Von hybriden Produkten über die hybride Wertschöpfung zur hybriden Wettbewerbsstrategie

Der Begriff “hybrid” bezeichnet etwas Gebündeltes, Gekreuztes oder Gemischtes (vgl. Wikipedia). Dabei stellt jede einzelne Komponente schon eine Lösung dar. Die Kombination dieser Einzellösungen führt dann zu einem Mehrwert mit neuen Eigenschaften. In Deutschland kam Ende der 1990er Jahre der Begriff “Hybrides Produkt” auf (Korrell/Ganz 2000), der dann noch stetig erweitert wurde (Spath/Demuss 2003, bzw. Ernst 2005). Es war allerdings schnell klar, dass es nicht bei den hybriden Produkten bleiben kann, da hybrides Vorgehen bedeutet, eine hybride Wertschöpfung zu bilden.

Hybride Wertschöpfung liegt vor, wenn sich Unternehmen durch systematische Intergration von Sachgut- und Dienstleistungsanteilen zu Lösungsanbietern für kundenspezifische Problemlösungen entwickeln. Für Produktanbieter geht mit dem Wandel zum Lösungsanbieter eine Neuorientierung von transaktionalen zu relationalen Beziehungsformen einher. “Deshalb erfordert die Entwicklung und Erbringung kundenspezifischer Problemlösungen den Aufbau einer kundenzentrierten Organisation, durch die der Lösungsanbieter ein Verständnis der spezifischen Herausforderungen in den Wertschöpfungs- und Unterstützungsprozessen des Kunden gewinnen kann (…).” (Böhmann/Krcmar 2006. 1, zitiert in Bienzeisler/Ganz 2010:9). Vgl. dazu auch das Konzept der Interaktiven Wertschöpfung von Reichwald/Piller (2006).

Die hybride Wertschöpfung stellt dabei eine große Herausforderung für das Management dar. B. Joseph Pine II hat dazu schon 1992 das Buch Mass Customization: The New Frontier in Business Competition veröffentlicht. Darin wird erläutert, wie sich Unternehmen in einem hybriden Umfeld positionieren können. In den vergangenen fast 30 Jahren haben viele Unternehmen die Chancen erkannt, sich mit einer hybriden Wettbewerbsstrategie Vorteile zu verschaffen. Ich habe selbst an der ersten Weltkonferenz MCPC 2001 in Hong Kong teilgenommen. In den folgenden Konferenzen in Europa und Nordamerika konnte ich in den vergangenen fast 20 Jahren sehen, wie sich Mass Customization weltweit etabliert hat.

Wissenschaftler – wer braucht die denn?

Forschung

Wissenschaftler sind in der Bevölkerung oftmals wenig anerkannt und wertgeschätzt. Es gibt Ausnahmen, die es geschafft haben, durch gezieltes persönliches Marketing einen bestimmten Bekanntheitsgrad zu erreichen. Das wiederum ruft die Vertreter der universitären Forschung auf den Plan, die so ein Vorgehen nicht gut heißen.

Die universitäre Forschung verkennt allerdings manchmal, dass durch dieses Verhalten die Deutungshoheit von Fakten von anderen besetzt wird, die Menschen generell in ihrem Sinne beeinflussen wollen. Wenn Aussagen von Fußballspielern oder B-Promis zu komplexen wissenschaftlichen Themen mehr vertraut wird, als wissenschaftlichen Erkenntnissen, ist es nicht verwunderlich, wenn Verschwörungstheorien Hochkonjunktur haben. Diese persuasive Kommunikation sollte nicht einfach so hingenommen werden. Es ist daher erfreulich, dass die Glaubwürdigkeit der Forschung in Zeiten von Corona wohl etwas zugenommen hat:

Corona hat die Welt verändert. Die Erfahrung der Krise hat auch die öffentliche Meinung beeinflusst. Die Glaubwürdigkeit der Forschung hat nach einer im Juni veröffentlichten Repräsentativumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach deutlich zugenommen. 54 Prozent der Bevölkerung nehmen Naturwissenschaftler als wichtige Impulsgeber für die Zukunft wahr. Die Krise offenbart die Chancen. Freuen wir uns darauf, sie gemeinsam zu nutzen! (Fraunhofer Magazin 2/2020, S. 7).

Der angegebene Wert ist allerdings nicht besonders hoch, immerhin hat die Glaubwürdigkeit der Forschung bei 46 Prozent der Befragten nicht zugenommen… Dass die Fraunhofer Gesellschaft weiterhin nur die Naturwissenschaften hervorhebt, ist verständlich, immerhin hängen ja Fördergelder an dem ganzen Themenkomplex. Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass auch auf die Rolle der Geisteswissenschaften oder Sozialwissenschaften gewürdigt wird. Immerhin ist es bemerkenswert, dass in verschiedenen Medien gerade Sozialwissenschaftler befragt werden, wenn es um komplexe Zusammenhänge geht – warum nur?

Wie sieht es aus, wenn wir “Innovation” weltweit vergleichen?

Wie ich in unserem Blog schon an vielen Stellen erwähnt habe, ist die deutsche/europäische Sicht auf Innovation oft sehr selektiv. Wenn wir deutsche Innovationen mit vergleichbaren Werten aus der Vergangenheit vergleichen, gibt es auf der Ebene der Politik und auch auf der Ebene der Unternehmen nur Positives zu vermelden – was auch gemacht wird. Es vergeht kein Tag, in dem nicht darauf hingewiesen wird, wie innovativ Deutschland sei. Es ist eben alles relativ: Honi soit qui mal y pense.

Vergleichen wir das deutsche Innovationssystem international, sieht es allerdings anders aus. Das weltweite Ranking der Boston Consulting Group zeigt seit 2005 eine deutliche Entwicklung. Die innovativsten Unternehmen kommen – bei einer Ausnahme (Samsung, Südkorea) – aus den USA oder China – und Europa/Deutschland schaut staunend zu. Als exportabhängige Nation sind wir von der Zukunftsfähigkeit von Produkten und Dienstleistungen, aber auch von der Zukunftsfähigkeit der politischen und rechtlichen Strukturen abhängig. Diese Zukunftsfähigkeit scheint in den letzten Jahrzehnten verspielt worden zu sein.

Wo sind deutsche/europäische Unternehmen wie Apple, Alphabet/Google, Amazon, Microsoft, Samsung, Huawei, Alibaba, IBM, Sony, Facebook (Top 10)?

Ideenplattformen: Ein Anwendungsbeispiel

Ideen sind essentiell für spätere Innovationen. Das immer noch weit verbreitete Betriebliche Vorschlagswesen kann mit Hilfe moderner Ideenplattformen ersetzt, und ergänzt werden. Das folgende Anwendungsbeispiel zeigt noch weitere Optionen.

Der offensichtliche Nutzen von Ideenportalen liegt darin, Benutzerideen insbesondere der eigenen Kunden für neue Produkte und Dienstleistungen zu erhalten. Gleichzeitig eröffnen die eigenbetriebenen Portale den Unternehmen als Listening-Plattformen einen neuen Kommunikationskanal zu ihren Endkunden und dienen neben dem Ideen-Insourcing auch der proaktiven Verbesserung der Kundenbeziehungen. Neben dem Betrieb einer eigenen Plattform oder der aktiven Nutzung einer Mediator-Plattform oder eines Ideenwettbewerbs kann aber auch bereits die Beobachtung der Ideendiskussionen auf bestehenden Plattformen (insbesondere von Wettbewerbern) nützliche wertvolle Informationen liefern: So wird es sich für den Betreiber einer kleineren Kaffeehauskette möglicherweise nicht lohnen, eine eigene Plattform zu betreiben – aber durch die Beobachtung der Starbucks-Community kann er durchaus Ideen finden, die zu den Bedürfnissen seiner eigenen Kunden passen. Unter Umständen kann er diese Idee aufgrund seiner geringeren Größe sogar einfacher und schneller umsetzen als Starbucks selbst – und sich somit (zumindest vorübergehend) einen Wettbewerbsvorsprung sichern (Fraunhofer IAO 2010:78).

Die verschiedenen Optionen können einem eher geschlossenen Innovationsprozess (Closed Innovation), oder auch einem eher geöffneten Innovationsprozess (Open Innovation) zugeordnet werden. Zwischen beiden Polen gibt es – wie immer bei Dichotomien – ein Kontinuum unendlich vieler Möglichkeiten.

Gedanken zu Kreativität und Intelligenz

In den letzten mehr 100 Jahren gab es ein Umfeld, das Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit als wesentliche Bestandteile gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklungen betrachtete. Ein Instrument dieser Zeit ist der Intelligenzquotient (IQ) mit seiner (teilweisen) Vorhersehbarkeit von schulischen und/oder beruflichen Entwicklungen.

Das Umfeld hat sich allerdings inzwischen drastisch geändert: Die vielfältigen Vernetzungen von Dingen und Menschen (IoT, KI) haben das bisher relativ stabile Umfeld in ein turbulentes Umfeld gewandelt, in dem Selbstorganisation und die Entwicklung/Bewertung neuer Ideen (Kreativität) wichtig ist. Es stellt sich somit die Frage, welchen Bezug es zwischen Kreativität und Intelligenz (Intelligenzquotient: IQ) gibt.

Creative traits, by definition then, had to be considered to differ from “intelligence” traits in order to give them some potential for predicting achievement above and beyond IQ. Intelligence, of course, had been operationally defined through the IQ measurement long before work in creativity began. If researchers were to establish creativity as a trait, therefore, they faced the practical necessity of demonstrating substantial independence of creativity from IQ. This, in effect, is what the last twenty-five years of creativity measurement research has attempted to do, with only limited success (Wallach, 1971). There were also pragmatic reasons for justifying the construction of creativity tests. Intelligence tests had proved valuable to society in many ways, including the more efficient deployment of manpower resources during both world wars, but the predictive value of IQ measures had been found to be poor in situations requiring production and evaluation of new ideas (Feldman 1980: 89-90).

Der Autor bestreitet somit die Vorhersehbarkeit von Kreativität mit Hilfe des Intelligenzquotienten (IQ). Möglicherweise haben andere Intelligenzmodelle wie die von Sternberg oder von Gardner (Multiple Intelligenzen) eine bessere Passung zu den heutigen Problemlösungssettings. Diese Perspektive würde allerdings die lange Tradition zur Nutzung von IQ-Tests für Schüler und Mitarbeiter – und der damit verbundenen Geschäftsmodelle – infrage stellen. Das hätte durchaus weitreichende Folgen… Es ist daher Verständlich, dass die Vertreter psychometrischer Intelligenzmodelle empfindlich auf solche Perspektiven reagieren.

Innovation: Neue Definition nach dem Oslo Manual 2018

Der Begriff “Innovation” unterscheidet sich von “Idee” und “Invention” (Erfindung). Darüber hinaus ist eine Definition von Innovation für vielfältige Statistiken zum Thema wichtig. In den letzten Jahren kann es hier zu einer Veränderung/Weiterentwicklung der Definition, die im Oslo Manual aus dem Jahr 2005 formuliert war, und nun neu im Oslo Manual 2018 verfasst wurde.

The Oslo Manual distinguishes between innovation as an outcome (an innovation) and the activities by which innovations come about (innovation activities). This edition defines an innovation as “a new or improved product or process (or combination thereof) that differs significantly from the unit’s previous products or processes and that has been made available to potential users (product) or brought into use by the unit (process)”. This general definition is given a more precise formulation for use with businesses, which represent the main focus of this manual (Oslo Manual 2018).

Diese Definition unterscheidet nicht mehr vier (Produktinnovationen, Prozessinnovationen, organisationale Innovationen oder Marketinginnovationen), sondern nur noch zwei Innovationen (Produkt und Prozess).

The types of innovations have been reduced from four to two: wherethe CIS 2016 and earlier editions differentiate between product, process, organisational and marketing innovation, the CIS 2018 and future editions differentiate between product and business process innovations, the latter comprising the previous three types process, organisational and marketing innovation (European Innovation Scoreboard 2020:38).

Interessant ist, dass im European Innovation Scoreboard 2020 Prozessinnovationen in Business Process Innovation konkretisiert, und somit User Innovation nach Eric von Hippel weiterhin ausgeschlossen werden. Diese Bottom-Up-Innovationen sind allerdings in den letzten Jahrzehnten zu einem nicht mehr zu vernachlässigenden Teil der Gesamtinnovationen einer Region, eines Landes oder der EU geworden.

Wie hängen Innovation, Wissen und Kompetenz zusammen?

Wenn wir über Innovationen sprechen sollte klar sein, dass es hier nicht alleine um Ideen (Ideation) oder Erfindungen (Inventionen) geht. Eine Erfindung, die beispielsweise patentiert wurde, ist per se noch keine Innovation. Darüber hinaus sollten Mitarbeiter und Organisationen in der Lage sein, Wissen so neu zu kombinieren, dass es zu Innovationen kommt.

“Grundvoraussetzung für Innovationen im Hightech-Bereich ist die Verfügbarkeit entsprechender Kompetenzen. Die verfügbaren Fähigkeiten stellen dabei die kognitive Basis für die Neukombination und Weiterentwicklung von Wissen in spezifischen Technologiefeldern dar und sind eine Funktion von explizitem (frei verfügbarem) und implizitem (personengebundenem) Wissen. Nur auf der Basis eines Sets entsprechender Wissensbestände besteht eine sinnvolle Option, neue wissensbasierte Lösungen zu erarbeiten.” Botthoff/Kriegesmann 2009:13).

Diese Kompetenz, verstanden als Selbstorganisationsdisposition, ist die Basis für ein modernes Innovationsmanagement (Closed Innovation – Open Innovation). Dabei sind Kompetenzen auf der individuellen Ebene, auf der Teamebene, auf der organisationalen Ebene und in Netzwerken zu entwickeln.

Siehe dazu auch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

The Third RWTH Open Innovation Accelerator Survey als Download

Es ist toll, dass die Studie nun als Download zur Verfügung steht: Diener, Kathleen & Piller, Frank (2019). The Third RWTH Open Innovation Accelerator Survey: The Market for Open Innovation: Collaborating in Open Ecosystems for Innovation (PDF).

Die Studie befasst sich mit Open Innovation Accelerators, die wie folgt beschrieben werden: “Open Innovation Accelerators (OIA) are intermediaries that operate on the behalf of companies seeking to innovate in cooperation with external actors from their periphery. OIAs offer one or several methods of open innovation and, in many instances, also provide supporting services for the innovation process. Their methods are especially focused on the integration of external actors. In consequence, OIAs facilitate the collaboration between an innovating company and its environment. They accelerate a company’s open innovation process” ebd. S. 19.

Diese Definition weist schon darauf hin, dass es hier bei Open Innovation um den Prozess von Unternehmen/Organisationen mit ihren organisationalen und technischen Grenzen geht, was grundsätzlich der Perspektive von Chesbrough (2003, 2006) entspricht.

Auf Eric von Hippel wird bei den beiden Informationstypen (S. 16) und beim Lead User Ansatz (S. 31) eingegangen. Dabei wird auch die Quelle Eric von Hippel (2005): Democratizing Innovation benutzt, ohne auf den besonderen Ansatz von Open Innovation bei Eric von Hippel hinzuweisen (Video: Framing an new user innovation Paradigm von 2013). Es ist natürlich verständlich, sich bei der Studie auf eine Perspektive – hier auf die von Chesbrough – zu fokussieren, doch hätte ich mir gewünscht, dass in dem Kapitel “What is Open Innovation?” auch auf den Bottom-Up-Ansatz von Eric von Hippel hingewiesen wird .

Die aktuellere Veröffentlichung Eric von Hippel (2016): Free Innovation ist in der Literaturliste nicht erwähnt. Dort macht der Autor deutlich, wie wichtig die Entgrenzung von Innovation durch Bottom-Up-Initiativen Einzelner schon heute ist, und in Zukunft noch stärker werden wird. Siehe dazu auch Was wäre, wenn wir Innovationen stärker Bottom-Up denken und fördern würden?

ResearchGate: Conference Paper reached 4.000 reads

Es geht um ein Paper, bei dem ich einer der Co-Autoren war: Orcik, A.; Stojanova, T.; Freund, R. (2013): Co-Creation: Examples and Lessons Learned from South-East Europe. Accepted to be included in the Proceedings of the 6th International Conference for Entrepreneurship, Innovation, and Regional Development, ICEIRD 2013, 20.-21.06.2013, Istanbul.

Meine weiteren Veröffentlichungen finden Sie hier.

Zu Kernkompetenzen und Pfadabhängigkeiten in der Automobilindustrie

Die Produktionskapazitäten von Autos wurden weltweit immer stärker ausgebaut. Schon 1991 veröffentlichten Womack/Jones/Roos in ihrem Bestseller “The Machine That Changed The World” einen Hinweis auf Überkapazitäten. Die Autoren der IMVP-Studie (1985-1990) wiesen darauf hin, dass es zu dieser Zeit zu viele Massenpruduktionssysteme, und zu wenig Lean-Ansätze (Schlanke Produktion, Toyota-Produktions-System) gab.

In den Jahren 2000-2010 gab es eine Überkapazität in Höhe von 15-30 Millionen Autos bei einer Gesamtkapazität von ca. 70-90 Millionen Autos pro Jahr. Diese Zahlen wurden im Spiegel Nr. 46/2009 auf Seite 21 veröffentlicht und beziehen sich auf das PwC Automotive Institute. Zahlen in den Jahren 2010 bis 2020 liegen mir nicht vor. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass es in den nächsten Jahren eine Grafik geben wird die zeigt, wie sich die Produktionskapazitäten für Autos mit Elektro-Antrieb im Vergleich zu Autos mit Verbrenner-Motoren verändert haben. Darüber hinaus wird einigen Herstellern erst jetzt so langsam klar, dass es bei Autos um Mobilität, und damit um Daten geht… Möglicherweise kommt diese Entwicklung für manche Automobilhersteller zu spät, da sie an ihren bisher erfolgreichen Kernkompetenzen zu lange festgehalten haben -wie kommt das?

Im der Forschung zu Innovationen gibt es die Theorie der Pfadabhängigkeit. In meinem Blogbeitrag Blockiert die Ausrichtung auf Kernkompetenzen Innovationen? gehe ich auf die Zusammenhänge ein.