“Digitale Kompetenzen” oder besser “Kompetenzen in digitalen Kontexten”?

Wir alle wissen und merken es tagtäglich, dass die Digitalisierung in allen Bereichen der Gesellschaft fortschreitet. Im privaten Bereich und in wirtschaftlich geprägten Organisationen geht diese Entwicklung oftmals recht schnell, in den Verwaltungen könnte es in vielen Bereichen etwas schneller gehen. Um die Veränderungen zu bewältigen, benötigen Menschen in allen Bereichen entsprechende Kompetenzen, die in Bezug auf die Digitalisierung “Digitale Kompetenzen” genannt werden – es ist eben heute alles digital, oder? Dabei stelle ich mir die Frage, können Kompetenzen digital sein, oder ist der Begriff ein wenig irreführend? Um das herauszufinden, sollten wir uns erst einmal klar machen, was wir unter Kompetenzen verstehen, denn es gibt eine sehr große Anzahl an Kompetenz-Konstrukten (Beispiel).

Meine Überlegungen sind dazu (kurz dargestellt) wie folgt: Die Soziologen nennen die gesellschaftliche Modernisierung schon lange Reflexive Modernisierung, deren Eigenschaften u.a. Entgrenzung (z.B. von Arbeit), Kontingenz usw. sind (Ich erspare Ihnen hier eine ausführliche Auflistung). Worauf ich hinaus will ist, dass Menschen in so einem Umfeld in der Lage sein sollten, Situationen zu bewältigen. Ich möchte hier den Begriff “bewältigen” noch einmal hervorheben, da es nicht darum geht die komplexen, kontingenten usw. Situationen zu beherrschen, denn das geht nicht. Die Bewältigung enthält somit im Vergleich zur Beherrschung oder zur Verzweiflung eine positive Komponente. Auf Grundlage dieser Überlegungen bin ich zu den Einschätzungen von Erpenbeck/Heyse gekommen, die für die Beewältigung erforderlichen Eigenschaften als Kompetenz im Sinne von Selbstorganisationsdispositionen beschreiben. Ähnliche Überlegungen habe ich nun in der aktuellen Dissertation Derya Catakli (2022): Verwaltung im digitalen Zeitalter. Die Rolle digitaler Kompetenzen in der Personalakquise des höheren Dienstes gefunden. Dabei wird auch auf die im Titel des Blogbeitrags erwähnte Frage eingegangen.

“Entsprechend der hier genutzten Kompetenzdefinition sind digitale Kompetenzen diejenigen Selbstorganisationsdispositionen, die für die Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit in digitalen Kontexten nutzbar gemacht werden können und das Individuum in der digitalen Gesellschaft zum selbstorganisierten, kreativen und lösungsbezogenen Umgang mit digitalen Technologien unter Berücksichtigung transdisziplinärer Erkenntnisse befähigen. Kompetenzen, die zwar im digitalen Zeitalter ebenfalls zunehmend wichtiger werden, aber nicht ausschließlich im digitalen Kontext benötigt werden, bleiben in der weiteren Bearbeitung unberücksichtigt” (ebd. S. 84).

Wenn wir also statt “Digitale Kompetenzen” besser “Kompetenzen in digitalen Kontexten” nutzen wird deutlicher, dass es immer um einen Teilbereich von Kompetenzen (Selbstorganisationsdispositionen) geht und weitere Kompetenzen im Zusammenspiel zur komplexen Problemlösung erforderlich sind. Dabei wäre der Schluss von Persönlichkeitseigenschaften auf Kompetenzen falsch.

Als Leser unseres Blogs wissen Sie, dass ich mich in den letzten Jahrzehnten intensiv mit Selbstorganisation und damit auch mit Kompetenzen auseinandergesetzt habe. Am Beispiel der Konvergenzthese habe ich aufgezeigt, dass es einen betriebswrtschaftlichen Ansatz gibt (Ressource based), der eher Top Down angelegt ist, und dass es einen eher pädagogischen Ansatz gibt (Selbstorganisiertes Lernen), der eher Bottom Up vorgeht. Was aus meiner Sicht fehlte, war ein ebenenübergreifender Ansatz (Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk), der die oben genannten Perspektiven integriert. Siehe dazu ausführlich Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisationn und Netzwerk.

In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanagerin Agil (IHK) gehen wir auf diese Zusammenhänge ein. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Umgang mit technischem Wandel in Büroberufen

Vielen Mitarbeitern ist klar, dass sich alles verändert – teilweise langsam, teilweise sehr schnell. Der Wandel um uns herum kann also einfach sein, berechenbar oder auch turbulent und damit komplex. Ein Treiber dieser Veränderungen ist natürlich Technologie mit all ihren Facetten. Der Rückgang bei den Beschäftigten in den letzten 100 Jahren in der Landwirtschaftund und in der Industrie zeigt auf, dass der Großteil der Mitarbeiter in der Zwischenzeit in Büroberufen tätig ist, Diese werden als überwiegend durch Technologie ersetzbar angesehen. Beim Umgang mit technischem Wandel in Büroberufen gibt es allerdings eine Forschungslücke, die mit einem vom BIBB (Bildungsinstitut für Berufliche Bildung) geförderten Projekt nun geschlossen wurde. Die Ergebnisse sind auf insgesamt 240 Seiten dokumentiert.

“Diese Lücke schließt die vorliegende Studie. Mit quantitativen und qualitativen Daten und einem Mixed-Methods-Ansatz untersucht sie den Umgang von Beschäftigten, Betrieben und dem Ausbildungssystem mit technischen Neuerungen seit den 1980er-Jahren. Es zeigt sich, dass Bürobeschäftigte durch ihr Arbeitsvermögen gerüstet sind, den techni­schen Wandel zu tragen und zu gestalten. Die beruflichen Qualifikationen von Bürobeschäftig­ten tragen erheblich zur Bildung der entsprechenden Fähigkeiten und Kenntnisse bei und die dualen Ausbildungen in den verschiedenen Büroberufen sind für die Gestaltung der laufenden Neuerungsprozesse durch technische Veränderungen gut aufgestellt” (BIBB 2022: Umgang mit technischem Wandel in Büroberufen. Aufgabenprofile, lebendiges Arbeitsvermögen und berufliche Mobilität; Heft-Nr.: 234 | PDF.

Wie von mir fett hervorgehoben sind die Mitarbeiter aufgrund ihres in der Vergangenheit aufgebauten Arbeitsvermögens durchaus in der Lage, sich den technischen und organisatorischen Herausforderungen zu stellen, und diese auch zu bewältigen. Weiterhin wird wieder einmal darauf hingewiesen, dass Technologie nicht ganze Berufe ersetzt, sondern hauptsächlich auf Tätigkeitsebene wirksam sein wird: “Bonin, Gregory und Zierahn (2015) gehen davon aus, dass Technisierungseffekte auf Tätigkeitsebene ansetzen, da Technik primär Tätigkeiten verändert und ersetzt und sich infolge dessen Berufsbilder verändern. Von Substitution betroffen sind demnach einzelne Tätigkeiten, nicht aber ganze Berufe” (ebd. S. 5). Darauf habe ich zwar auch schon immer wieder in verschiedenen Blogbeiträgen und in Konferenzpaper hingewiesen, doch ist es gut, wieder einmal eine aktuelle und belastbare Studie als Quellenangabe heranziehen zu können.

Die Veränderungen in Büroberufen werden dabei oftmals in Projekten durchgeführt, denn Projekte sind Träger des Wandels. In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanagerin Agil (IHK) gehen wir auf diese Zusammenhänge ein. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Kollaborationsplattformen fallen unter den Begriff der ´Social Media´, sind aber nicht damit identisch

Group of people with devices in hands working together as symbol of networking and communication

In der letzten Zeit habe ich vermehrt über Kollaborationsplattformen gepostet: Software bereitstellen reicht nicht, denn Kollaborationsplattformen sind anders oder auch Kollaborationsplattformen fördern neue Formen der Zusammenarbeit. Heute möchte ich auf den Bezug zwischen Kollaborationsplattformen und Social Media eingehen. Es stellt sich hier die Frage, ob es Unterschiede gibt, und wenn ja, welche? Es ist dabei hilfreich, sich klar zu machen, wie Kollaborationsplattformen in den Statistiken erfasst werden.

“Kollaborationsplattformen fallen in der amtlichen Statistik unter den Begriff der ´Social Media´, sind aber nicht damit identisch: ´Zu dem Oberbegriff Social Media (auch: Soziale Medien) werden alle digitalen Medien (Plattformen) und Technologien gezählt, die es Nutzern ermöglichen, sich untereinander auszutauschen. Einige Plattformen bieten zusätzlich die Möglichkeit, Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu gestalten”. (Destatis 2017, zitiert in Hardwig, T.; Weißmann, M. (2021): Das Arbeiten mit Kollaborationsplattformen – Neue Anforderungen an die Arbeitsgestaltung und interessenpolitische Regulierung. In: Mütze-Niewöhner et al. (Hrsg.) (2021): Projekt- und Teamarbeit in einer digitalisierten Arbeitswelt, S. 203-224; Fußnote auf Seite 208).

Kollaborationsplattformen sind durchaus ein neuer “Typus von Anwendungssystemen zur Unterstützung der räumlich verteilten Zusammenarbeit in Teams bzw. Projekten. Sie unterscheiden sich von traditioneller Groupware oder von
Wissensmanagementsystemen grundlegend (McAfee 2009), wir sehen fünf spezifische Eigenschaften: Transparenz, Soziales Netzwerk, Wachsende Strukturen, Gestaltungsbedürftigkeit, Integrierte Lösung” (ebd. S. 206-207).

In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK) nutzen wir Kollaborationsplattformen für die Projektarbeit. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

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Bitkom (2022): Wegweiser in das Metaverse

Immer öfter wird über das Metaverse gesprochen oder berichtet, doch was ist das eigentlich? Wenn man sich relativ unabhängig dazu informieren will, wird es schwierig, da es oftmals nur schwer verständliche wissenschaftliche Beiträge, oder eben Beiträge mit einer Tendenz zur Beeinflussung gibt. Dazwischen sind allerdings auch andere Veröffentlichungen zu finden, wie z.B. der Leitfaden Bitkom (2022): Wegweiser in das Metaverse (PDF), der auf immerhin 84 Seiten technologische und rechtliche Grundlagen, geschäftliche Potenziale und die gesellschaftliche Bedeutung zum Thema zusammenfasst. Ich möchte an dieser Stelle nur die sechs Messages zum Einstieg erwähnen.

Message 1: Das Metaverse ist mehr als ein Buzzword.

Message 2: Das Metaverse ist in der Entstehung –
eine abgeschlossene Definition kann es (noch) nicht geben.

Message 3: Beim Metaverse geht es um virtuelle Welten.

Message 4: Beim Metaverse geht es um (virtuellen) Besitz
und Handel.

Message 5: Das Metaverse ist keine (virtuelle) Parallelwelt.

Message 6: Das Metaverse muss ernst genommen werden, die Grenzen unserer Welt erweitern sich gerade.

Jetzt kann man natürlich auch hier eine tendenzielle Perspektive unterstellen, da der Verband Bitkom e.V. mit seinen mehr als 2.000 Mitgliedsunternehmen hauptsächlich die technologische und wirtschaftliche Perspektive auf das Thema vertritt. Bei einer ausgewogenen Darstellung empfehle ich oft, sich einmal bei den Soziologen zu informieren, die haben da so ihre eigene Sicht auf die Digitalisierung und auch auf das Metaverse.

Bei digital zusammenarbeitenden Teams wird die Beziehungsebene oft vernachlässigt – mit Folgen.

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Selbstverständlich ist es heute ein Muss, sich digital mit anderen auszutauschen. Gerade in digital zusammenarbeitenden Teams schätzt man oft die Vorteile dieser Zusammenarbeitet, die nicht darauf basiert, persönlich/physisch “face-to-face” zu kommunizieren. Die virtuelle Kommunikation hat bei einem aufgabenbezogenen Informationsaustausch unbestrittene Vorteile. Dabei ist allerdings zu beachten, dass gerade bei komplexen Problemlösungssituationen dem informellen Lernen und dem Austausch von impliziten Wissen eine große Bedeutung zukommt. Dieser Austausch wird durch die Beziehungsebene unterstützt und manchmal sogar erst ermöglicht.

“In digital zusammenarbeitenden Teams hat sich gezeigt, dass im Vergleich zu face-to-face Teams eine deutliche Reduzierung der Kommunikation stattfindet (Kauffeld et al. 2016). Die virtuelle Kommunikation fokussiert vorrangig aufgabenbezogene Informationen, vernachlässigt jedoch die Beziehungsebene. Das hat auch einen Einfluss auf die Ausbildung von Teamemotionen, die wiederum bestimmte Teamprozesse, wie bspw. den offenen Wissensaustausch, negativ beeinflussen (Hinds und Weisband 2003). In Teams, in denen eine reichhaltigere face-to-face Kommunikation für einen Teil der Teammitglieder möglich ist, andere daran jedoch nicht teilhaben, können sich Teamkognitionen und Teamemotionen für Teile des Teams unterschiedlich entwickeln und einzelne Teammitglieder könnten von dem Entwicklungsprozess sogar weitgehend ausgeschlossen sein. So kann es zu Subgruppenbildung kommen, die sich negativ auf die Kommunikation über das ganze Team hinweg auswirken kann (Straube und Kauffeld 2020)” (Bernardy, V. et al. 2021:117: Führung hybrider Formen virtueller Teams – Herausforderungen und Implikationen auf Team- und Individualebene. In: Mütze-Niewöhner et al. (Hrsg.): Projekt- und Teamarbeit in einer digitalisierten Arbeitswelt, S. 115-138).

Unternehmen sollten daher nicht nur in eine “effiziente Kommunikation” über digitale Kommunikationsplattformen investieren, sondern auch darüber nachdenken, an welchen Stellen und wie die wichtige Beziehungsebene für den offenen Wissensaustausch ermöglicht werden kann. Solche Zusammenhänge besprechen wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK). Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Anmerkungen zu “Deep Tech Innovation”

Image by Innova Labs from Pixabay

Zum Thema Innovation habe ich schon sehr viele Beiträge geschrieben. Es ist unzweifelhaft, dass wir unseren Lebensstandard nur halten können, wenn wir als Gesellschaft immer wieder Innovationen in allen gesellschaftlichen Bereichen einfordern und fördern. Die Europäische Union hat sich dieser Förderung seit vielen Jahren verschrieben, indem sie sehr viele Steuergelder auch an große Unternehmen ausschüttet. Gebracht hat es nicht sehr viel, denn im Ranking der weltweit führenden Unternehmen sind europäische Unternehmen kaum mehr vertreten. Die “wirklichen Innovationen” kommen aus Asien oder den USA. In der Zwischenzeit ist allerdings in der EU die Erkenntnis gewachsen, dass es möglicherweise auch Start-Ups sind, die in der Zukunft das Innovations-Ökosystem Europas bilden werden. In The New European Innovation Agenda (PDF) der Europäischen Union, die am 05.07.2022 veröffentlicht wurde, wird diese Entwicklung wie folgt beschrieben:

“A new wave of innovation is on its way: deep tech innovation, which is rooted in cutting edge science, technology and engineering, often combining advances in the physical, biological and digital spheres and with the potential to deliver transformative solutions in the face of global challenges. The deep tech innovations that are emerging from a growing cohort of innovative startups in the EU have the potential to driven innovation across the economy and society. This can in turn transform the EU’s business landscape and associated markets and help addressing the most pressing societal challenges, including by achieving the UN Sustainable Development Goals.” (ebd. Seite 1).

Es ist gut, wenn Start-Ups gefördert werden, da dies – im Gegensatz zur bisherigen Praxis – eher ein Bottom-Up-Ansatz zur Förderung von Innovationen ist. Ich würde mich freuen, wenn die Europäische Union den Bottom-Up-Gedanken von Innovation noch viel weiter entwickeln würde. Dabei kann der Ansatz von Eric von Hippel helfen, der in seinem frei verfügbaren Buch Free Innovation einen offenen Innovationsansatz (Open Innovation) beschreibt, den es ja schon gibt, der allerdings in den traditionellen Innovationsstatistiken nicht auftaucht. Dabei geht es um Innovationen eines jeden Einzelnen und nicht nur um Innovationen von Organisationen/Strukturen. Siehe dazu auch Free Innovation: Was wäre, wenn wir Innovationen stärker Bottom-Up denken und fördern würden?

Blended Learning: Dimensionen für einen Ermöglichungsraum des Lernens

In diesem Blogbeitrag habe ich erläutert, dass Blended Learning als Ermöglichungsraum für das Lernen gesehen werden kann. Es stellt sich jetzt die Frage, welche Dimensionen so ein Ermöglichungsraum haben kann. Erste Ansatzpunkte sind hier zu finden:

“In ´Blended-Learning-Szenarien ergeben sich sowohl für die Präsenz- als auch für die Onlinephasen […] veränderte Interaktionsbeziehungen´ (Reimer 2004, S. 268). Wer die Möglichkeiten des Blended Learning nutzen will, ist somit noch mehr gefordert, die didaktischen Konzepte auf die vielfältigen, technologiebasierten oder Präsenz-Methoden
abzustimmen und in ein Lernsetting, das den Lernzielen und allen Beteiligten gerecht wird, einzubetten (vgl. Reimer 2004). Gerade für diese Formen des digital unterstützten Lernens ist es somit entscheidend, die Zielgruppe genau zu kennen. Neben der Bekanntheit und Beliebtheit von digitalen Lernformen ist dann auch von Interesse, welche Lernmethoden bevorzugt werden, wann und wo bzw. wie orts- und zeitflexibel die gIV-Mitglieder lernen wollen und wie entscheidend es für sie ist, ob sie durch eine Seminarbegleitung angeleitet werden” (Korge, Gabriele; Wolter, Maxie; Hamann, Karin; Zaiser, Helmut (2022:14): Lernen zwischen Tradition und Transformation. Eine Erhebung zu digitalem Lernen von Betriebs- und Personalratsmitgliedern, Stuttgart: Fraunhofer Verlag. Die Autoren der Studie schlagen zur Einordnung die Dimensionen “Grad der Seminarbeteiligung” und “Grad der Digitalisierung” vor.

Grad der Seminar-beteiligung
HOCH
Präsenz-veranstaltung, angereichert um digitale ElementeLive-Online-Kurs mit Seminar-begleitung
Grad der Seminar-beteiligung
MITTEL
Blended Learning Veran-staltungen mit wechselnden Phasen online/offline bzw. mit/ohne Seminar-begleitung
Grad der Seminar-beteiligung
NIEDRIG
Online-Kurs zum Selbstlernen, Computer/Web Based Trainings, Lernvideos
Grad der
Digitalisierung
NIEDRIG
Grad der
Digitalisierung
MITTEL
Grad der Digitalisierung
HOCH
Quelle: ebd. S. 14

Für eine erste grobe Einordnung ist das Schema hilfreich, doch fehlt mir noch der zu berücksichtigende Kontext, in dem das (möglichst selbstorganisierte) Lernen stattfinden soll. Ohne den Kontext (Lernfeld – Arbeitsfeld) zu beachten, ist ein komplexes Problemlösen nicht möglich. Beispielsweise ist beim Lernen in einem Arbeitsumfeld der Geschäftsprozess als Kontext wichtig, um selbstorganisert zu Lernen und somit. situativ Wissen zu konstruieren. Nimmt man also den Kontext zu den oben genannten beiden Dimensionen hinzu, ergibt sich eine Art Würfel für den Ermöglichungsraum des Lernens. Siehe dazu auch Was sind Eigenschaften von komplexen Aufgabenstellungen?

In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK) werden diese Zusammenhänge beachtet. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Blended Learning als Ermöglichungsraum für das Lernen

In der Diskussion um Technologie – hier ist hauptsächlich die Digitalisierung von allem gemeint – in Lernprozessen kommt es immer wieder zu Dichotomien. Darunter sind zwei sich gegensätzlich gegenüberstehende Positionen gemeint. In Lernprozessen sind diese Positionen “entweder online lernen” oder “in Präsenz lernen”. Dass diese extremen Positionen alleine nicht der Wirklichkeit entsprechen, haben in der Zwischenzeit viele Individuen, aber auch Organisationen erkannt. Das Kontinuum zwischen den genannten Polen kann daher als Ermöglichungsraum für Lernprozesse bezeichnet werden.

Blended Learning Veranstaltungen werden sehr breit diskutiert, eine klare Definition gibt es nicht, es handelt sich somit auch weniger um ein Konzept als vielmehr um einen – sehr großen – Möglichkeitsraum (vgl. etwa Tayebinik und Puteh 2013). Am ehesten lässt sich Blended Learning als Wechsel aus Phasen mit bzw. ohne digitale Unterstützung, mit bzw. ohne Seminarbegleitung umschreiben: Die Lernenden erwerben neues (Grundlagen-) Wissen in (online- oder face-to-face) Präsenzveranstaltungen mit Hilfe der Seminarbegleitung, vertiefen dieses dann Zuhause (mit digitalem Material), wenden es in der Arbeit an und tauschen sich dabei über Chat aus. (…) Auch das agile Lernen im Unternehmen lässt sich als Blended Learning-Ansatz verstehen, mit seinem steten Wechsel aus (online- oder face-to-face) Meetings und selbstorganisierten Lernphasen, z. B. am (Computer-) Arbeitsplatz und der Lernplanung und Fortschrittsverfolgung über ein (online) Kanban Board (vgl. Korge et al. 2021a)” (Korge, Gabriele; Wolter, Maxie; Hamann, Karin; Zaiser, Helmut (2022:13-14): Lernen zwischen Tradition und Transformation. Eine Erhebung zu digitalem Lernen von Betriebs- und Personalratsmitgliedern, Stuttgart: Fraunhofer Verlag.

Der Begriff “Ermöglichungsraum” lehnt sich an den Begriff “Ermöglichungsdidaktik” (R. Arnold) an und verweist darauf, dass Blended Learning Ermöglichungsräume sind, die methodisch-didaktisch vorbereitet sein sollten. Weiterhin kommt dem Lernkontext eine besondere Bedeutung zu, denn das immer stärker werdende selbstorganisierte Lernen in einem Lernumfeld ist anders zu organisieren, als ein selbstorganisiertes Lernen in Arbeitsprozessen. Es bringt wenig (ist wenig wertschöpfend), wenn immer nur weitere Optionen (technische oder andere) angeboten werden, denn “je mehr umso besser” ist hier nicht angebracht – ja kann sogar verwirren. Siehe dazu auch The Paradox of Choice – Why more is less oder auch Freund, R. (2003): Mass Customization in Education and Training, ELearnChina 2003, Edinburgh, Scotland. Download | Flyer | Speaker.

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Neue Arbeitswelt: Vertrauen als Ersatz für Kontrolle?

In der heutigen Arbeitswelt kommt es immer stärker darauf an, gemeinsam komplexe Problemstellungen zu lösen. Das kann grundsätzlich durch mehr Selbstorganisation auf allen Ebenen erfolgen. Die bisher vorherrschende Art der Führung in Organisationen bewegt sich dabei von der bekannten Fremdorganisation hin zu mehr Selbstorganisation. Das bisher übliche Misstrauen und das Überwachen von Arbeit weicht dabei immer mehr einer Art Vertrauens-Arbeit. Diese Veränderung fällt vielen Führungskräften sehr schwer, da sie oft noch den Vorsatz leben “Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser”. Heute muss es allerdings eher heißen “Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser”.

“Vertrauen zeichnet sich laut Cummings und Bromiley (1996) durch die Überzeugung aus, dass andere sich dafür einsetzen, eingegangene Verpflichtungen einzuhalten, ehrlich zu sein und sich keinen Vorteil zum Nachteil der Gruppe verschaffen (Jarvenpaa und Leidner 1999). Vertrauen ist, wie die geteilten mentalen Modelle im Team, ein emergentes Teamphänomen, welches dynamischer Natur
ist und sich durch gemeinsame Erfahrungen im Team herausbildet (Breuer et al. 2016). Teamvertrauen zeigt sich durch die gemeinsame Bereitschaft, sich dem Team gegenüber verwundbar zu machen. Es basiert auf der Erwartung, dass sich die Teammitglieder konform zu den Teamzielen und -normen verhalten, ohne dass dies kontrolliert werden müsste. Damit kann Vertrauen als Ersatz für Kontrolle dienen. Es zeigt sich demnach in Situationen, in denen tatsächliche Kontrolle kaum möglich ist – wie es in virtuellen Settings der Fall ist – als unabdingbare Komponente für die Teamleistung (Peters und Manz 2007)” (Bernardy, V.; Müller, R.; Röltgen, A. T.; Antoni, C. H. 2021:123).

Siehe dazu auch Vertrauen im Innovationsprozess (PDF), Vertrauen in Zeiten des Internets, Zahlengläubigkeit, Vertrauen und Erfolg und Martin, J. (2006): Multiple intelligence theory, knowledge identification and trust.

Planungsfehlschluss bei Wissens- und Innovationsarbeit

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Die Arbeit hat sich von einer Arbeit 1.0 bis Arbeit 4.0 verändert. Früher ging es um die Wiederholbarkeit von Prozessen, die sich relativ langsam veränderten und auch gut abgeschätzt/kalkuliert werden konnten. Durch den starken Treiber der Digitalisierung und der damit einhergehenden Vernetzung von allem entsteht ein Arbeitsumfeld, in dem viel stärker der Umgang mit Wissen und Innovationen gefragt ist. Diese Wissens- und Innovationsarbeit kann allerdings nicht so gut kalkuliert werden, und muss daher immer mehr geschätzt werden. Dabei kommt es allerdings häufig zu einem Planungsfehlschluss.

“Bei der Ermittlung von Zeitbedarfen für komplexe Wissens- und Innovationsarbeit ist der Planungsfehlschluss (planning fallacy) zu beachten. Der Planungsfehlschluss beschreibt den Effekt, dass zukünftige Zeitbedarfe durch die ausführenden Personen systematisch unterschätzt werden (Kahneman 2011; Lovallo und Kahneman 2003). Eine Ursache des Planungsfehlschlusses ist die subjektive Wahrnehmung von Zeit, welche von tatsächlichen zeitlichen Abläufen abweichen kann und u. a. auf individuelle inhaltsbezogene Bewertungen und Gefühle zurückzuführen ist” (Pietritz et al. (2021): Prävention zeitlicher Überforderung bei komplexer Wissens- und Innovationsarbeit | PDF. In der Datei wird das vorgeschlagene Verfahren genau beschrieben. Die Autoren beziehen sich bei ihrem Lösungsansatz auf Debitz U, Hacker W, Stab N, Metz U (2012) Zeit- und Leistungsdruck?Anforderungsgerechte partizipative Personal- bzw. Zeitbemessung bei komplexer und interaktiver Arbeit als Grundlage von Nachhaltigkeit. In: Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V. (Hrsg) Gestaltung nachhaltiger Arbeitssysteme – Wege zur gesunden, effizienten und sicheren Arbeit. GfA-Press, Dortmund, S 397–400 und entwickeln den dort beschrieben Ansatz weiter.

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