplen Kompetenz geeignet ist, ein entsprechendes Rahmenkonzept zu entwickeln…

Was ist das kritische Erfolgpotenzial in Organisationen?

“Das kritische Erfolgspotenzial in Organisationen stellt heute nicht mehr die Technik, sondern der Mensch dar. Somit muss die ökonomisch-technische Rationalität von einer ökonomisch-sozialhumanen abgelöst werden. Die Einsicht, dass das Ökonomische vom Sozialen getragen und bewegt wird, muss realisiert werden“ (Bleicher 1992:31).  Ja sollen wir denn alle Sozialarbeiter werden? Nein, das ist nicht gemeint – ist ja auch schwer möglich. Doch: Viele sehr rational denkende Manager könnten von Sozialarbeitern durchaus einiges lernen…-doch wer will das schon? Was Bleicher meint ist, dass der Mensch in komplexen sozialen Systemen im Gegensatz zu technischen Systemen gut zurecht kommt. Unternehmen sehen allerdings Mitarbeiter immer noch als lästigen Kostenfaktor und weniger als Erfolgspotenzial. Mal sehen, ob sich das in Zukunft ein wenig ändern wird…

Was macht eine Firma zu einer Firma im Markt?

Die Frage, was eine Firma zu einer Firma im Markt macht, stellte Ronald Coase 1937 in seinem berühmten Aufsatz The Nature of the Firm (Linkhinweis von wissensdialogjournal – Danke). Er beantwortete die Frage ” (…) mit der Feststellung, dass es die Transaktionskosten seien: Die Kooperation zwischen den eine Firma konstituierenden Personen sei kostengünstiger als es eine Organisation der Produktion nur über den Markt sein könne“ (Gehring 2005:422).

Die Transaktionskosten haben sich allerdings in den letzten Jahrzehnten in vielen Bereichen dramatisch reduziert und damit die Existenzgrundlage vieler Unternehmen verändert. Nehmen Sie nur einmal die Veränderungen in der Musik- und Medienbranche durch das Internet als Beispiel. Auch die Entwicklungen in den Bereichen Open Source und Open Innovation deuten auf ein anderes Verständnis von einem Unternehmen hin. Viele Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, mit den veränderten Bedingungen umzugehen und antworten noch zu häufig mit klassischen Instrumenten der Industriegesellschaft (einfache Modernisierung, Reduktionismus). 

Es ist allerdings zu bedenken, dass wir uns in einer anderen Modernisierungphase mit anderen, neuen Denk- und Handlungsmuster befinden. In dieser reflexiven Modernisierung greifen die alten Muster nicht mehr. Wie würde Ronald Coase seine Frage heute aus der Perspektive der reflexiven Modernisierung beantworten?