Schauen wir uns in diesem Zusammenhang einmal an, was im aktuellen Scrum-Guide dazu steht: “Scrum basiert auf der Theorie empirischer Prozesssteuerung oder kurz “Empirie”. Empirie bedeutet, dass Wissen aus Erfahrung gewonnen wird und Entscheidungen auf Basis des Bekannten getroffen werden. Scrum verfolgt einen iterativen, inkrementellen Ansatz, um Prognosesicherheit zu optimieren und Risiken zu kontrollieren (Seite 5, Hervorhebung durch den Autor des Blogbeitrags).
Der Text “Theorie der empirischen Prozesssteuerung oder Empirie´” ist m.E. etwas ungewöhnlich, da er “Empirie” als “Theorie bezeichnet. Die Soziologie betrachtet allerdings “Theorie” und “Empirie” separat. Gemeint ist im Scrum-Guide wohl, dass der Schwerpunkt eher auf der “Empirie” liegt. Allerdings ist diese Perspektive auch nicht so ganz geschickt, wie dem folgenden Text zu entnehmen ist.
Das Fach Soziologie ist in seinem Kern in zwei Sphären geteilt: „die Theorie“ und „die Empirie“ (…). Die Begriffe „Theorie“ und „Empirie“ bezeichnen damit zwei weitgehend separierte sozilogische Wissenspraktiken, die auf unterschiedlichen Materialien, Relevanzen, philosophischen Traditionen und Diskursen gründen (…). So weit, so bekannt. Wie alle Dualismen führt auch derjenige von Theorie und Empirie in seiner Klischeehaftigkeit eine Reihe von Unschärfen mit sich. In der Geschichte der Soziologie findet sich eine Vielzahl solcher Gegensatzkonstruktionen wie etwa Mikro/Makro, Kultur/Natur, Struktur/Handlung. In „Sattelzeiten“ (Koselleck) soziologischer Theoriebildung finden Umkehrungen statt, und damit verlieren diese Gegensätze ihren den soziologischen Diskurs bestimmenden Charakter (vgl. Knorr Cetina/Cicourel 1981) (…) Er knüpft damit an Diskurse an, die die Notwendigkeit betonen, Empirien und Theorien nicht getrennt zu denken (etwa Merton 1968: 139 ff., 156 ff.; Bourdieu 1979: 228 ff) vgl. Kalthoff 2008:8-10).
Wer hätte gedacht, dass die Soziologie hier wichtige Anregungen gibt… Theorie und Empirie nicht getrennt zu denken, kann daher auch in der Diskussion über Scrum hilfreich sein, denn einseitige Perspektiven werden dem komplexen Kontext, in dem agile Ansätze angewendet werden, nicht gerecht.
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