Was hat Kreativität mit einer Zelle zu tun?

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In der heutigen Zeit brauch wir viele neue Ideen und müssen diese dann auch noch zeitnah in innovative Produkte, Dienstleistungen, Prozesse, organisationale Strukturen usw. übertragen. Basis für solche Tätigkeiten sind immer wieder kreative Prozesse. Es stellt sich somit die Frage, welche Randbedingungen Kreativität fördern können.

Austausch und Durchlässigkeit – das ist ein naturgegebenes Prinzip von Kreativität und in der Natur zu beobachten. So sind etwa die Wände einer lebendigen Zelle ebenfalls nicht starr und schließen die Welt draußen nicht vollkommen von der Welt im Zellinneren ab. Sie sind semipermeabel: Sinnvolle Stoffe werden hineingelassen, andere nicht. Dies ist die Funktionsweise der Osmose, ein Vorgang, der für viele regulative Abläufe in der Natur von Bedeutung ist (Pöppel/Wagner 2012:18)

In der Evolution hat sich gezeigt, dass starre Grenzen nicht förderlich sind, um sich in einem turbulenten Umfeld zu behaupten. Diese halbdurchlässigen – semipermeable – Strukturen verbinden die Potentiale des Inneren mit den Potentialen des Äußeren, um neue adaptive Lösungen zu entwickeln. Die Unternehmensorganisation kann sich von diesen evolutionären Prozessen einiges abschauen und somit lernen.

Führt “Agilität” auch wieder zu einer Pfadabhängigkeit?

vgl. Sydow/Schreyögg/Koch (2008)

Der Begriff Pfadabhängigkeit ist ein Konstrukt der Sozialwissenschaften, der speziell in innovativen Kontexten diskutiert wird. Komisch: Immer wenn es komplex wird, kommen die Sozialwissenschaften ins Spiel. In den Unternehmen wird allerdings mehr auf die Betriebswirtschaftler gehört.

Die Pfadabhängigkeit entwickelt sich in mehreren Phasen, die aufeinander aufbauen. Pfadabhängige Prozesse verfestigen dabei allerdings in späteren Phasen auch Fehler. Das Paper Sydow, G.; Schreyögg, G.; Koch, J. (2008): Organizational Path Dependence: Opening the Black Box (PDF verfügbar) beschreibt die Entwicklung sehr gut. Schauen wir uns nun die verschiedenen Phasen etwas genauer an (ebd. p. 691-692):

Phase I—the Preformation Phase—is characterized by a broad scope of action.

In Phase II—the Formation Phase—a new regime takes the lead.

The transition from Phase II to Phase III—the Lock-in Phase—is characterized by a further constriction, which eventually leads to a lockin—that is, the dominant decision pattern becomes fixed and gains a deterministic character; eventually, the actions are fully bound to a path.”

Möglicherweise befinden wir uns mit “Agilität” in der angesprochenen Lock-in-Phase …. Meine Meinung: Kann gut sein, allerdings würden das Vertreter des Agilen Manifests nie zugeben. Doch diese Ansätze sind fast 20 Jahre alt. Wie kann es sein, dass im Scrum-Guide (2017) immer noch stand, dass jede Abweichung kein Scrum mehr ist? Die verschiedenen Studien (HELENA-Studie oder Komus 2020) zeigen, dass die reale Welt vielfältiger, weniger dogmatisch und somit pragmatisch ist. Hybrider eben – und das ist gut.

In dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Projektmanager/in Agil (IHK) sprechen wir auch solche Themen an. Informationen zum Lehrgang finden Sie auf unserer Lernplattform.

Das Hagener Manifest zu New Learning

Wenn von Arbeit geschrieben/gesprochen wird, differenzieren wir oft in Arbeit 1.0 bis Arbeit 4.0 (New Work, WoL usw.). Wenn es um die Beschreibung der industriellen Revolution geht, sprechen wir von Industrie 1.0 bis Industrie 4.0. Ähnlich sieht es bei Innovation 1.0 bis 4.0 und Wissensmanagement 1.0 bis 4.0 usw. aus.

Auch im Lernkontext wird immer häufiger darauf verwiesen, dass sich Lernen 1.0 zu einem Lernen 4.0 weiterentwickelt. Dieses neue Lernen (New Learning) fokussiert dann auf die veränderten Lernsituationen und beschreibt den Umgang mit komplexen Problemlösungen in ungewissen/unsicheren Situationen (Kontexten/Domänen).

Das Hagener Manifest New Learning beschreibt die damit einhergehenden verschiedenen Facetten und weist darauf hin, dass es hier nicht alleine um die technischen Möglichkeiten geht, sondern auch um didaktischen/methodischen Veränderungen in der Lehrer-Lerner-Beziehung.

Im Unternehmensumfeld findet das Neue Lernen auf den Ebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk statt (vgl. Pawlowsky). „Success in the marketplace increasingly depends on people learning, yet most people do not know how to learn“ (Argyris 1998) oder „The rate at which organizations learn may become the only sutainable source of competitive advantage“ (Senge 1990) zeigen die Problematik auf. 

Eine neue Lernkultur ist somit “(…) ermöglichungsorientiert, selbstorganisationsfundiert und kompetenzzentriert“ (Erpenbeck/von Rosenstiel 2003:XII), wodurch sich das Lernmanagement zum Kompetenzmanagement erweitert (vgl. Sauter/Sauter 2005:1). Siehe dazu auch (Veröffentlichungen):

  • Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.
  • Freund, R. (2003): Mass Customization in Education and Training, ELearnChina 2003, Edinburgh, Scotland. Download

Diese Zusammenhänge deuten auf eine gewisse Pädagogisierung der wirtschaftlichen Prozesse hin (Konvergenzthese). Wer hätte das gedacht? In unseren Blended Learning Lehrgängen haben wir viele Anforderungen an das New Learning umgesetzt. Informationen dazu finden Sie auf unserer Lernplattform.

Sollten wir zwischen Handlungs- und Ereigniskontingenz unterscheiden?

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Der Begriff “Kontingenz” kommt immer stärker in den Fokus, je deutlicher wir erkennen, dass unsere Lebenserfahrungen ungewiss und offen sind. Es kann also alles so kommen, oder ganz anders. Das macht es nicht einfacher, Entscheidungen zu fällen.

“Das zäumt die Sache sogleich pragmatisch auf, und mit Hermann Lübbe (1998:35) können wir dann ´kontingent´ Ereignisse oder Vorgänge nennen, ´sofern sie mit Handlungen handlungssinnunabhängig interferieren.´ Zwischen Unmöglichkeit und Notwendigkeit also liegt das Reich der Kontingenz. Mit Lübbes Bestimmung hat es allerdings eine Schwierigkeit, die ins Auge sticht, sobald man daran denkt, dass die Handlung selbst kontingent genannt werden kann, weil – insofern – sie selbst anders möglich ist/war. Kontingent ist dann alles, was dem Entscheidenden oder dem Handelnden anders möglich ist – vor dem Hintergrund dessen, was er (oder, aber das ist etwas anderes, ein Beobachter zweiter Ordnung) als notwendig oder unmöglich ansieht. Dann interferieren nicht externe Ereignisse handlungssinnunabhängig mit Handlungen, sondern Handlungen begründungssinnunabhängig mit ihren Begründungen. Zwingende Gründe, solche, die ein Handeln als notwendig begründen, gibt es nicht im Reich der Kontingenz. Diese Version der Kontingenz lässt sich in den Satz kleiden: Es könnte auch anders sein, und wir können anders. Lübbes Version lautet: Es könnte auch anders [17] sein, aber wir können es nicht ändern. Ich finde es zweckmäßig, jene Version Handlungskontingenz, die Version Lübbes aber Ereigniskontingenz zu nennen” (Ortmann 2009:17-18).

Ortmann weist darauf hin, dass Kontingenz einerseits immer in Bezug auf etwas gesehen werden musss – also in Bezug auf eine bestehende Ordnung. Andererseits gibt es kein Management ohne Kontingenz, wobei es sich um den Umgang mit Handlungskontingenz oder Ereigniskontingenz handeln kann (ebd. S. 23). Es sieht so aus, als ob die Unterscheidung für die praktische Anwendung von Management nützlich ist.

Wie hängen Nebenfolgen, Pfadabhängigkeit und Innovation zusammen?

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Ulrich Beck hat in seinen Überlegungen zu einer Risikogesellschaft, und letztendlich zur Reflexiven Modernisierung, darauf hingewiesen, dass die in der klassischen Risikobewertung wenig beachteten Nebenfolgen deutliche Wirkungen zeigen: „Nebenfolgen entwerten Kapital, zerstören Vertrauen, lassen Märkte zusammenbrechen…“ (Beck 1996:54, zitiert in Ortmann 2009:11). Ortmann wiederum sieht in der Verkettung von Nebenfolgen gefährliche Pfadabhängigkeiten.

Pfadabhängigkeit’ heißt ja: Prozesse sind nicht durch unsere Entscheidungen und Pläne zu determinieren, sondern nehmen ihren erst Schritt für Schritt näher bestimmten Verlauf in einem spezifischen Wechsel von Kontingenz und Notwendigkeit – in Folge von lauter intendierten und nicht-intendierten Effekten, schließlich in Folge von Selbstverstärkungseffekten, vor denen sich die Entscheidungsgewalt der Entscheider vollends blamiert (Ortmann 2009:11).

Interessant dabei ist, dass diese Theorie der Pfadabhängigkeit im Innovationsmanagement schon lange beachtet wird. Beispielsweise kann die Ausrichtung auf Kernkompetenzen solche (intendierten und nicht-intendierten) Nebenfolgen) haben und Innovationen blockieren.

Siehe dazu auch Freund, R.; Tisgkas, A. (2007): How to improve Customer Interaction through the concept of Multiple Competences. 4th Worldconference on Mass Customization and Personalization MCPC2007, 07.-10.10.2007, MIT Cambridge/Boston, USA (Veröffentlichungen).

Hybrid Work is the New Normal

In Zeiten von Corona ist Remote Work, also das Arbeiten nicht am Arbeitsplatz, sondern z.B. auch im Home Office, beliebt geworden. Immerhin braucht ein Arbeitnehmer nicht zum Arbeitsplatz hin und zurück zu pendeln, und spart somit Lebenszeit. Der Arbeitgeber spart dadurch Bürofläche, was scheinbar für alle eine Win-Win-Situation darstellt.

In der Zwischenzeit melden sich allerdings auch immer stärker kritische Stimmen: 5 Dinge, die an Remote Work nerven. Letztendlich weist auch das Whitepaper Die Arbeit der Zukunft ist Remote (PDF) auf den Seiten 5ff. darauf hin, dass es nicht nur die beiden Pole “Arbeiten am Arbeitsplatz” oder “Remote arbeiten”, sondern viele verschiedene Mischformen gibt, die als Hybrides Arbeiten bezeichnet werden können.

In dem Artikel Hybrid Work Is the New Remote Work der Boston Consulting Group vom 22.09.2020 wird aufgezeigt, was das heisst: “Hybrid work models, done right, will allow organizations to better recruit talent, achieve innovation, and create value for all stakeholders. By acting boldly now, they can define a future of work that is more flexible, digital, and purposeful”.

Hybride Arbeitsmodelle ermöglichen es Personen, Teams, Organisationen und Netzwerke, Ungewissheit und Unsicherheit zu bewältigen. Analysieren Sie, welche Tätigkeiten gut remote, und welche eher kollaborativ im persönlichen Kontakt im Unternehmensumfeld bearbeitet werden können/sollten. Die Diskussion darüber wird wertvolle Ergebnisse bringen, und zu ihrem persönlichen Modell des hybriden Arbeitens führen. Dabei sollten immer wieder die neuen Arbeits-Anforderungen und die neuen technischen Möglichkeiten überprüft, und das hybride Arbeiten angepasst werden – möglichst in kurzen Zyklen und iterativ. Siehe dazu auch Von hybriden Produkten über hybride Wertschöpfung zur hybriden Wettbewerbsstrategie.

Warum sollten wir das In-Beziehungen-Denken neu lernen?

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Ein gutes Beispiel dafür, was in komplexen Systemen passiert ist das Gehirn, da es das das komplexeste und leistungsfähigste Organ ist, das wir kennen.

Und diese Leistungsfähigkeit liegt – nach allem, was wir bislang aus der Hirnforschung wissen – nicht zuletzt daran, dass die Verknüpfungen wichtiger als die Teile sind. Das Gehirn funktioniert, weil etwas zwischen den Neuronen passiert – elektrische und chemische, möglicherweise auch rhythmische Verbindungen, Vernetzungen, Beziehungen. Es existiert keine zentrale Instanz, (…) (Mutius 2004:27).

Es erscheint also in komplexen Systemen wie Gesellschaften, Märkten und Organisationen wichtig zu sein, auf „Muster, die verbinden“ (Gregory Bateson) zu achten. Neu zu lernen wäre also das In-Beziehungen-Denken (Mutius 2004:17), was uns nicht leicht fällt, da wir es seit dem 18. Jahrhindert gewohnt sind, von stetigem Fortschritt, Beherrschbarkeit der Natur usw. auszugehen (Einfache Modernisierung). Dieses Mindset zu ändern ist in der heutigen Reflexiven Modernisierung die Aufgabe in allen Bereichen unserer Gesellschaft.

Diese soziologisch seit Jahren gut beschriebene Situation mit ihren Auswirkungen der Kontingenz, der Entgrenzungen, der stärkeren Selbstorganisation usw. usw. wird von betriebswirtschaftlich ausgerichteten Marktteilnehmern oft genutzt, um Geschäfte zu machen. Dabei wird allerdings kaum – oder gar nicht – auf die vielfältigen Vorarbeiten aus der Soziologie eingegangen. Auch hier wäre ein In-Beziehungen-denken angebracht.

Demokratisierung von Wissen durch von Amateuren betriebene Wissensseiten

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Das Wissen von Gelehrten oder auch das Wissen von Experten wird immer mehr abgelöst durch das Wissen von vielen Amateuren, die über moderne Technologie gemeinsam Wissensseiten wie Wikipedia betreiben.

„Die Gelehrtenrepublik des 18. Jahrhunderts, die sich in eine professionelle Bildungsrepublik verwandelt hatte, öffnet sich heute den wahren Amateuren: den Bildungsfreunden unter den Bürgern dieser Welt. Offenheit, soweit das Auge reicht, ermöglicht durch ‚frei zugängliche’ Informationsplattformen wie Open Content Alliance, Open Knowledge Commons, Open CourseWare und Internet Archive, in denen digitalisierte Artikel gratis zur Verfügung gestellt werden, sowie durch Wikipedia und andere von  Amateuren betriebene Wissensseiten. Die Demokratisierung des Wissens scheint in Reichweite. Das Ideal der Aufklärung könnte bald Wirklichkeit werden.“(Münker 2009:103) Zitiert aus Robert Darnton, „Im Besitz des Wissens. Von der Gelehrtenrepublik des 18. Jahrhunderts zum digitalen Google-Monopol“, in: Le monde diplomatique, April 2009, S. 13. (Darnton weist übrigens in seiner insgesamt positiven Einschätzung der entstehenden digitalen Weltbibliothek auch auf die potentielle Gefahr hin, die hier vom Monopolisten Google, der hinter der Digitalisierung steht und an der Bibliothek verdienen will, ausgeht) (Münker 2009:142).

Interessant ist hier, dass auch Eric von Hippel von der Demokratisierung von Innovation spricht: Democratizing Innovation. Die Demokratisierung von Wissen führt somit zwangsläufig auch zur Demokratisierung von Innovationen, die für Organisationen, aber auch gesellschaftlich relevant sind. Siehe dazu auch von Democratizing Innovation zu Free Innovation.

Open Innovation und Open Evaluation

Im Innovationsmanagement sind Ideenwettbewerbe ein wichtiges Element für die erste Stufe des Innovationsprozesses. Dieser kann geschlossen (Closed Innovation) oder offen sein (Open Innovation). Wenn es zu vielen Ideen oder innovativer Konzepte gibt, müssen diese IT-gestützt analysiert und bewertet werden. Diese Vorgehensweise wird als Open Evaluation bezeichnet.

Unter Open Evaluation subsumieren wir daher die Bewertung und/oder Kommentierung von Lösungsvorschlägen unterschiedlichen Ausarbeitungsgrads im Rahmen von Innovationsaktivitäten durch Personen, die nicht regulär zum Personenkreis der Entscheider gehören (Möslein/Haller/Bullinger 2010:6).

Dabei gehen die Autoren allerdings nur von der Perspektive auf Open Innovation aus, die von Chesbrough (2006) beschrieben wurde, und damit Open Innovation auf Organisationen anwendet.

Kunden und externe Partner stellen eine wichtige Informationsquelle für neue Produkt- und Dienstleistungskonzepte dar. Ihre aktive Einbindung in den Innovationsprozess wird als „Open Innovation“ bezeichnet (Möslein(Haller/Bullinger 2020:2).

Es wäre interessant zu erfahren, wie Open Evaluation genutzt werden könnte, um Ideen oder Ideen-Konzepte zu bewerten, die eher aus dem von Eric von Hippel beschriebenen Bottom-Up-Ansatz zu Open Innovation ausgehen.

Siehe dazu auch Freund, R. (2010): How to Overcome the Barriers between Economy and Sociology with Open Innovation, Open Evaluation and Crowdfunding? In: International Journal of Industrial Engineering and Management (IJIEM), Vol.1 No 3, 2010, pp. 105 – 109. Paper first published in Proceedings of the 4th International Conference on  Mass Customization and Open Innovation in Central Europe (MCP-CE 2010).